Quartierleben
Ein Hauch von Meeresluft
Die Algen haben es Simon Heusser angetan – aber nicht etwa als Lebensmittel, sondern als Basis für seine Kunstwerke. Mit seiner bildenden Kunst beschreitet der Wipkinger Künstler neue Wege.
16. Dezember 2022 — Dagmar Schräder
Simon Heusser ist Künstler, Materialforscher und Handwerker in einem. Nach dem Abschluss der Schulzeit absolvierte der Wipkinger zunächst eine Ausbildung als Möbelschreiner, bevor er unter anderem an der Zürcher Hochschule der Künste einen Bachelor in Design und einen Master in Fine Arts ablegte. Seither ist er im Kunstbetrieb tätig, momentan als technischer Mitarbeiter bei der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich und als Gastdozent an der ZHdK. Und an seinem Wohnort an der Nordstrasse betreibt er sein eigenes Atelier, in dem er sich seinen Kunstprojekten widmet.
Ähnlich vielseitig wie sein Lebenslauf ist dabei auch der künstlerische Ansatz, den Heusser verfolgt und der nicht alleine aus dem kreativen Prozess besteht, sondern auch in der Aneignung vergessener Handwerkstechniken und dem Erforschen von geeigneten Materialien.
Grundlage seiner Kunst ist die experimentelle Drucktechnik. «In einem Gemeinschaftsatelier nutze ich eine alte Kunstdruckpresse. Auf ihr kann ich grossformatige Monotypien produzieren», erzählt Heusser dem «Wipkinger». Dabei stehen erneuerbare Ressourcen und zukunftsweisende Entwicklungen für ihn im Vordergrund: «Seitdem ich gelernt habe, wie viel man aus einem Baum herstellen und verwerten kann, überlege ich mir bei meinen Werken genau, welche Materialien ich einsetzen soll. Ich arbeite möglichst mit Ressourcen aus meiner Umgebung und lasse auch meine Bilderrahmen in Wipkingen produzieren», erklärt Heusser.
Aktuell experimentiert er mit Farben, die er aus Algenextrakt herstellt. «Die Färbetechnik aus Pflanzen, wie zum Beispiel aus Brennesseln, ist Jahrhunderte alt», erklärt Heusser dem «Wipkinger».
Deshalb sei er auf die Idee gekommen, aus herumtreibenden Algen und Seetang aus dem Zürichsee Farben zu produzieren. Bis anhin fehle ihm allerdings noch die notwendige Technologie dazu, so Heusser. Denn Süsswasseralgen weisen im Vergleich zu Meeresalgen einen viel geringeren Ölgehalt auf, was die Verarbeitung der Farbe erschwert. Deshalb stammt die Farbe für seine Kunstwerke, ein tiefes Dunkelblau, momentan noch von Spirulina-Algen aus dem Pazifik. Doch sein Ziel verfolgt er weiter.
Kunst, die vor Ort entsteht
In seinem Atelier arbeitet Heusser jedoch nicht nur an seiner Drucktechnik, sondern initiiert auch Projekte mit Handwerksbetrieben, Kulturinstitutionen und Unternehmen. «Die Kollaborationen verbinden die Bereiche Kunst, Design, Handwerk und (Innen-)Architektur für neue Perspektiven und Synergien», beschreibt Heusser sein Projekt.
Viele der Arbeiten, die Heusser produziert, entstehen allerdings gar nicht in seinem Zürcher Atelier, sondern sehr ortsbezogen dort, wo sie anschliessend auch ausgestellt werden.
Damit möchte Heusser einerseits «die Wechselwirkung zwischen Ort und Werk verdeutlichen und andererseits die Arbeiten als Grundbestandteil realer Räume, die in Bewegung sind und in denen der Alltag stattfindet, erlebbar machen», wie sein Vorgehen auf seiner Website beschrieben wird. So wurden diesen Sommer etwa Fahnen für eine Ausstellung auf der Engadiner Alp Grüm direkt in der Ostschweiz produziert. Das nächste Projekt des Künstlers wird eine Ausstellung Ende Dezember in einem Hotel in Scoul sein. Hier wird er Arven- und Lärchenbaumdarstellungen ausstellen, deren Farbe aus Algenextrakt besteht. Diese Kombination von heimischen und ortsfremden Pflanzen stellt für ihn ein Sinnbild für die heutige Zeit dar, «denn gerade heute», so Heusser, «überwinden Pflanzen durch die Klimaveränderung neue Distanzen und verändern unser vertrautes Naturbild von Flora und Fauna.»
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