Hick-Hack um Tempo 30

Am 20. Februar endete die öffentliche Auflage des Projekts «Strassenlärmsanierung Kreis 10», welches unter anderem die Breitensteinstrasse und einen Abschnitt Am Wasser auf Tempo 30 herabsetzen will. Wie zu erwarten war, wurden Einsprachen erhoben.

Die Breitensteinstrasse ab Wipkingerplatz stadtauswärts: Tempo 50
Am Wasser, Einmündung Grossmannstrasse: Ab hier ist bereits fast bis zur Europabrücke Tempo 30 signalisiert.
Die Kehrseite des selben Schildes: Tempo 50 Stadteinwärts.
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Bis Ende 2016 hatte die Stadt Zürich gestaffelt zwölf kreisweite «Akustische Projekte» aufgelegt und Verkehrsvorschriften publiziert. Die meisten dieser Projekte sind durch Einsprachen blockiert. Da die Urteile bei verschiedenen Gerichten noch hängig sind, können darüber keine weiteren Aussagen gemacht werden. Die Ende Januar publizierte Ausschreibung betrifft Strassenabschnitte, bei denen noch Abklärungsbedarf bestand, es handelt sich um einen Teil der Strasse Am Wasser, die Breitensteinstrasse, Hönggerstrasse und Wasserwerkstrasse. Auch für die Gsteigstrasse und Regensdorferstrasse wurde Tempo 30 ausgeschrieben. Wie erwartet, wurden auch gegen diese Ausschreibung Rechtsmittel ergriffen.

Stadt ist verpflichtet, Lärmschutzsanierungen umzusetzen

Geschwindigkeitsreduzierte Zonen sind in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder eingerichtet worden, allerdings aus sicherheitstechnischen Gründen. So gilt an der Strasse Am Wasser und Breitensteinstrasse, entlang des Schulhauses Am Wasser, bereits heute Höchstgeschwindigkeit 30 km/h. Diese Bestimmung sei fix, teilt der Kommunikationsverantwortliche der Dienstabteilung Verkehr (DAV), Heiko Ciceri, auf Anfrage mit. Die 1987 vom Bund in Kraft gesetzte Lärmschutzverordnung (LSV) sah ursprünglich Reduktionen der Lärmbelastungen bis 2002 vor. Diese Frist konnte jedoch nicht eingehalten werden und wurde bis 2018 verlängert, ausgenommen sind die Autobahnen, dort lief die Frist bereits 2015 aus. Aus der LSV geht klar hervor, dass Lärmsanierungsmassnahmen «an der Quelle», also leisere Fahrzeuge, Verkehrs- und Geschwindigkeitsreduktion, lärmarme Beläge mit Vorzug behandelt werden sollen, Schallschutzfenster werden nur als Ersatzmassnahmen in Betracht gezogen. Der Alternative mit Lärmschutzwänden sind aus Gründen des Ortbildschutzes, der Verkehrssicherheit und der Aussenraumqualität enge Grenzen gesetzt. Auch finanziell sind Geschwindigkeitsreduktionen erheblich attraktiver und einfacher umzusetzen. Zwischen 2011 und 2013 erarbeitete ein städtisches Projektteam im Auftrag des Tiefbauamts (TAZ) und der DAV unter Mitwirkung des Umwelt- und Gesundheitsschutzes (UGZ) und der Verkehrsbetriebe (VBZ) die Konzeptpläne «Strassenlärmsanierung durch Geschwindigkeitsreduktion» und «Tempo- und Verkehrsregime mit ÖV-Trassierung». Beide stellen Massnahmen zur Umsetzung des Programms «Stadtverkehr 2025» dar und sollten unter anderem eine verbindliche Grundlage zur Durchführung der Strassenlärmsanierungen bilden. «Die Stadt bevorzugt klar die Massnahmen an der Quelle, sprich die Geschwindigkeitsreduktion», sagt Ciceri. «Es gibt jedoch Strassen, in denen eine Temporeduktion nicht oder mit unverhältnismässigem Aufwand realisiert werden kann. In solchen Ausnahmefällen können Sanierungserleichterung gewährt und Lärmschutzfenster eingebaut werden». Genau dies sei beispielsweise in manchen Häusern Am Wasser schlicht nicht möglich, sagt Martin Zahnd, Präsident der IG Am Wasser-Breitensteinstrasse (IG AWB). «Man müsste die ganzen Rolläden auswechseln und die Mauer dort umbauen, weil der Lärm durch den Storen-Kasten oberhalb des Fensters dringt, da bringen auch noch so dichte Fenster nichts». Schallschutzwände nützten nur den Häusern in der zweiten Reihe, nicht denen, die direkt an der Strasse stehen, fügt er an. Die IG AWB setzt sich seit 2010 unter anderem für die permanente Einführung einer Tempo-30-Zone an den im Namen erwähnten Strassen ein. Im weiteren Umfeld der Quartierdurchfahrt wohnen knapp 7‘000 Personen, in der Ortsdurchfahrt sind es 2’000. Obwohl es immer wieder zu Einsprachen kommt, ist Zahnd zuversichtlich, dass Tempo-30 früher oder später kommt, «weil es die beste Lösung ist. Der Lärmschutzverordnung sei Dank».

ACS und TCS wehren sich mit Einsprachen

Aus dem Positionspapier des Automobilclubs Schweiz (ACS), Sektion Zürich, geht unmissverständlich hervor, dass der Club zusammen mit dem Touring Club Schweiz (TCS) gegen sämtliche geplanten Tempo-30-Zonen «im Stadtgebiet, auf Staatsstrassen, auf Hauptverkehrs- und Sammelstrassen sowie auf übrigen kommunalen Strassen mit quartierübergreifenden Funktionen» Einsprache eingereicht hat und einreichen wird. Einerseits möchten die Verbände so verhindern, dass die Stadt Zürich zu einer einzigen, flächendeckenden 30 km/h-Zone wird, andererseits berufen sie sich auf eine eidgenössische Abstimmung von 2001, an welcher die Initiative «für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strasse für alle)» mit 80 Prozent Nein-Voten scheiterte. Entsprechend wehrten sich ACS und TCS 2014 gegen einen Pilotversuch, bei dem auf vier Strassen, darunter die Breitensteinstrasse und Am Wasser, während der Sommermonate Juli bis September zwischen 22 und sechs Uhr das Tempo 30 gelten sollte. «Wir sind nicht grundsätzlich gegen solche Versuche, weil sie objektive Resultate liefern», meint Lorenz Knecht Geschäftsführer des ACS, «doch in diesem konkreten Fall wurden wir nicht wirklich in den vorbereitenden Prozess mit eingebunden, es war alles bereits bestimmt. Wir wünschen uns eine enge und echte Einbindung und wollen nicht als «Kleeblatt» missbraucht werden». Der Versuch wurde aufgrund der Einsprachen vorerst blockiert, das Urteil ist noch hängig.

Geschwindigkeit und Reifen haben Einfluss auf Lärmpegel

Eine vom Kanton Aargau und der Stadt Zürich in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel «Potential von Temporeduktionen innerorts als Lärmschutzmassnahme», kam 2015 zum Schluss, dass das Lärmminderungspotential erheblich ist. Unabhängig von den Belagstypen würden sich beispielsweise die Lärmemissionen bei 30 km/h gegenüber 50 km/h deutlich reduzieren. Zwar gibt es recht grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Fahrzeugtypen, die Lärmemissionen nehmen mit abnehmender Geschwindigkeit jedoch bei allen Fahrzeugen ab. Offenbar haben auch unterschiedliche Reifen einen grossen Einfluss auf die Lärmemissionen. So verursacht interessanterweise ein rein elektrisch betriebener Tesla grössere Lärmemissionen als rund die Hälfte der anderen Fahrzeuge.
Die Ausschreibungen zu den Tempo-30-Zonen sind nun abgeschlossen. Wie lange die diversen Urteile noch hängig sein werden, ist schwer vorauszusagen. 

Mehr Informationen zur Vorgeschichte Am Wasser – Breitensteinstrasse sind unter http://hoengger.ch/dossiers im Dossier mit entsprechendem Titel zu finden.

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