Politik
Herzlichen Dank für 21 500 Stimmen!
Die Grünen haben bei der Gemeinderatswahl stadtweit Gewinne verzeichnet. Unsere Feierlaune wurde jedoch durch das allgemein schlechte Abschneiden der Zürcher Linken getrübt. Über die Gründe lässt sich nur mutmassen, worin ich mich jetzt versuche.
31. März 2022 — Eingesandter Artikel
Doch zuerst möchte ich mich noch bei allen bedanken, die uns in der intensiven Wahlkampfperiode unterstützt haben. Sei es durch das Verteilen von Flyern auf der Strasse oder in Briefkästen, für das Kreieren von Kampagnenmaterial oder das Spenden dafür und natürlich für das Wählen unserer Liste. Auch nicht vergessen gehen darf die Arbeit, welche für uns übernommen wurde, damit wir uns mit Lokalpolitik befassen können. Danke an unsere Partnerinnen und Partner und an unsere Freunde und Familie.
Neu drittstärkste Partei
Nur dank euch allen konnten wir im Kreis 10 einen Stimmanteil von plus 4,4 Prozent erreichen – das beste grüne Ergebnis aller Wahlkreise. Neu sind wir hier mit 15,14 Prozent Stimmenanteil die drittgrösste Partei und haben die SVP überholt. Leider reichte dieser Zuwachs von 40 Prozent (6031 Stimmen) im Vergleich zur letzten Wahl nicht, um einen dritten Platz für die Grünen zu erobern.
Was uns auch schon zur unerfreulichen Bilanz der Wahl führt: Unser bisheriger grüner Gemeinderat Roland Hurschler wurde auf dem dritten Platz knapp nicht wiedergewählt. Auf die ganze Stadt gesehen, mussten die SP und die AL leider noch viel mehr Abgänge von erfahrenen Gemeinderät*innen erleiden. Die beiden Parteien verloren sechs beziehungsweise zwei Sitze. Diese Verluste konnten die Grünen mit zwei zusätzlichen Sitzen bei Weitem nicht ausgleichen, was unter dem Strich minus sechs Sitze für die Ratslinke bedeutet. Neu halten wir Linken mit 63:62 Sitzen nur noch die knappstmögliche Mehrheit. Eine Niederlage also, auch wenn das grüne Lager mit den drei zusätzlichen Sitzen der Grünliberalen insgesamt zugelegt hat. Damit blieben wir auch hinter unserem Ergebnis der Kantonsratswahlen 2019 zurück.
Gründe für die linken Sitzverluste
Für die linke Wahlniederlage gibt es einige Gründe, davon ist nur einer wirklich klar: Der Wiedereintritt von «die Mitte» mit sechs Sitzen. Ab hier wird es schwieriger einzuordnen und die Meinungen beginnen zu divergieren. Doch dass der Stadtrat zumindest teilweise etwas damit zu tun hat, denken viele von links bis rechts. Von rechter Seite heisst es, man habe zu hart durchregiert und von links, dass mehr erwartet wurde. Die NZZ fragte den SP Co-Präsidenten Oliver Heimgartner, ob die SP für ihren Oppositionskurs gegen den eigenen Stadtrat Stadtrat abgestraft wurde. Das halte ich selbst für plausibel, jedoch nicht im Sinne der NZZ, sondern weil ein solcher Kurs nötig ist.
Linke Erwartungen nicht erfüllt
Die letzten vier Jahre mit lockeren linken Mehrheiten im Gemeinderat haben viele Erwartungen mit sich gebracht, welche zu einem Grossteil nicht erfüllt wurden. Gewisse Anliegen sind auf kommunaler Ebene gar nicht realisierbar, andere wurden nicht eingebracht und ein beachtlicher Teil scheiterten am Stadtrat. Ein gutes Beispiel dafür ist die Netto-Null-Vorlage, bei der der Stadtrat statt für 2030 einen Plan für Netto-Null 2040 vorstellte, also halb so schnell wie gefordert. Eine herbe Enttäuschung für Tausende Klimabewegte, welche auf der Strasse demonstriert hatten.
Doch nicht nur beim Klima wurden die Zürcher Linken enttäuscht, auch beim Velo und noch mehr beim Wohnen. Dort forderte die SP auf ihren Plakaten «Endlich mehr bezahlbare Wohnungen». Doch gleichzeitig stellten sie das Stadtpräsidium und den Hochbau-und Sozialvorsteher. Was realpolitische Gründe haben mag, wirkt auf die Wählerschaft schlicht paradox und hielt wohl viele von einem Gang an die Urne ab. Ich möchte hier unseren Stadträten keineswegs schlechten Willen unterstellen, vielmehr glaube ich, dass sie unter den gegebenen Umständen – unserem System – ihr Bestes geben. Es gibt nun mal keinen «Climate Change» ohne «System Change».
Was «System Change» genau bedeutet, weiss ich noch nicht im Detail, doch es beinhaltet sicher mehr Dialog und eine Abkehr vom übertriebenen Individualismus.
Martin Busekros, neu gewählter Gemeinderat Junge Grüne, Kreis 10
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