Politik
Die Tagesschule für alle?
Die Tagesschule soll in allen Schulen eingeführt werden. Die SVP unterstützt nur ein kostengünstiges und freiwilliges Angebot für die Mittagsbetreuung und für die Aufgabenhilfe.
31. März 2022 — Eingesandter Artikel
Mittagsbetreuung und Hausaufgabenstunden gab es schon lange bevor das Projekt «Tagesschule 2025» ins Leben gerufen wurde. Solche Angebote sind für viele Familien wichtig und sollen auf freiwilliger Basis genutzt werden können. Die Familien, die das Angebot nutzen möchten, sollen sich durchaus verpflichtend dafür anmelden können. Inzwischen sind aber finanzielle und zeitliche Lenkungsmassnahmen beschlossen, die Familien bestrafen, die dieses Angebot nicht oder nur teilweise nutzen wollen. Wer sein Kind beispielsweise an einem Mittag pro Woche zu Hause verpflegen möchte, wird dafür mit unverhältnismässig hohen Tarifen abgestraft. Zudem führt die geplante Verkürzung der Mittagszeit bei gewissen Familien, die ihre Kinder zu Hause verpflegen, zu Stress.
Teure, falsche Versprechen
Die Stadtverwaltung verspricht seit Jahren, dass mit der flächendeckenden Einführung der Tagesschule die Bildungschancen der Stadtzürcher Schulkinder gesteigert werden. Beweise dafür konnte sie bislang jedoch keine liefern. Das leere Versprechen wurde vor einigen Jahren sogar von einer Studie des Nationalfonds widerlegt. Tagesschulen tragen nichts zur Verbesserung der Bildungschancen bei. Statt solche Resultate der Forscherinnen und Forscher ernst zu nehmen, wird das Projekt «verschlimmbessert». Mit unzähligen zusätzlichen Angeboten und massiv mehr Personal will die linke Ratsmehrheit den geschürten Erwartungen gerecht werden. Die Grenze zwischen Betreuung und Unterricht wird unklar. Zusammen mit weiteren Massnahmen soll aus dem ehemaligen Lernort Schule ein «Lebensraum Schule» werden. Ob das gemeinsame Mittagessen mit dem Mathelehrer die Kinder im Einmaleins sattelfester machen wird, ist zu bezweifeln. Ganz abgesehen davon würde es der Mathelehrer begrüssen, wenn er die Mittagspause zur persönlichen Ruhephase nutzen könnte, um am Nachmittag wieder voll einsatzfähig zu sein.
Kleiner Nutzen der unfreiwilligen Tagesschule
Der Nutzen der flächendeckenden Tagesschule wird somit sehr klein sein und viele Familien diskriminieren. Familien, die ihre Kinder gerne einmal oder mehrere Male pro Woche zu Hause am Familientisch verpflegen wollen und die Beziehung zu ihren Kindern wichtig finden, werden zur Kasse gebeten. Familien, die ihre Kinder nicht einer staatlichen Rundumbetreuung aussetzen wollen, sondern ihre familiären Beziehungen gerne selbst wahrnehmen wollen, werden durch ideologische Tagesschulmodelle bezwungen. Fest steht jetzt schon, dass der so genannte «Lebensraum Schule» immense Kosten verursacht. Zu den vom Stadtrat vorgesehenen rund 174 Millionen Franken einmaligen Investitionen und den zirka 150 Millionen Franken jährlich wiederkehrenden Kosten sollen gemäss der linken Ratsmehrheit jährlich weitere 42 Millionen gesprochen werden. Damit wird nun auch das zweite Versprechen des ursprünglichen Projekts «Tagesschule 2025», nämlich das der Wirtschaftlichkeit, begraben.
Die Gratismentalität der Linken
Der vom Stadtrat vorgeschlagene hochsubventionierte und einmalig tiefe Einheitstarif von neun Franken pro Mittagessen war den Linken noch nicht tief genug. Die rot-grünen Parteien unterbieten sich gegenseitig darin, den Tarif möglichst nah gegen Null hinunterzudrücken. Die Stadtzürcher Kinder und Jugendlichen, die ab nächstem Jahr ein Mittagessen zum Spotpreis geniessen, werden dieses eines Tages mit höheren Steuern zurückzahlen müssen.
Die Kinder gehen in der Diskussion unter
Während stets von den Karrierewünschen der Eltern und den Ansprüchen des Betreuungspersonals gesprochen wird, scheint das Wohlergehen der Kinder zweitrangig zu sein. Möglichst früh am Morgen sollen diese in den «Lebensraum Schule» eingecheckt und so spät wie möglich von dort wieder abgeholt werden. Vor Ort sollen sie von vielen Leuten pädagogisch umworben, gefördert und integriert werden. Ist dieses Ziel tatsächlich im Sinne der Kinder und Jugendlichen? 2018 organisierte die «Offene Jugendarbeit Zürich» im Kreis 9 mehrere Debatten zum Thema Tagesschule mit anschliessender Abstimmung. Das Verdikt der Jugendlichen war deutlich: 68 Prozent der total 182, die abgestimmt hatten, lehnten die Tagesschule ab. «Am Mittag möchte ich einfach heimgehen und schlafen», meinte ein Jugendlicher in der Schlussdebatte. Ein anderer fragte: «Warum soll ich noch mehr Zeit mit meinem Lehrer verbringen?»
Johann Widmer, Präsident SVP Kreis 10, Gemeinderat
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