Wenn die Alimentenzahlungen versiegen

Geht eine Beziehung in die Brüche, ist nichts mehr, wie es einmal war. Sind Kinder im Spiel, ist die neue Situation noch belastender und stellt beide Parteien zusätzlich vor finanzielle Herausforderungen. Die Alimentenstelle der Stadt Zürich unterstützt Personen, die Anspruch auf Unterhaltszahlungen hätten, diese aber nicht kriegen. Mit Bevorschussung und Inkassohilfe sollen sie über die Runden kommen.

Unbesorgtes Spielen der Kinder bedingt auch eine geregelte finanzielle Situation der Eltern.

In der Schweiz wurden letztes Jahr 16‘777 Ehen geschieden, drei bis vier pro Tag alleine in der Stadt Zürich. Bei einer Scheidung oder Trennung kommen Trauer, Wut, Ängste und Verzweiflung auf. Am meisten leiden die Kinder unter der neuen Situation, die zwischen Mutter und Vater hin- und hergerissen sind und leider oft zum Spielball im Streit zwischen den Eltern werden. Dabei hätte doch das Kindswohl erste Priorität. Dies gilt für die Regelung und Einhaltung des Besuchsrechts, aber auch, was die Unterhaltszahlungen an das Kind oder die Kinder anbelangt. Bei den allermeisten Scheidungen hat die Mutter die Obhut. Somit ist der Vater zur Zahlung von Alimenten verpflichtet, was erfreulicherweise in der Regel problem- und diskussionslos funktioniert. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder ein sonstiger Schicksalsschlag kann den Zahlungsfluss jedoch zum Versiegen bringen. Wie soll die Mutter ohne Unterhaltszahlungen sich und ihr Kind über die Runden bringen? In dieser Situation kann die Alimentenstelle der Sozialen Dienste der Stadt Zürich entlastend wirken. Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt können sich von der Alimentenstelle beraten lassen und bei Bedarf eine Bevorschussung beantragen. Damit diese bewilligt wird, müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein. Insbesondere haben nur Personen mit geringem Einkommen und Vermögen Anspruch. Deshalb muss man seine finanzielle Situation mit Kontoauszügen und Lohnabrechnungen lückenlos dokumentieren. Sind die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, richtet die Stadt monatlich die Kinderalimente aus und versucht, die bevorschussten Beiträge beim unterhaltspflichtigen Elternteil wieder einzutreiben.

Manchmal handelt es sich nur um eine kurze Überbrückung…

Die Mütter und manchmal auch Väter gelangen in den unterschiedlichsten Lebensphasen an die Alimentenstelle. Eindrücklich ist das Beispiel einer jungen Frau, die gerade ihre Erstausbildung abgeschlossen und sich von ihrem Freund getrennt hat. Wenige Monate nach der Trennung kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt. Ihr Ex-Freund anerkannte die Vaterschaft und war bereit, einen Unterhaltsvertrag abzuschliessen. Regelmässig bezahlte er die vereinbarten 300 Franken pro Monat, bis er seine Stelle als Hilfskoch verlor und ohne Ausbildung auf der Strasse stand. Die Alimentenstelle griff der jungen Mutter und ihrer Tochter ergänzend zur Sozialhilfe unter die Arme, bevorschusste die Unterhaltsbeiträge und nahm mit dem Vater Kontakt auf. Auch er wollte nur das Beste für seine kleine Tochter. Nachdem er wieder eine Anstellung gefunden hatte, setzte er alles daran, die laufenden Alimente und die aufgelaufenen Schulden zu begleichen. Glücklicherweise gelang ihm dies. Nach nur einem Jahr konnte die Stadt die Bevorschussung wieder einstellen.

… manchmal springt der Staat für längere Zeit ein

Nicht immer endet eine Bevorschussung von Alimenten so rasch. Beispielsweise verpflichtete sich ein Vater, für seinen Sohn monatlich 1‘500 Franken bis zum Abschluss der Erstausbildung zu zahlen. Als der Vater an einer Erschöpfungsdepression erkrankte, für mehrere Monate nicht arbeiten konnte und dann die Kündigung erhielt, stoppte er seine Zahlungen. Wie sollte er so seiner Unterhaltspflicht nachkommen? Erst zwei Jahre später meldete sich die Mutter bei der Alimentenstelle, weil sich die Rechnungen für Miete, Krankenkasse und Schulmaterial für ihren Sohn, der kurz vor der Maturität stand, stapelten. Unter diesen Umständen schien ein Studium in weite Ferne zu rücken. Die Alimentenstelle prüfte den Antrag auf finanzielle Unterstützung. Eine Bevorschussung bis zum gesetzlichen Maximum von 940 Franken war möglich. Die fehlenden 560 Franken versuchte die Alimentenstelle direkt beim Vater geltend zu machen. Dieser weigerte sich allerdings, mit der zuständigen Sachbearbeiterin zu telefonieren und erschien trotz mehreren Einladungen nicht zu einem Gespräch. Erst bei der eingeleiteten Betreibung stiess der Pfändungsbeamte auf ein Sparkonto mit einem grösseren Betrag, der eigentlich als eiserne Reserve gedacht war. Mit dem Pfändungserlös wurden die Rückstände gedeckt. Und auch die Stadt Zürich konnte die bevorschussten Alimente teilweise begleichen. Für den Rest musste ein Verlustschein ausgestellt werden. Das Beispiel zeigt: Der Inkassoauftrag, den die Alimentenstelle zu erfüllen hat, ist ebenso wichtig, wie die Bevorschussung von Alimenten.

Hinter den Zahlen stehen Trauer, Wut und Enttäuschung

Oft ist ein Inkasso jedoch nicht möglich. So auch in jenem Fall einer Frau mittleren Alters, die nach mehreren Jahren vermeintlichen Familienglücks plötzlich vor dem Nichts stand. Ihr Partner, mit dem sie zwar nicht verheiratet war, aber zumindest einen Unterhaltsvertrag abgeschlossen hatte, verliess sie für eine Frau aus dem Ausland. Er reiste ihr nach, ohne je seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Die Mutter einer sechsjährigen Tochter erfuhr erst ein paar Monate später, in welches Land ihr Ex-Freund gereist war. Da dieses kein internationales Abkommen mit der Schweiz hat, gab es keine Möglichkeit, ein Inkasso via Rechtshilfegesuch einzuleiten. Die von der Alimentenstelle bevorschussten 400 Franken Kinderunterhalt blieben folglich an der Stadt hängen. So ärgerlich dies für die Stadt ist, Frau und Kind erlitten weit grösseren Schaden: Trauer, Wut und Enttäuschung, weil der Lebenspartner und Papa plötzlich nicht mehr da ist und vielleicht nie wieder kommt. Die Alimentenstelle kann zwar finanzielle Sorgen lindern, aber seelische Wunden vermag sie nicht zu heilen.

Harald Willimann ist Leiter Alimentenstelle bei den Sozialen Diensten der Stadt Zürich.

 

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