Gesundheit
Im Stadtspital der Zukunft
Das Stadtspital Zürich, zu dem auch das Waid in Wipkingen gehört, ist um einen vierten Standort an der Europaallee reicher. Zentral und innovativ, ist dieser auf ambulante Eingriffe und Konsultationen spezialisiert.
3. Juli 2023 — Daniel Diriwaechter
Gewisse Operationen ziehen in der Regel keine stationären Aufenthalte mehr nach sich. Beispielsweise ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff an der Hand, die Entfernung der Hämorrhoiden oder eine Kniespiegelung. In solchen Fällen kann der Weg künftig zur Europaallee ins «Haus G» führen: Im Februar eröffnete dort das Stadtspital Zürich seinen vierten Standort, neben dem Waid mit Fokus auf Grundversorgung, Notfall und Altersmedizin, dem Triemli mit Grundversorgung, Notfall und spezialisierter Medizin und dem Andreasturm in Oerlikon mit dem Dialysezentrum.
Das Stadtspital Zürich Europaallee bietet auf 4000 Quadratmetern und auf zwei Etagen ein breites medizinisches Spektrum aus verschiedenen Fachbereichen wie Frauenmedizin, Chirurgie, Orthopädie, Urologie und Augenmedizin. Auch das traditionsreiche Institut für Dermatologie und Venerologie des Stadtspitals Zürich, das früher an der Herman-Greulich-Strasse seinen Sitz hatte, fand an der Europaallee eine neue Heimat. Die Kosten für den Innenausbau und die Gerätschaften beliefen sich auf 13,4 Millionen Franken.
Im Hinblick auf die ambulanten Operationen werden künftig 70 Prozent dieser Eingriffe des Stadtspitals Zürichs an der Europaallee stattfinden. Nicht ohne Grund: Die Zahl der ambulanten Konsultationen hat stark zugenommen um 15 Prozent auf 267 288 Fälle. Mit dem vierten Standort wird das von Bund und Kanton verlangte Grundprinzip «ambulant vor stationär» effizient und zukunftsweisend umgesetzt.
Das «Einbahnstrassen-System»
Die Europaallee als junger, urbaner Ort inmitten der City ist auf den ersten Blick keine typische Gegend für ein Spital, aber sie ist zentral und hervorragend zu erreichen. Auch der Eingangsbereich im neuen Spital überrascht: Statt auf geschäftiges Treiben trifft man auf einen ruhigen Raum, der mit dezenter Holzverkleidung und einer grosszügigen Rezeption besticht, ähnlich einer Hotellobby.
Das kommt nicht von ungefähr: «Patientinnen werden von ausgebildeten Hotelfachangestellten in verschiedenen Sprachen empfangen und beraten», sagt Ines Purwita, die nicht nur die Leiterin des Zentrums an der Europaallee ist, sondern dieses auch von Grund auf geplant hat. Purwita und ihr Team konnten dank dem verhältnismässig kleinen Setting an der Europaallee einige Innovationen in die Wege leiten.
Die erste beginnt schon an der erwähnten Rezeption: Die Rede ist vom sogenannten Einbahnstrassen-System. «Die Patientinnen kommen hier herein, aber verlassen das Gebäude an einem anderen Ort», erklärt Purwita. Ein klarer Weg vom Sprech- zum Garderobenzimmer bis in einen der zwei Operationssäle ist vorgegeben, auch die anschliessenden Bereiche bis zum Austritt führen zu einem separaten Ausgang. «Ein solcher Weg ist einfach zu bewältigen, es geht immer nach vorne.» Auch für das Personal sei das ideal, es komme selten zu Kreuzungen.
Die Devise lautet: morgens die Operation, abends wieder zu Hause. Purwita erwähnt das Beispiel einer Operation aufgrund des Grauen Stars: «Früher hat man ältere Patienten mit Grauem Star für eine Nacht im Spital behalten.» Das ist aber mit den heutigen medizinischen Methoden nicht mehr notwendig. «Eine solche Operation dauert nur noch rund zehn Minuten und nach rund zwei Stunden kann man nach Hause zurück», so Purwita.
Die Räumlichkeiten selbst sind nicht im klassischen Weiss gehalten, sondern in Pastelltönen: «Weiss ist kalt und kann Angst
machen, daher haben wir mit einem hohen Pink-Anteil gearbeitet.» Aus farbenpsychologischer Sicht dämpfe das die Angst und die Unsicherheiten. Im Operationssaal wurden Erdfarben angewendet, da diese Farben den Patientinnen das Gefühl geben «sich zu erden». Eine weitere Innovation ist die Logistik: Eine externe Firma bereitet für jede Operation eine Box auf Bestellung vor; die entsprechenden Instrumente müssen daher nicht mehr vor Ort sterilisiert und gelagert werden.
Dieses «Fallwagenbox-System» ist das erste seiner Art in der Schweiz. Ebenfalls ist das Pflegebett selbst eine Innovation: Dieses ist gleichzeitig auch der OP-Tisch. «Patientinnen bleiben immer auf der gleichen Liege, die entsprechend umgestellt werden kann, so entfällt beim Umlagern nach der Operation das Risiko einer Komplikation.»
Uneingeschränkte Aufmerksamkeit
Im Gegensatz zum Erdgeschoss mit den Operationssälen dominieren im ersten Stock multifunktionale Sprechstundenzimmer, spezialisierte Behandlungsräume sowie eine Therapiestation. Es ist erstaunlich ruhig in den Gängen, in denen ebenfalls ein «Einbahnsystem» geführt wird.
Das dank weiteren Innovationen, die hier zum Tragen kommen: Die Patientinnen treffen in den Zimmern stets auf einen Arzt oder eine Ärztin sowie eine Pflegefachperson. «Was auch immer ist, die Patientinnen bleiben im Zimmer, der Arzt fokussiert sich uneingeschränkt auf den Menschen, während die Pflegefachperson alles Weitere organisiert und vornimmt, etwa die Blutabnahme», erklärt Purwita. Die Medikamente werden gebracht und der nächste Termin wird ebenfalls im Zimmer geplant. «Sie müssen so nicht von A nach B laufen, um beispielsweise das Rezept zu erhalten, und sie haben immer die gleichen Ansprechpersonen, das verringert die Fehlerquote und ist bei Nachfragen und Abklärungen praktischer.»
Diesem neuen System stand das Personal zunächst eher skeptisch gegenüber. Das legte sich aber rasch, und diese Arbeitsweise hat sich bereits in den ersten Wochen etabliert. Generell muss sich im Stadtspital Zürich Europaallee das Pflegepersonal wenig um administrative Belange kümmern, besonders, wenn es um Nachlieferungen geht. Dank einem weiteren modernen Logistiksystem, das auf dem «Waagensystem» basiert, wird sofort registriert, ob etwa ein Handtuch oder eine Verbandsrolle fehlt. Die Waren werden automatisch vom externen Logistiker nachgeliefert.
Der Beruf verpflichtet
Bislang sind die Reaktionen der Patientinnen, die sich einer ambulanten Operation an der Europaallee unterziehen mussten, oder die jener Menschen, die eine Sprechstunde in der ersten Etage besucht haben, positiv. Selbst Personen, welche jahrelang das Institut für Dermatologie und Venerologie aufgesucht haben, zeigen sich froh über das moderne Haus, das schnell zu erreichen ist.
Ebenfalls profitieren auch die Mitarbeitenden von attraktiven Arbeitsbedingungen: Durch planbare medizinische Aktivitäten können attraktive Arbeits- und Arbeitszeitmodelle angeboten werden, wie Spitaldirektor Marc Widmer zur Eröffnung mitteilte. Aktuell rechnet Leiterin Purwita mit rund 3500 Operationen im ersten Jahr. Das Ende der Fahnenstange ist aber erst mit rund 7000 Operationen erreicht.
Wichtig zu erwähnen ist, dass es sich stets um Zuweisungen handelt. Das Stadtspital Zürich Europaallee ist weder eine Gemeinschaftspraxis noch eine Permanence für Notfälle. Der Beruf verpflichtet dennoch: «Als jüngst ein Mann in der Nähe die Treppe des Negrellisteigs hinunterstürzte und sich schwerste Verletzungen zuzog, konnte unser Reanimationsteam sofort reagieren und erste Hilfe leisten», erzählt Purwita. «Wir sind sehr gut vorbereitet für den Notfall, es stehen unter anderem im Eingangsbereich ein komplettes Notfallset mit Defibrillatoren bereit.» Der laufende Betrieb und seine Innovationen werden nun genau beobachtet und evaluiert.
«Spätestens in einem Jahr werden wir die ersten Auswertungen haben», sagt Purwita. Bislang ist man von den Entscheidungen überzeugt. «Wir glauben, dass diese Innovationen Sinn machen. Gerade in der heutigen Zeit, in der alles schnell gehen muss, sind unsere Lösungen ideal, um die Zufriedenheit der Patientinnen zu gewährleisten.»
Das Stadtspital Zürich Europaallee
Der neue Standort am Gustav-Gull-Platz 5 ergänzt das Stadtspital Zürich.
Im Erdgeschoss befindet sich ein Operationstrakt mit zwei hochmodernen Operationssälen, die ausschliesslich für ambulante Operationen vorgesehen sind.
Auf der oberen Etage befinden sich Sprechstunden- und Behandlungszimmer.
Das Behandlungsspektrum: Dermatologie, Frauenmedizin, Handchirurgie, Orthopädie, Urologie, Viszeralchirurgie und Augenmedizin.
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