Der Hund – oder: Warum bloss können wir das nicht?

Unsere Redakteurin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über zwischenmenschliche Solidarität – wo auch immer die zu finden ist.

Symbolbild: Freepik.

Heute bin ich ein wenig nachdenklich gestimmt. Keine Angst, nix Weltbewegendes, keine Lebenskrise im grossen Stil, nur so ein kleines bisschen Wehmut an einem eigentlich wunderbaren Frühsommertag. Wird auch wieder besser, versprochen. Aber gerade frag ich mich mal wieder, was denn mit uns los ist. Mit uns meine ich nichts Geringeres als die Menschheit. Denn eigentlich ist es ja verrückt. Wir sind zwar soziale Wesen und halten uns für intelligent, so hatte ich das jedenfalls bis anhin verstanden. Aber was wir aus meiner Sicht einfach nicht begriffen haben oder zumindest nicht anwenden können, das ist das Prinzip der Solidarität. Oder auch der Empathie, ganz simple Dinge eigentlich.  

Das gilt natürlich für das grosse Ganze, aber auch schon im Kleinen. Denn mal so pauschal gesagt können wir uns doch eigentlich in keiner der Beziehungen, die wir so während eines Lebens pflegen, dieser Dinge so voll und ganz sicher sein – mit Ausnahme vielleicht der Beziehung zu unseren Kindern. Zumindest solange sie noch klein und herzig sind und uns als Bezugspersonen nicht hinterfragen. Sobald sie älter werden, ist auch hier mit der Solidarität zu den Eltern oft nicht mehr so viel los. Und Einfühlungsvermögen bei Teenagern? Na gut, das ist ein anderes Thema und völlig normal, da müssen wir Eltern einfach durch.

Aber durch alle anderen Verhältnisse, seien es Verwandtschaften, Freundschaften, Bekanntschaften oder Liebesbeziehungen zieht sich doch auch irgendwie ein roter Faden von immer wieder auftretenden Auseinandersetzungen, Missgunst, Streitereien über Kleinigkeiten und all so Mist, den kein Mensch braucht.

Gibt es das überhaupt, einen wertfreien Umgang mit anderen Menschen? Ich meine nicht wertlos, nein, im Gegenteil, einen Umgang, der nicht wertend ist? Sind wir nicht vielmehr meistens am Vergleichen und Urteilen?
Klar, man ist schon füreinander da, hilft, wenn es einem Familienmitglied schlecht geht oder wenn jemand aus dem Bekanntenkreis Rat braucht. Aber selten unvoreingenommen. Oder täusche ich mich da?

Wir hören zwar zu, wenn uns jemand von seinen Problemen erzählt, denken aber gleichzeitig insgeheim: «Also ich würde mich in der Situation ganz anders verhalten.» Und lästern dann womöglich hinter dem Rücken noch über die Person. Wir gratulieren einer Bekannten, die sich darüber freut, dass ihr Kind bei einem Sportwettkampf den ersten Preis gewonnen hat und sind heimlich neidisch, dass unser Kind nicht so sportlich ist. Wir helfen unseren älteren Nachbarn, die nicht mehr so fit sind und hoffen gleichzeitig, dass es uns nie so gehen wird. Wir spenden Geld für Menschen, die von Katastrophen betroffen sind und halten uns deshalb für altruistisch. Alles bezieht sich immer nur auf uns selbst. Wir sind solche Egoist*innen. Warum bloss? Das Leben könnte so viel einfacher und schöner sein, wenn wir etwas mehr von uns selbst abstrahieren würden und die anderen einfach so nehmen würden, wie sie sind. Ohne zu werten. Ohne zu vergleichen.

Aber genug Trübsal geblasen. Ich geh mal mit dem Hund raus. Ich weiss, es ist eine Plattitüde, aber der hat das schon lange verstanden, das mit der Solidarität.

0 Kommentare


Themen entdecken