«Mikrobiom statt Stuhl!»

Der Magen-Darm-Trakt ist ein faszinierendes Organ, das die Gesundheit des Menschen massgeblich beeinflusst. Sein Inhalt ist immer noch mit Scham verbunden. Zu oft fehlt der Blick zurück in die WC-Schüssel vor dem Spülen. Der Gastroenterologe Prof. Dr. med. Christoph Gubler erklärt die Darmkrebs-Prävention und liefert interessante Fakten über den Darm und sein Mikrobiom.

Im Interview: Prof. Dr. med. Christoph Gubler, Chefarzt Gastroenterologie, Stadtspital Zürich.

Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet Gastroenterologie?

Dieses Fachgebiet ist zentral für jeden Menschen. Wir ernähren uns vielfältig und umweltbewusst, brauchen Nährstoffe zum Leben und scheiden diese mit dem Stuhl wieder aus. Dieser Zyklus beinhaltet alle relevanten Aspekte eines hoch entwickelten Lebens: die Freude und Lust des Essens, das Gefühl des Satt-Seins und auch die verborgenen Aspekte der Ausscheidung sowie die damit verbundene Scham. Zusätzlich gehört das Fachgebiet der Hepatologie, der Leber, dazu. Dieses Organ ist lebensnotwendig und eigen. Es entgiftet und ist die grosse Stoffwechselzentrale des Menschen. Kommt es jedoch bei den im Alltag selbstverständlichen Funktionen von Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm bis hin zu Leber und den Gallenwegen zu einer Erkrankung, ist der gesamte Organismus Mensch krank. Bekannte Erkrankungen sind Tumoren, Entzündungen und innere Blutungen. Das Fach beinhaltet jedoch viel mehr! Der gesamte Magen- Darm-Trakt erhält Signale via Nervenbahnen vom Gehirn und Rückenmark und er sendet auch solche zurück. Das gesamte Nervengeflecht im Magen-Darm-Bereichhat mit etwa 100 Millionen mehr als viermal so viele Nervenzellen wie das Rückenmark.

Was wissen wir neu in Ihrem Bereich?

Der Stuhl im Darm hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Die gesamte Masse der Bakterien, Viren und Pilze, die ein Mensch in sich trägt, heisst heute Mikrobiom. Es hat eine viel positivere Bedeutung erlangt als noch vor Jahrzehnten der Stuhl. Das Mikrobiom wiegt bei einem Erwachsenen bis zu zwei Kilogramm und beinhaltet gleich viele Bakterien wie ein Mensch Zellen hat; geschätzt sind dies 40 Billionen Bakterien. Ein gesundes Mikrobiom nimmt Einfluss auf den Zuckerhaushalt, das Körpergewicht und mutmasslich auch auf die Tumorentstehung. Ist das Mikrobiom nicht mehr im Gleichgewicht, können die Patienten jahrelang chronisch krank sein.

Wie diagnostizieren Sie?

Die Endoskopie erlaubt es mir, den Magen-Darm-Trakt durch Mund oder Anus mit Hilfe einer Kamera einzusehen. Ultraschalluntersuchungen, Blut- und Stuhltests, Röntgenuntersuchungen bis hin zum MRI werden benötigt, um Diagnosen zu stellen. Letztendlich braucht es Funktionstests mit Messungen der Säure, der Dehnbarkeit und Transporteigenschaften von der Speiseröhre bis zum Analkanal. Das Fach ist so breit gefächert, dass nie Langeweile aufkommt!

Womit beschäftigen Sie sich hauptsächlich?

Meine Spezialgebiete sind die Lebererkrankungen und die Endoskopie. Letzteres heisst, mit flexiblen Geräten durch natürliche Öffnungen in den Menschen einzugehen, konkret durch Mund und Anus. Hier ist eine hochauflösende, diagnostische Sicht möglich. Im gleichen Schritt können wir auch therapieren. Heute können so Tumore im Frühstadium entfernt, Steine aus den Gallenwegen geholt oder sogar Verbindungen vom Magen zum Darm geschaffen werden. Diese sogenannte interventionelle Endoskopie entwickelt sich rasend schnell und erlaubt schonende Therapien.

Die Darmspiegelung ist die wichtigste Screening-Methode eines Menschen. Weshalb?

Eine Darmspiegelung ist ohne hohe Risiken ambulant möglich. Sie kann Vorstufen von Dickdarmtumoren nicht nur erkennen, sondern in der gleichen Sitzung auch eine Entfernung möglich machen. Diese sogenannten Polypen sind gutartig und bereits Jahre vor der bösartigen Entartung zu finden. Das macht eine hocheffektive Tumorprävention möglich. Diese sogenannten Screening-Koloskopien reduzieren nachgewiesenermassen das Risiko, an einem Dickdarmkrebs zu sterben. Alternativen wie Stuhl- und Blutuntersuchungen existieren und haben einen Nutzen. Doch hier ist in einem zweiten Schritt immer auch eine Darmspiegelung nötig. Deshalb ist oft der direkte Schritt zur Koloskopie zielführender.

Was bedeutet der neue Name «Stadtspital Zürich» für Sie?

Dank der neuen Namensgebung sind die beiden Stadtspitäler Waidund Triemli endlich vereint. Die Gastroenterologie und Hepatologie kann ich nun mit meinem Team an beiden Standorten fokussiert entwickeln. Das heisst, dass wir hochspezialisierte Eingriffe in höherer Zahl an einem Standort durchführen werden. Das erhöht die Qualität und Professionalität.

Dr. med. Markus Meier

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