Politik
Der Rosengartentunnel: ein Relikt für die Zukunft
26. März 2019 — Eingesandter Artikel
Das von Stadt und Kanton geplante Stadttunnelprojekt ist nicht nur anachronistisch, es ist auch unverhältnismässig teuer und verlagert die Probleme, anstatt sie zu lösen.
Das Prinzip der WC-Spülung: Wir betätigen sie und das Lästige entschwindet auf Nimmerwiedersehen. Stellen wir uns nun vor, das vermeintlich Weggespülte würde wenige Meter weiter in einem anderen Zimmer unseres Zuhauses wieder ausgespuckt. Ja, genau, wir würden uns bei der Sanitärfirma über die ungeheuerliche Fehlkonstruktion beschweren. Mit dem geplanten Stadttunnel verhält es sich ähnlich: Er nimmt den Verkehr durch das eine Portal auf, schickt ihn dann durch ein grosszügig geschwungenes Rohr und spült ihn im gleichen Stadtkreis – quasi in Sichtweite – durch das andere Portal wieder hoch. Dieser Prozess geschieht in beide Richtungen.
Zuckerbrot und Peitsche
Die litaneienhaft vorgebrachten Verheissungen der letzten Jahre, die mit dem milliardenteuren Projekt ein wiedervereinigtes Wipkingen auf wenigen Hundert Metern in Aussicht stellen, könnten einen in süssen Schlaf lullen, wenn sie nicht stets von einer regierungsrätlichen Drohkulisse begleitet würden: Es sei die letzte Chance für Wipkingen, mehr öV gebe es nur mit dem Tunnel und der Rosengarten müsse als Verkehrsachse 56’000 Fahrzeuge pro Tag weiterhin aufnehmen können – kein Auto mehr, und keins weniger, so hiess es! Diese horrend hohe Verkehrsmenge wurde uns vom Regierungsrat sogar als Goodie verkauft, bis die bürgerliche Mehrheit des Kantonsrats sich weigerte, eine solche Obergrenze überhaupt für verbindlich zu erklären.
Dabei müssen wir weiterdenken
Auch die Schweiz muss sich endlich dazu bequemen, ihren namhaften Beitrag an eine CO2-Reduktion zu leisten. Anstatt einen Hochleistungstunnel zu bauen, täten wir ZürcherInnen gut daran, gegen die Klimaerwärmung bis 2030 unsere Emissionen um 45 Prozent zu senken. Trotz ausgezeichnetem öV-System gehören die Autoverkehr-Emissionen in unserem Land zu den höchsten in Europa, es gibt also noch viel Luft nach oben. Und eine von vielen Massnahmen wird wohl oder übel sein, den Individualverkehr zu reduzieren. Hier eine Verkehrspolitik der 90er-Jahre wörtlich in Granit zu meisseln, sendet das denkbar schlechteste Zeichen.
Andrea Leitner, AL-Gemeinderätin
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