Politik
Der Velostreifen, den es hätte geben können
An der Nordstrasse wurden während des Ausbaus des Fernwärmenetzes viele Parkplätze temporär aufgehoben. Diese Gelegenheit hätte man nutzen können, um einen Velostreifen im Gegenverkehr zu realisieren. Ein Gastbeitrag der Grünen Kreis 6/10.
25. März 2024 — Redaktion Wipkinger
Von Stefanie Pfändler, Vorstandsmitglied Grüne Kreis 6/10
Die Anwohnerinnen der Nordstrasse mussten in den letzten zwölf Monaten ein dickes Fell haben. Zwischen Kornhausstrasse und Nordbrücke wurden seit April 2023 Fernwärmeleitungen verlegt – es waren lange und laute Bauarbeiten mit vielen Einschränkungen für alle. Statt wie angekündigt bis Herbst 2023 dauerten die Bau- und Belagsarbeiten schliesslich bis jetzt – also ein ganzes Jahr.
Solche Baustellen sind aber nicht nur eine Belastung für alle Beteiligten – sie können auch eine Chance sein. An der Nordstrasse wurden für die Bauarbeiten zahlreiche Parkplätze in der Blauen Zone temporär aufgehoben. Anfangs führte das zu Chaos. Autobesitzerinnen fluchten verständlicherweise über fehlende Plätze.
Irgendwann wurde es aber ruhiger. Im Gespräch mit Automobilistinnen im Quartier war zu hören: «Irgendwo finde ich immer einen Platz.» Man staunte. Wurden die vielen Parkplätze denn gar nicht mehr vermisst? Ein Nachbar (ein täglicher Auto-Pendler) stellte folgende These auf: Vermutlich hätten jene, die täglich aufs Auto angewiesen sind, einen Platz auf Privatgrund gemietet, meinte er. Und die übrigen Autos hätten sich wohl umverteilt. Der Nachbar liegt damit gar nicht so falsch.
Verkehrsplanerisch ist bekannt, dass sich der Verkehr nach einer gewissen Zeit von selbst einpendelt. Wie Wasser in einem gestauten Bach sucht er sich laufend den Weg des geringsten Widerstands. Und genau darum ist eine anstrengende Baustelle eben auch spannend: Sie simuliert für begrenzte Zeit eine Situation, die für einmal richtig ausprobiert, statt in verkehrsplanerischen Modellen berechnet werden kann.
Im Fall der Nordstrasse ist bezeichnend: Nicht nur die Autofahrerinnen passten ihr Verhalten während der Bauzeit an – abends und an Wochenenden, wenn die Bauarbeiten stillstanden, nahmen die Velofahrerinnen die Strasse für sich ein. Plötzlich herrschte in beide Richtungen reger Veloverkehr.
Könnte das nicht immer so sein?
Es könnte. Wenn wir auf die Parkplätze nicht nur temporär, sondern langfristig verzichtet würden, könnte der freigewordene Raum für einen Velostreifen im Gegenverkehr genutzt werden. So könnte man künftig mit dem Velo nicht nur stadtauswärts, sondern auch vom Bahnhof Wipkingen ohne Umweg Richtung Central fahren – eine wichtige Veloverbindung, die heute nicht gewährleistet ist. Da der Platz ausreicht und am Strassenquerschnitt nichts verändert werden müsste, würde es sich dabei um reine Signalisations- und Markierungsarbeiten handeln.
Die Stadt müsste nach Ende der Bauarbeiten also einfach einen Velostreifen anstelle der Parkplätze aufmalen. Für die Verfügung einer solchen Signalisationsänderung ist die Dienstabteilung Verkehr zuständig. Wer das schlecht findet, kann innert 30 Tagen ein Begehren um Neubeurteilung stellen. Hätte das niemand getan, wäre auf pragmatischem Weg eine neue Veloroute entstanden.
Wird ein Abbau von Parkplätzen nur auf Papier geplant, wirkt dies oft bedrohlich – und der Widerstand ist gross. Erfahrungen aus anderen Gemeinden zeigen, dass Einsprachen jedoch viel seltener vorkommen, wenn eine Massnahme wie in diesem Fall zuerst ausprobiert werden kann.
Vier Jahre Planung statt Pragmatismus
Der Velostreifen, den es an der Nordstrasse hätte geben können, ist bei der Stadt tatsächlich in Planung. Das Tiefbauamt spricht von einer Planungszeit von mindestens vier Jahren. An der Nordstrasse sind die Parkplätze bereits wieder aufgemalt. Und so werden sie schon bald wieder unverzichtbar erscheinen. Es ist darum nicht davon auszugehen, dass ein späteres Projekt dereinst bessere Umsetzungschancen haben wird.
Die Stadt Zürich hat von den Stimmbürgerinnen mehrfach den Auftrag erhalten, die Veloinfrastruktur auszubauen. Will sie dieses Ziel erreichen, ist es an der Zeit, nicht nur aufwendige Projekte zu planen, sondern auch pragmatische Schritte zu gehen.
Klar ist: Eine solche Massnahme bringt nicht nur Applaus. Für einen solchen Entscheid wird man einstehen müssen. Aber genau dieser politische Wille, gepaart mit einem pragmatische Mindset, ist es, was die Velostadt Zürich dringend nötig hat.
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