Quartierleben
Integration durch Tanzen erleichtern
«Femmes-Tische» für Frauen mit Migrationshintergrund sind in der Integrationsarbeit eine fixe Grösse. «Bewegte Femmes-Tische» aber sind noch wenig bekannt. Was es damit auf sich hat, erklärte deren Initiantin Nicole Winkler.
26. März 2024 — Dagmar Schräder
«Femmes-Tische», das sind moderierte Gesprächsrunden von Frauen für Frauen mit Migrationshintergrund. In kleinen Gruppen treffen sich die Teilnehmerinnen und unterhalten sich jeweils in ihrer Muttersprache über Dinge, die sie beschäftigen.
Angeleitet von einer ausgebildeten Moderatorin können sie sich so über Erfahrungen austauschen, die sie hier in der Schweiz machen, Informationen etwa über das Schulsystem, Behördenangelegenheiten oder Arbeitssuche erhalten oder einfach nur niederschwellig Kontakte knüpfen und Menschen mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund kennenlernen. Angeboten werden sie von unterschiedlichen soziokulturellen Akteuren in fast allen Kantonen der Schweiz.
«Lebenstanz» ergänzt das Gespräch
Die Ethnologin und Tanztherapeutin Nicole Winkler hat die Idee dieser Gesprächszirkel nun um ein Element erweitert: Gemeinsam mit drei weiteren Frauen, Ameena Rizvi, Meetu Mittal und Hürsen Yurtsever, bietet sie bei den von der Caritas Aargau organisierten Gesprächsanlässen «Bewegte Femmes-Tische» an: Bei diesen Anlässen findet wie gewohnt eine Gesprächsrunde jeweils zu einem bestimmten Thema statt. Allerdings folgt bei ihrem Angebot, anders als bei herkömmlichen «Femmes-Tischen», auf die Gesprächsrunde eine gemeinsame Tanzsession. «Biodanza», zu Deutsch «Lebenstanz», nennt sich die Tanzform, die speziell für Bildungsangebote weiterentwickelt wurde und bei der das vorher besprochene Thema mit Musik aufgegriffen wird.
Dabei können alle mitmachen: Vorkenntnisse sind nicht nötig, es gibt kein richtig oder falsch, jede Teilnehmerin bewegt sich nach dem eigenen Empfinden. Mit wechselnden Musikrichtungen, alleine oder zu zweit, im Kreis oder einzeln wird körperlich umgesetzt, was gehört oder gelernt wurde.
Hilft Tanzen bei der Integration?
In Wipkingen gab es am vergangenen Wochenende Gelegenheit, in solch einen «Bewegten Femme-Tisch» reinzuschnuppern: Am 16. März boten die vier Moderatorinnen allen interessierten Frauen die Möglichkeit, an einer Tanzsession teilzunehmen. Zum Thema: «Mein Körper, mein Freund. Ich entscheide, was schön ist», tauschten sich die rund 20 Teilnehmerinnen zunächst im Gespräch aus und setzten ihre Erfahrungen anschliessend mit begleitender Musik in Tanz um.
Präsentiert wurde an diesem Samstag jedoch nicht nur die Tanzform, sondern auch die Ergebnisse einer Studie, die Winkler zu den Effekten von «Biodanza» durchgeführt hatte. Die im Rahmen ihrer Ausbildung zur «Biodanza»-Lehrerin durchgeführte Studie folgt der Hypothese, dass der Transfer von während Gesprächsrunden erworbenem Wissen in den Alltag durch Tanz und Bewegung verbessert wird.
Gehörtes und Erlerntes lasse sich durch Bewegung viel besser und nachhaltiger verinnerlichen als durch rein mentales Verarbeiten, so das Credo. Mittels qualitativer Interviews versuchte Winkler zu eruieren, inwiefern sich diese bewegten «Femmes-Tische» auf den Integrationsprozess von Frauen auswirken. Denn das, so erklärt Winkler in ihrer Studie, stelle schliesslich eines ihrer Hauptanliegen dar: Frauen das «Ankommen» in der Schweiz zu erleichtern.
«Tanzen gibt Energie und Mut zum Leben»
Und die Erfahrungen geben ihr recht: Mit Beispielen aus den von ihr geführten Interviews erläuterte sie, welch positiven und bestärkenden Effekt die Tanzform auf das Selbstwertgefühl der einzelnen Frauen haben kann. Ein Eindruck, den auch die anwesenden Teilnehmerinnen bestätigten. Innerhalb der zweistündigen Session sei schnell ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den sich zuvor Fremden entstanden, berichteten die Teilnehmerinnen. Man habe gemeinsam gelacht und den Emotionen freien Lauf gelassen.
Insbesondere für Frauen mit Migrationshintergrund, die sich am neuen Ort oft entwurzelt und alleine fühlten, sei das ein sehr wichtiges Erlebnis, betonten die anwesenden Moderatorinnen, die diese Erfahrung alle selbst in der Vergangenheit gemacht haben.
Das Ziel des Teams ist es nun, sein Angebot auch auf andere Kantone und Organisationen auszuweiten – damit in naher Zukunft noch mehr Frauen in der Schweiz von diesen positiven Erfahrungen profitieren können.
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