Auch die Kleinen müssen zur Schule

Im Juni tritt im Kanton Zürich die revidierte Hundeverordnung in Kraft. Der «Höngger» hat sich mit Hundehalter*innen und Fachleuten darüber ausgetauscht, wie sie die neue Gesetzgebung beurteilen.

Ab 1. Juni müssen alle Hunde die Schulbank drücken. (Foto: das)

Hunde sind laut Sprichwort des Menschen bester Freund. Und auf einen solchen wollen immer weniger Menschen verzichten. Im Kanton Zürich leben nach Angaben des Kantons momentan rund 70 000 Hunde, Tendenz steigend. Doch wer einen Hund hält, hat auch Verpflichtungen. Das betrifft nicht nur die Abgabe von Steuern und die Einhaltung von Rasseverboten, sondern auch die Pflicht, Ausbildungsnachweise zu erbringen. Gesetzlich verankert ist dies im kantonalen Hundegesetz und der dazugehörigen Verordnung, welche in den vergangenen zehn Jahren Inhalt intensiver Diskussionen waren. Die jüngste Revision tritt nun per 1. Juni in Kraft.

Praktische und theoretische Schulung obligatorisch

Damit wird sich für alle diejenigen, welche nach dem 1. Juni einen Hund anschaffen, im Vergleich zur heutigen Situation einiges ändern. Ab dann sind alle Neuhundehalterinnen verpflichtet, obligatorische Kurse zu belegen. Dazu gehören sechs praktische Lektionen – unabhängig von Grösse und Rasse des Tieres. Bis anhin waren nur die grösseren Hunde «schulpflichtig», kleinwüchsige waren davon ausgenommen. Dafür waren statt sechs Pflichtlektionen bis anhin vier Lektionen Welpen- sowie zehn Lektionen Junghundekurs vorgeschrieben.

Neu ist auch die Pflicht, Theorielektionen zu belegen: Ersthundehalterinnen und Wiedereinsteigende müssen einen zweistündigen Kurs mit abschliessender Prüfung absolvieren. Die Lernziele des Kurses werden vom Veterinäramt vorgegeben und beinhalten grundsätzliche Informationen über die Biologie des Hundes, sein Lernverhalten, den Umgang mit Hunden sowie über rechtliche Grundlagen.

Reaktionen auf das Gesetz

Auf die Gesetzesrevision angesprochen, äussert sich die Hönggerin Julia Gast positiv zu den Neuerungen. Sie ist Besitzerin eines grösseren Hundes und begrüsst die Revision: «Ich finde gut, dass auch kleine Hunde zur Schule gehen müssen – zu ihrem eigenen Schutz. Denn ein kleiner Hund, der nicht erzogen ist und andere anpöbelt, gefährdet schlussendlich sich selber, weil irgendwann mal ein grösserer Hund reagiert und zubeisst. Die Menschen müssen dazu gebracht werden, ihre Hunde zu erziehen – da liefert ein obligatorischer Kurs Impulse.»

Auch Martina G. befürwortet die Kurspflicht: «Diese acht Stunden sind gut investiert, auch für Kleinhunde. Gerade weil die Hundedichte zugenommen hat in der Stadt, ist so ein Verhaltenskodex durchaus nützlich.» Der Familienhund von Raffaela N. gehört zu den kleinen Rassen. Deswegen musste er keine Pflichtkurse absolvieren. Raffaela hat jedoch freiwillig einige Lektionen besucht. Zur Ausbildungspflicht meint sie: «Ich denke, es ist immer gut, wenn man lernt, wie man mit dem Hund umgeht und ein paar erzieherische Massnahmen kennenlernt. Ich frage mich allerdings, ob es wirklich ein «must» sein sollte, die Kurse zu besuchen.»

Verantwortungsbewusstsein

Doch wie beurteilen Fachleute die neue Verordnung? Der «Höngger» hat bei Jeanine Däppen, Präsidentin der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft Zürich (SKG), und bei Jennifer Swirta, Inhaberin der Swiss Dog School, nachgefragt. Grundsätzlich äussern sich beide positiv dazu, dass nun eine einheitliche Ausbildung für alle Hunde vorhanden ist. Denn auch kleine Hunde, so Swirta, «können unerwünschtes Verhalten entwickeln, das im Alltag zu Problemen führen kann. Zudem wird oft unterschätzt, dass auch diese eine konsequente Erziehung benötigen. Die Schulungspflicht fördert das Verantwortungsbewusstsein und trägt zu einer besseren Hundehaltung bei.»

Allerdings bedauern die Hundetrainerinnen die Verkürzung der praktischen Lektionen – insbesondere den Wegfall der Welpenkurse. «Die Lernziele sind grundsätzlich sinnvoll, jedoch ist die Verkürzung kritisch zu betrachten. Sechs Lektionen sind sehr knapp bemessen, um eine fundierte Ausbildung sicherzustellen. Eine flexiblere Gestaltung mit der Möglichkeit, weitere Lektionen zu absolvieren, wäre wünschenswert», so Swirta. Und Däppen ergänzt: «Ich als Hundetrainerin möchte immer das Optimum für das jeweilige Team herausholen, aufgrund der verkürzten Ausbildung wird es aber beim Minimum bleiben, was ich sehr schade finde.»

Sinnvoll sind aus Sicht der Expertinnen auch die Theorielektionen. Das alte Gesetz, so Swirta, «hatte einige Lücken, insbesondere im Bereich der theoretischen Grundlagen. Doch, so geben sowohl Däppen als auch Swirta zu bedenken, müsse sich erst erweisen, ob die geplanten zwei Lektionen tatsächlich ausreichend seien.
Kritisch sieht Däppen zudem, dass «die Theoriekurse nicht wie zum Beispiel beim früheren SKN-Kurs vor Anschaffung eines Hundes stattfinden, sondern erst dann, wenn der Hund schon da ist.»

Wer trainiert die Hunde?

Schliesslich reguliert die Verordnung auch die Arbeit der Hundetrainerinnen. Um eine Zulassung zu erhalten, müssen alle Ausbildenden eine theoretische und praktische Prüfung ablegen, unabhängig davon, welche Grundausbildungen sie vorweisen können und wie lange sie bereits im Beruf tätig sind. Gleichzeitig gibt es keine verpflichtende Standardausbildung, welche absolviert werden muss. Genau diese Punkte waren der Grund, weshalb das neue Gesetz im Vorfeld bei Hundetrainerinnen auf Widerstand stiess.

Auch die beiden Befragten sehen dies kritisch. So meint Swirta zu der Frage, ob nun praktisch jeder Hunde trainieren dürfe: «Es reicht, die Prüfung beim Veterinäramt zu bestehen. Das ist problematisch, da die Qualität der Ausbildung stark von der Kompetenz der Trainerinnen abhängt. Eine fundierte kynologische Ausbildung und praktische Erfahrung sollten Voraussetzungen für eine Bewilligung sein.» Sauer stösst Däppen zudem der Umstand auf, dass nun alle wieder eine Prüfung abzulegen haben: «Etwas befremdlich finde ich, dass ich nach einer fundierten Ausbildung, regelmässigen Weiterbildungen und mehrjähriger Praxiserfahrung sozusagen meine LAP nochmals ablegen muss. Mir ist nicht bekannt, dass jemals eine Berufsgruppe eine Prüfung zur Ausübung ihrer Tätigkeit nach Jahren hat wiederholen müssen.»

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