Ein Flirt auf der Kirchenbank

Die Reformierte Kirche lädt zum Speed-Dating ein und die alleinstehenden Gemeindemitglieder des Kirchenkreises zehn erhielten eine Einladung. Die Chance für die Liebe ist mehr als «nur» ein Verkuppelungsversuch.

Die Pfarrerinnen Diana Trinkner (rechts) und Stefanie Porš laden zum Speed-Dating ein. (Foto: zvg)

«Ihre Kirche – auch für Singles», ein Satz, der jüngst zuoberst in einem Schreiben der Reformierten Kirche stand, den die alleinstehenden Gemeindemitglieder des Kirchenkreises zehn Ende Mai erhalten haben. Es handelt sich um eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Einladung: Am Sonntag, 2. Juli, lädt die Kirche zu einem Speed-Dating auf der Kirchenbank ein. Amors Pfeil soll demnach in der romantischen Kreuzkirche in Zürich-Hottingen die Herzen treffen.

Hinter der Aktion stehen die Pfarrerinnen Diana Trinkner aus dem hiesigen Kirchenkreis, und Stefanie Porš aus dem Kirchenkreis sieben und acht. Beide versprechen ein Speed-Dating der «besonderen Art, bei entspannter, ungezwungener und fröhlicher Atmosphäre, guter Live-Musik und einem feinen Apéro bei Sonnenuntergang», wie dem Schreiben zu entnehmen ist.

Es ist nicht das erste Speed-Dating in einer Kirche, das Diana Trinkner mitorganisiert. «Als ich mit einer ehemaligen Pfarrkollegin in meiner letzten Gemeinde den ersten Single-Event veranstaltete, wurde uns erstmals richtig bewusst, wie viele Menschen tatsächlich alleinstehend sind», sagt sie der «Höngger Zeitung».

Sie erkannte, dass die alleinstehenden Gemeindemitglieder vermutlich zum ersten Mal seit der Konfirmation eine Einladung für einen kirchlichen Anlass erhielten. Tatsächlich unterhalten viele Kirchen einen regen schriftlichen Kontakt mit Mitgliedern, die im Seniorenalter sind oder mit Familien und Menschen mit Kindern. Für beide Gruppen gibt es reichlich Angebote in der Kirche. Aber die nicht zu unterschätzende Anzahl Singles ohne Nachwuchs blieb bislang aussen vor.

«Die Einladung zum Speed-Date bewegte die Menschen, davon war ich völlig baff und die Rückmeldungen aus der Bevölkerung von nah und fern war enorm und hatte meistens die eine Grundaussage: Endlich werden wir wahrgenommen, und es ist schön und mutmachend, eingeladen zu werden.»

5800 Briefe

Ursprünglich wollten Diana Trinkner und ihre Kollegin eine Einladung an alle potenziellen reformierten Singles der Stadt Zürich zwischen 20 und 65 Jahren schreiben. Die «Ki-Kartei», eine Kirchensoftware, mit der beide Landeskirchen arbeiten, macht das möglich, nur seien das laut Diana Trinkner weit über 30’000 Adressen gewesen. «Eine gewaltige Zahl und den Rücklauf hätten wir schlichtweg nicht bewältigen können.» Mit der Einschränkung auf die Kirchenkreise sieben, acht und zehn war es aber zu schaffen: Rund 5800 Einladungen wurden verschickt.

Die interessierten Singles erwartet tatsächlich ein Anlass auf den Kirchenbänken der Kreuzkirche an der Dolderstrasse. «Diese Kirche ist so romantisch und erinnert mich daran, dass wir im Glauben nie alleine sind», sagt Trinkner. Um das Eis zu brechen, werden die beiden Pfarrerinnen den Anlass mit Humor anmoderieren, während sich die Singles auf der Kirchenbank schon entspannt umsehen können.

Im zweiten Teil findet dann das Speed-Dating mit Apéro statt, das bei gutem Wetter draussen vor der Kirche erfolgt. «Wir errichten dort ein lauschiges Bistro mit vielen Tischgrüppchen», so Diana Trinkner. Die angemeldeten Herren nehmen Platz, während die Damen von Tisch zu Tisch wandeln und die Herren kennenlernen können. «Hoffen wir, dass sich beim Sonnenuntergang Herzen und Freunde finden.»

Nicht nur die romantische Liebe zählt

Diana Trinkner weiss, dass das Speed-Dating nicht nur das Verliebtsein fördert, sondern auch für die Gemeinschaft selbst eine wichtige Rolle spielt. So hätten sich beim letzten Mal auch die Frauen untereinander befreundet, ebenso die Männer. Freundschaften sind entstanden.

Weiter ist der Event auch für Menschen offen, die nicht der reformierten Kirchgemeinde angehören, die über 65 Jahre sind oder die sich einfach als «divers» bezeichnen. «Wir laden nicht nur dazu ein, eine Partnerschaft fürs Leben zu finden, sondern auch, um Gemeinschaft zu spüren und Bekanntschaften zu machen.» Die Reformierte Kirche habe den Auftrag, den Menschen nahe zu sein und sie in ihrer Vielfalt anzusprechen. «Gott liebt die Menschen bedingungslos und in ihrer ganzen Diversität», so Trinkner.

Dass das Speed-Dating auch auf Kritik stossen könnte, nimmt Diana Trinkner in Kauf. Schliesslich habe man die Freiheit, den Brief schmunzelnd oder genervt ins Altpapier zu legen. Und: «Es ist eine Einladung, keine Vorladung», sagt Diana Trinkner lächelnd. 

Speed-Dating

Sonntag, 2. Juli, 19 Uhr
Kreuzkirche, Dolderstrasse 60, 8032 Zürich
www.reformiert-zuerich.ch 

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