Quartierleben
Ausstellung im Krematorium Nordheim
Im Kreuzgang des Krematorium Nordheim beginnt am 30. April eine Ausstellung unter dem Titel «furchtlos – wie kann ich in Frieden gehen?». Der «Wipkinger» hat mit der Künstlerin Marianne Iten Thürig gesprochen.
30. März 2017 — Fredy Haffner
Rolf Steinmann, Leiter des Bestattungsamtes der Stadt Zürich, begegnete vor zwei Jahren der Künstlerin Marianne Iten Thürig an einer Ausstellung in Cham. Spontan lud er sie ein, sich doch das Krematorium Nordheim hinsichtlich einer möglichen Ausstellung anzuschauen. «Das tat ich und war sofort von der Architektur begeistert», erinnert sich Iten, «auch die Lage des Krematoriums, der Wald dahinter, alles hat mir sehr gefallen. Ich stand im Innenhof und fühlte mich von der Atmosphäre elektrisiert». Es sei genau dieser Augenblick gewesen, in dem die Idee zu dem Projekt «furchtlos» entstanden sei.
Auseinandersetzung mit dem Sterben
Schon früher habe sie beim Begleiten von nahen Verwandten in deren letzten Wochen und Stunden unglaubliche Erfahrungen gemacht, erzählt Iten: «Zuerst musste ich lernen, mit Angst, Trauer und Wut umzugehen. Die Veränderungen, die Krankheiten mit sich bringen, musste ich annehmen und verstehen lernen. Erst danach öffnete sich der Horizont zu ungeahnter Weite und Schönheit». Sie habe zugehört, geredet und versucht, alles was noch zu klären war, zu klären – und sei oft eines Besseren belehrt worden, denn, so Iten, «irgendwann im Sterbeprozess werden Worte überflüssig, das Reden verliert seinen Sinn, Schweigen ist angesagt, Händehalten». Und in dieses Schweigen hinein dringe ein tiefes Gefühl der Liebe, der sterbende Mensch beginne mit friedvollem Gesicht zu strahlen: «Es offenbarte sich mir eine bisher kaum beachtete, allumfassende Liebe, die mich und die Anwesenden, als Ganzes umhüllte und den Raum mit Frieden ausfüllte».
Liebe und Frieden werden Eins, nichts Anderes sei wichtig, sagt Iten, und diese Gewissheit begleite sie seither. Und die Frage, ob sie eines Tages auch so in Frieden gehen könne. Vor allem aber auch, ob es möglich sei, schon vorher Ähnliches zu erleben, den Frieden zu kultivieren.
Seidenmalerei mit spezieller Technik
Bildnerisch sichtbar wurde diese Auseinandersetzung nun in Itens Seidenarbeiten, meterlangen Bildern mit Titeln wie zum Beispiel «Fühle dich selbst» oder «Weibliche Energie». Darauf sind oft menschliche Gesichter abgebildet. «Für mich als Künstlerin ist das menschliche Antlitz ein wunderbares Forschungsobjekt», schwärmt Iten, «es zeigt Emotionen, deutet auf Herkunft, Alter, Wesenszüge und Erfahrungsschatz hin». Schon zu Beginn des Projekts habe sie sich entschieden, andere Menschen mit einzubeziehen: «Ich wollte mir ihre Geschichten zum Thema anhören und um den Abdruck des Gesichtes bitten». Letztlich beteiligten sich 50 Personen an der Gesichter-Sammlung. Für ihre Seidenarbeit entwickelte Iten eine spezielle Abdruck-Technik, mit welcher der Stoff das menschliche Gesicht «aufnehmen» kann: «So entsteht ein ganz eigener Charakter, der einen wunderbaren ˂Rohstoff˃ bildete für das Projekt ˂furchtlos˃». Als Gestaltungselemente der Tücher adaptierte die vielseitige Künstlerin Techniken aus der Glasmalerei und der Seidenmalerei, nutzte Applikation, alte Spitze und Brokatbänder. Das Ergebnis ist Eins – wie Liebe und Frieden, von deren Einheit Iten überzeugt ist.
«furchtlos»
Vernissage Sonntag, 30. April, 10.45 Uhr.
Ausstellung bis Sonntag, 29. Oktober
Krematorium Nordheim
Käferholzstrasse 101
8046 Zürich
Montag bis Freitag, 8.30 bis 16.30 Uhr,
Samstag und Sonntag 8.30 bis 11.30 Uhr
Informationen zum Rahmenprogramm unter www.farbreise.ch/furchtlos.html und
www.stadt-zuerich, Kultur im Krematorium Nordheim
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