Es ist wieder «Röschi»

Ein kleines Stück meines Herzens ist für immer in Wipkingen geblieben. So muss es auch Martina, Florian, Sandro, Laura und Michi gehen, die das Quartierkino mit mir stemmen und auch nach langer Pause sagen: Doch, das Open-Air-Kino am Röschibachplatz muss wieder stattfinden.

Das Open-Air-Kino auf dem Röschibachplatz. (Foto: zvg)

Ein Artikel von Sonja Johnny Zimmer

Mai 1998, ich gehe mit meinen Eltern spazieren. In Wipkingen, wo ich die ersten vier Jahre meines Lebens verbracht habe, neben den steilen Wiesenhängen nahe den Gleisen, wo damals noch Schafe weiden. Wo ich mit 19 Jahren an der lauten Bucheggstrasse erste WG-Erfahrungen sammeln werde.

Wir kommen zum Röschibachplatz. Da ist mächtig was los: «1001 Ideen zur Belebung des Röschibachplatzes» lautet das Motto des Wettbewerbes des Quartiervereins Wipkingen. Grosse Tafeln stehen am unteren Teil des Platzes. Darauf darf man seine Idee handschriftlich präsentieren. Darunter reihenweise bunter Punkte, farbcodiert für: «Du hast meine Stimme», «Da will ich mithelfen» oder «Ich will gleich mitorganisieren».

Mein begeisterungsfähiger Vater, Klaus-Detlef Zimmer, träumt sogleich vom Quartier-Open-Air-Kino und schreibt dies voller Tatendrang an die Tafel. Er besichtigt schon das leerstehende Lokal von «Matratzen-Concord», seine Idee: Man könnte doch durch diese Vitrine projizieren.

Sympathisch chaotisch

Zur Preisverleihung schauen wir spasseshalber nochmals vorbei. Die stolze Rangverkündigung auf dem Soziokultur-Mobil der Stadt, inklusive einer Rede des «Stapi», wirkt sympathisch chaotisch. Wir schauen zu, wie symbolisch gebackene Schraubenschlüssel – um die neu installierten «verkehrsberuhigenden Pylone» bei Veranstaltungen abzuschrauben – an Quartierturnvereine übergeben werden. Und hören den stolzen Preis: 500 Franken zur Durchführung des Siegerprojektes. Süss, wenn man gängige Veranstaltungsbudgets bedenkt.

Tatsächlich: Die Idee meines Vaters gewinnt; auch dank vieler Helferinnen-Punkte. Es würde sich als goldrichtig erweisen, dass sich ein kleines Grüppchen filmbegeisterter Wipkinger-Nerds zusammenfand. Am ersten Wochenende nach den Sommerferien im Jahr 1998 regnet es in Strömen, 50 Nasen tummeln sich unter dem in weiser Voraussicht gemieteten Festzelt und schauen gespannt «Nacht der Gaukler» und «American Graffiti», während ich zu Hause schlafe. Echt ins Wasser gefallen, diese Premiere.

Trotzdem werde ich ab 1999 jeden Sommer wie die Grossen mitanpacken, wenn es heisst: Es ist wieder «Röschi». Die 22. Ausgabe steht vor der Tür Der Verein Openair Kino Roeschibachplatz ist mittlerweile fest im Quartier etabliert: Florian und ich sind die «zweite Generation», Martina «einer der alten Hasen». Dazu kommen Sandro, Laura und Michi.

Die Idee, Filme abseits des Mainstreams, sprich familienkompatibel, packend, auch mal polarisierend, in Originalsprache mit Untertiteln auszustrahlen, setzte sich durch. 21 Ausgaben durften die Wipkinger*innen schon miterleben, an den besten Abenden mit über 300 Menschen. Auch wenn Corona und die grosse Baustelle uns vom Platz verdrängt haben.

Die kleinen Quartierläden, die unser Non-Profit-Kino stets mit Spenden (nebst den grossen Playern, aber auch den Kollektenbeiträgen aller Besuchenden) unterstützten, haben gelitten. Das Quartier hat sich verändert. Die Gentrifizierung hat um sich gegriffen. Aber endlich bewegen sich wieder lebendigere Dinge als Baumaschinen auf «unserem Röschi». Umso mehr möchten wir das «Röschi 2024» endlich wieder durchführen, auch wenn sich unsere Lebensumstände ebenfalls verändert haben und Abschiede bevorstehen.

Diesen Raum der Zusammenkunft für und mit Wipkingen wieder erleben, gerne auch auf neue Art und Weise. Bis dahin suchen wir schon mal unsere liebsten Filme, denn bald heisst es mit anpacken: Es ist wieder «Röschi».

Eingesandt vom Verein Openair-Kino Röschibachplatz

Das Kino

Beim Bahnhof Wipkingen, immer freitags und samstags am ersten Wochenende nach den Zürcher Schulsommerferien. Bei jeder Witterung. Eintritt frei – Kollekte.  

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