«Einfach die Möglichkeit, für einen Moment miteinander in Kontakt zu sein»

Julie Saacke hat während vier Jahren den soziokulturellen Begegnungsraum im Bundesasylzentrum mitgeleitet. Nun orientiert sie sich beruflich neu.

Julie Saacke, Quartierarbeit BAZ, GZ Wipkingen. (Foto: zvg)

Ich sitze im Begegnungsraum, die Stühle sind hochgestellt und es ist ganz ruhig. Ich schaue auf die vielen Zeichnungen an den Wänden. Jede erzählt eine Geschichte, an viele habe ich eine persönliche Erinnerung. Über die Jahre habe ich unzählige Kunstwerke abgenommen – weil Menschen weitergezogen sind – und genauso viele neue aufgehängt. Der Raum füllt sich immer wieder mit neuen Gesichtern, neuen Geschichten und neuen Spuren.

Ich denke an die vielen Momente zurück, die ich hier erleben durfte: Manchmal ist es lebendig und wuselig, manchmal ruhig. Während eine Person um einen negativen Asylentscheid trauert, wird in einer anderen Ecke getrommelt oder getanzt. Ein Paar auf der Flucht feierte hier sein kleines Jahresjubiläum, eine Frau bastelte eine Collage über die Unterdrückung von Frauen in ihrem Herkunftsland und erzählte mir ihre Geschichte.

Und immer wieder sassen wir zusammen über einer Runde Uno oder Jenga: Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten und Kulturen, oftmals ohne gemeinsame Sprache. Wir lachten uns kaputt, tricksten uns gegenseitig aus – der Ehrgeiz zu gewinnen und der Spass daran verband uns. Vielleicht war es aber auch einfach die Möglichkeit, für einen Moment miteinander in Kontakt zu sein.

Eine grosse Solidarität

Was mich besonders geprägt hat, ist die grosse Solidarität und Resilienz, die ich unter den Besuchenden beobachtet habe. Menschen, die selbst wenig haben, teilen so selbstverständlich und unterstützen einander. Viele haben Dinge erlebt, die ich mir kaum vorstellen kann – trotzdem haben sie oft ihren Humor bewahrt und kämpfen für ein sicheres Leben, obwohl dieses Leben sie schon unzählige Male hätte entmutigen können. Ich lächle unterwegs Menschen zu, die mich an Besuchende aus dem Begegnungsraum erinnern – diese Begegnungen haben meine Aufmerksamkeit und Verbundenheit zu Menschen erweitert, die mir früher vielleicht eher fremd gewesen wären.

Dankbar bin ich auch für all jene, die den Raum mitgetragen haben, für meine Teamkollegen, Jonas und Erik, die vielen Freiwilligen, die interkulturellen Vermittler*innen, Personen mit eigener Fluchtgeschichte, die vorbeikommen und unterstützen, sowie mein Team im GZ Wipkingen. Der Humor, die Herzlichkeit und der Zusammenhalt untereinander haben diese Arbeit getragen. Besonders ans Herz gewachsen sind mir auch die Arbeit mit Frauen im Women Space, den ich mit Vanessa und Berivan geleitet habe, sowie der Art Friday mit Cynthia vom Migros-Museum.

Herzlich,
Julie Saacke

Redaktionelle Beiträge von:

GZ Wipkingen, Breitensteinstrasse 19a, 8037 Zürich
Telefon 079 606 98 65, Mail: karl-guyer@gz-zh.ch, www.gz-zh.ch

0 Kommentare


Themen entdecken