Grosse Bildergalerie: Widerstand in allen Formen

Bilder zum Artikel «Widerstand in allen Formen» aus der Serie «Damals». Zusammengestellt von Martin Bürlimann und Kurt Gammeter.

Getarnte Bunker und vorbereitete Stellungen der «Linie Nord» im Abschnitt Wipkingen. (Foto: BAZ, 1940)

Originaldokument des Befehls von Korpskommandant Miescher vom 12. Mai 1940 an das Stadtkommando. (Bild: Aus dem Nachlass von Oberst Stirnemann, FDP-Stadtrat und Geniechef Stadtkommando Zürich 1939-1945.)

Am 1. September 1939 begann der militärisch geführte Krieg. Am Tag nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen erliess der Bundesrat die Kriegsmobilmachung. Der «Operationsbefehl 2» von General Guisan legte eine Verteidigungslinie fest. Die «Linie Nord» führte von der Festung Sargans zum Walensee, Linth, Zürichsee, Limmat, Bözberg, Hauenstein, mit der Artillerie auf dem Gempenplateau und Befestigungen bis Basel. Die Verteidigungslinie führte also genau durch Wipkingen. Das «Stadtkommando Zürich» als Teil der 6. Division erhielt im Mai 1940 den Befehl, Verteidigungsstände an der Limmat zu bauen.

Die Limmatstellungen

Ein Übergang von Wehrmachtssoldaten über die Brücken in Wipkingen wäre das sichere Ende der Schweiz gewesen. Deshalb gab General Guisan den Befehl, an der Limmat sämtliche Objekte zur Sprengung vorzubereiten und mit getarnten Bunkern durch Maschinengewehrfeuer zu sichern.

(Foto: BAZ, 1940)

Blaue Markierung Nr 1: Infanteriestand Sihlquai
Blaue Markierung Nr 2: Kampfstand Sihlquai
Blaue Markierung Nr 3: LMg Stand Lettenviadukt
Blaue Markierung Nr 4: Bunker im SBB-Viadukt

Rote Markierung Nr 1: Vorbereitete Sprengung Letten-Viadukt
Rote Markierung Nr 2: Vorbereitete Sprengung SBB-Viadukt
Rote Markierung Nr 3: Vorbereitete Sprengung Dammsteg

Blaue Markierung Nr 1: Infanteriestand Sihlquai (Signatur Z 717)

Infanteriestand Sihlquai (Signatur Z 717). (Foto: Bunkerwanderführer, 2014)

Im Sockel des ehemaligen Transmissionsriemen von 1875 befand sich ein doppelter Leicht-Maschinengewehrstand (LMg). Die eine Schiessscharte flussabwärts überwachte das Ufer entlang des Sihlquai in Richtung Lettenviadukt und jene flussaufwärts Lettensteg und Kornhausbrücke. Die militärischen Anlagen wurden nach dem Krieg entfernt und die einstigen Scharten verschlossen.

Blaue Markierung Nr 2: Kampfstand Sihlquai (Signatur A 4855)

Kampfstand Sihlquai (Signatur A 4855). (Foto: Kurt Gammeter, 2025)

Blick von der Lettenbadi Richtung Sihlquai 240: Im Sockel befand sich ein betonierter, einstöckiger Maschinengewehrstand des Stadtkommandos. Erbaut wurde er im Mai 1940. Der Zugang erfolgte von der Seite Sihlquai her über einen kleinen Steigschacht. Zielraum war die Lettenbrücke und beide Ufer. Der Bunker wurde im 1982 zurückgebaut.

Blaue Markierung Nr 3: LMg Stand Lettenviadukt (Signatur A 4856)

LMg Stand Lettenviadukt (Signatur A 4856). (Foto: Kurt Gammeter, 2025)
LMg Stand Lettenviadukt (Signatur A 4856). (Foto: Kurt Gammeter, 2025)

Was aussieht wie eine Holzbaracke am Fuss des Brückenpfeilers war ein betonierter LMg-Stand, erbaut im Mai 1940 als Teil der Limmatstellungen. Zielraum des leichten Maschinengewehrs war flussaufwärts/Lettenbrücke, die damalige Eisenbahnlinie Stadelhofen-Letten-Hauptbahnhof. Rechts am Fuss des Brückenpfeilers war ebenfalls ein betonierter LMg-Stand angebaut mit Zielraum flussabwärts/SBB-Viadukt.

Blaue Markierung Nr 4 mit Katasterplan: Bunker im SBB-Viadukt (Signatur A 4858, ältere Bezeichnung Z 753)

Katasterplan vom Technischen Büro Stadtkommando Zürich vom 20. September 1940, aufbewahrt im Stadtarchiv.
Bunker im SBB-Viadukt (Signatur A 4858, ältere Bezeichnung Z 753). (Foto: Kurt Gammeter, 2002)

Der am stärksten befestigte Bunker der Limmatstellungen im Abschnitt Wipkingen war im Pfeiler der SBB-Brücke eingebaut. Im zweistöckigen Bunker waren 2 leichte Maschinengewehre in zwei Scharten mit Zielräumen flussaufwärts, abwärts und an das gegenüberliegende Ufer.

Dieser Bunker wurde bereits im Dezember 1939 geplant, Baubeginn war im Februar 1940, fertig gestellt wurde er im Juli 1940. Als die Schweiz nach der Kapitulation der französischen Armee umzingelt war, wurden die Limmatstellungen aufgegeben und die Armee bezog das «Réduit Nationale». Im Oktober 1941 erliess der Generalstabschef die Anordnung, das gesamte Werk im Viadukt zu räumen, inklusive der Waffen und aller übrigen Installationen.

Tarnung blaue Markierung Nr 4:

Bunker Viadukt Holzverkleidung. (Bild: Pläne vom Technischen Büro Stadtkommando Zürich, aufbewahrt im Stadtarchiv)
Bunker Viadukt Holzverkleidung. (Bild: Pläne vom Technischen Büro Stadtkommando Zürich, aufbewahrt im Stadtarchiv)

Der Bunker beim SBB-Viadukt war mit einer Holzverschalung getarnt. Diese wurde erst 1993 entfernt. Das Stadtkommando war zuständig für die Tarnung. Rechts die Ansicht der Holzverschalung flussaufwärts. Ein «Deckel zum wegnehmen» verbarg die Schiessscharte.

Rote Markierung Nr 1: Vorbereitete Sprengung Letten-Viadukt (Objekt-Nr M 2315)

Vorbereitete Sprengung Letten-Viadukt (Objekt-Nr M 2315). (Fotos: Bunkerwanderführer, 2014)

Sämtliche Flussübergänge waren nach Ausbruch des Krieges zur Sprengung vorbereitet. Jene an der Lettenbrücke war im zweiten Pfeiler versteckt. Der Schlaufkasten lag hinter der Stahltüre im mittleren Pfeiler (Foto rechts). Die Sprengladung selbst war im Pfeiler eingemauert.

Der Bundesrat kam dem Naziregime weit entgegen mit Verhandlungen und der Zulassung von Materialtransporten durch die Schweiz. Die vorbereiteten Sprengungen – insbesondere alle Alpenquerungen – dienten der Abschreckung. Bei einem Einmarsch der Wehrmacht wäre keine Brücke stehen geblieben. Diese Strategie half mit, dass die Schweiz verschont blieb.

Im Kalten Krieg wurden die Sprengobjekte in den Brücken gelassen und verbessert. Ab 1970 erfolgte der Zugang zur Sprengkammer durch einen fingierten Dolendeckel am Fussweg bei der Lettenbadi. Die Sprengkammern sind nicht mehr sichtbar, sie wurden 2012 bei der Brückensanierung entfernt.

Rote Markierung Nr 3: Vorbereitete Sprengung Dammsteg (Objekt-Nr M 2313)

Vorbereitete Sprengung Dammsteg (Objekt-Nr M 2313). (Foto: Kurt Gammeter, 2025)
Vorbereitete Sprengung Dammsteg (Objekt-Nr M 2313). (Foto: Kurt Gammeter, 2025)

Dammsteg, Blick Richtung Sihlquai: Diese Leitung seitlich unter dem Dammsteg ist keine Wasserleitung, sondern ein Relikt der Verteidigungsstellung von 1940: Das Rohr war damals mit Sprengstoff gefüllt. In den Schlaufkästen (die kleinen vertikalen Stahlkästen) lag die Sprengvorrichtung mit dem Zünder. Links der Infanteriebunker im SBB-Viadukt. Die Sprengvorrichtung der Eisenbahnbrücke befand sich in diesem Bunker (Objekt-Nr M 2313).

Im Feuerraum der Artillerie

Wipkingen im Krieg: Die Spitze der Verteidigung der «Linie Nord» von 1940 lag bei der reformierten Kirche. Das linke Limmatufer war unter dem Stadtkommando Zürich vom See bis zur Wipkingerbrücke befestigt (dicke schwarze Linie), verlief zur Hohlstrasse nach Altstetten und Albisrieden zur 6. Division. Die Artillerie der Feldhaubitzen-Abteilung 44 (violetter Kreis) mit dem Zielraum Wipkingen und Höngg lag hinter dem Üetliberg bei der Reppisch. (Karte: Walter Lüem)

Die Limmat war am südlichen Ufer stark befestigt mit getarnten Bunkern und vorbereiteten Brückensprengungen. Beim Durchbruch der Wehrmacht zur Limmat wäre Artillerie zum Zug gekommen. Den Batterien waren klare Feuerräume zugeordnet. Die Feldhaubitzen-Abteilung 44 hatte Wipkingen als Zielraum zugeteilt. Sie bestand aus 3 Batterien mit je 4 Geschützen vom Typ Feldhaubitze 12 (Jahrgang 1912). Die Kanonen waren alt, aber funktionsfähig. Die Kanonen lagen gut getarnt an der Reppisch hinter dem Üetliberg. Ihre Feuerkraft betrug 3-4 Schuss pro Minute, also insgesamt 36 bis 48 Artilleriegranaten pro Minute.

Violett eingezeichnet ist die Stellung der 3 Batterien hinter dem Üetliberg und ihr Feuerraum, der Wipkingen und Höngg abdeckte.

(Bild: Sammlung Gammeter)

Die Kanonen wären bei einem Durchbruch der Wehrmacht vom Rhein nach Zürich zum Schuss gekommen. Wohlgemerkt: Die Kanonen waren im Bogenschuss nicht sehr genau. Die 12-cm-Granaten wären in ganz Wipkingen und Höngg als Bombenteppich eingeschlagen, um einen Brückenbau zu verhindern.

Der Bunker unter dem Park

Luftschutzbunker Landenbergpark: Der Eingang an der Habsburgstrasse im Jahr 2025. Heute ist der ehemalige Rundbunker als Zivilschutz-Museum öffentlich zugängig. (Foto: Kurt Gammeter)

Unter dem Landenbergpark baute die Stadt einen Luftschutzbunker zum Schutz der Zivilbevölkerung. Der Park wurde gemäss «Plan Wahlen» als Kartoffelacker genutzt. 1941 war der Luftschutzbau fertiggestellt. Die geschützte Sanitätshilfsstelle zugunsten der Zivilbevölkerung beherbergte auf drei Etagen Behandlungs-, Pflege- und Mannschaftsräume. Im Bild der Eingang an der Habsburgstrasse. Heute ist der ehemalige Rundbunker als Zivilschutz-Museum öffentlich zugängig.

Landi-Geist in Wipkingen

Originaldokument der Erstaugustrede von 1937 aus dem Nachlass von Geniechef Erwin Stirnemann, aufbewahrt im Stadtarchiv.

Stadtrat Erwin Stirnemann, Oberst und Geniechef des Stadtkommandos Zürich, hielt 1937 eine Erstaugustrede auf der Wiese neben der Waid. Er sprach von der «Landi», der geplanten Landessausstellung im Sommer 1939, vom Wehrwillen und von den grossen Konflikten, die in der Luft lagen. Drei Jahre später, 1942, mitten im Krieg, trat er erneut an der Wipkinger Erstaugustfeier auf. Er erinnerte an die Landi, sprach auch vom Roten Kreuz, Hilfe für kriegsgeschädigte Kinder und Flüchtlinge, von der «Anbauschlacht» und vom Wiederaufleben des Landigeistes.

Originaldokument der Erstaugustrede von 1942 aus dem Nachlass von Geniechef Erwin Stirnemann, aufbewahrt im Stadtarchiv.

Stirnemann hielt hunderte Vorträge und Referate im Verlauf des Krieges. Sie waren Teil der landesweiten Kampagne «Heer und Haus», bei welcher Persönlichkeiten den Wehrwillen stärken und gegen den Defätismus und die Mutlosigkeit antraten.

Das Restaurant Waid in Wipkingen ist einer der wenigen erhaltenen Bauten im Landi-Stil. (Foto: BAZ, 1939)

Die «Landi» im Sommer 1939 enthielt auch eine Kulturbotschaft des Bundesrates unter dem Titel «Sinn und Sendung der Schweiz». Sie hatte einen politischen Hintergrund und war Teil der so genannten «Geistigen Landesverteidigung».

Die Wipkingertagungen

Pfarrer Bäumle an einer Feier im Kirchgemeindehaus Wipkingen. (Foto: ref. Kirche Wipkingen)

Fritz Bäumle wurde 1937 Pfarrer in Wipkingen. Er organisierte Sitzungen und Tagungen im reformierten Kirchgemeindehaus. Kirchenvertreter stellten sich gegen die bundesrätliche Zensur und kritisierten den Umgang der Behörden mit Nazi-Propaganda. Sie setzten sich für Flüchtlinge ein und verlangten von der evangelischen Kirche klare Bekenntnisse gegen die Tyrannei.

Im reformierten Kirchgemeindehaus fanden während des Zweiten Weltkriegs die Wipkingertagungen statt. Pfarrer Bäumle hatte diese ins Leben gerufen. An den Tagungen nahmen bis zu 500 Personen teil. Man kritisierte die Zensur, setzte sich für Flüchtlinge ein und verlangte von der evangelischen Kirche klare Bekenntnisse gegen die Tyrannei. Das Kirchgemeindehaus war in den Kriegsjahren ein Hort der geistigen Landesverteidigung. (Foto: BAZ, 1944).

Häufiger Tagungsteilnehmer im reformierten Kirchgemeindehaus war Karl Barth. Die Versammlungen fanden starke Beachtung und wurden «Wipkingertagungen» genannt. Tatsächlich war das Kirchgemeindehaus in den Kriegsjahren ein Hort der «Geistigen Landesverteidigung». Diese war ebenso wichtig wie die militärische Verteidigung. Pfarrer Bäumle amtierte bis 1963 als Pfarrer in Wipkingen.

Wipkingen in der Kriegszeit

Die Vorbereitung zur Vereidigung eines Bataillons auf der Turnwiese vor dem Waidhaldeschulhaus. (Foto: BAZ, 1939)

Die Schweizer Armee war 1939 mangelhaft ausgerüstet, aber einsatzfähig und gut organisiert. Die neue Truppenordnung (TO) war sehr modern und auf den schnellen Bewegungskrieg der Wehrmacht ausgerichtet. Im Verlaufe des Krieges gab es mehrere Mobilmachungen.

Die «Rationierungskarten-Ausgabe» an der Hönggerstrasse. (Foto: BAZ, 1944)

Im Neuhof an der Hönggerstrasse war die «Rationierungskarten-Ausgabe» einquartiert. Lebensmittel gab es gegen Marken; Zucker, Milch, Brot waren rationiert. «Lebensmittelabteilung der Zentralstelle für Kriegswirtschaft» steht an der Türe (Foto BAZ 1944).

Hauptartikel

Diese Bildergalerie gehört zum Artikel:

www.wipkinger-zeitung.ch/widerstand-in-allen-formen

Quellen

Nachlass Erwin Stirnemann, Geniechef Stadtkommando Zürich, Stadtarchiv, Signatur VII. 76.
Walter Lüem, «Hütet Euch an der Limmat!», Baden Verlag, 1997.
Matthias Dürst, Felix Köfer, Die Verteidigungswerke der Stadt Zürich, «Der Zürcher Bunkerwanderführer», Eigenverlag, Zürich, 2014.
Martin Bürlimann, Kurt Gammeter: «Damals», Wibichinga Verlag, 2023.

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