Quartierleben
Mit der Natur statt gegen sie
Der Röschibachplatz hat sich zum Dorfplatz Wipkingens gemausert. Rundum treffen sich Leute aller Couleur und jeden Alters. Peter Helfenberger ist einer davon. Wir spazierten mit ihm vom Röschibachplatz zum «Garten über de Gleis».
22. September 2022 — Majka Mitzel
Meine Jugendzeit verbrachte ich unweit von Wipkingen. Die Gegend um den Schaffhauserplatz, den Milchbuck und den Zürichbergwald waren unser Revier. Doch später, meist an einem Samstagabend, erweiterten wir manchmal die Grenzen. Wir pilgerten ins benachbarte Wipkingen, genauer gesagt, ins Kino Nordstern, das sich ein paar Schritte unterhalb des Röschibachplatzes befand, dort, wo heute das Float-Center ist. Der FBI-Agent Jerry Cotton in den damals angesagten Action-Filmen war unser Held. Meist gab es sogar ein Doppelprogramm, die Umgebung war beinah familiär. Man sprach mitunter auch vom «Finken-Kino», weil offenbar Leute von nebenan in Hausschuhen vorbeikamen.
Etliche Jahrzehnte später und um Erfahrungen reicher, bezogen meine Frau Virginia und ich im Jahr 1993 eine Genossenschaftswohnung in Wipkingen. Das Quartier behagte uns, auch wegen der damals schon vielfältigen und zwangslosen Umgebung und Bewohnerschaft. Wir schätzten die Nähe zur Limmat und zum Wald am Waidberg und auch zur Innenstadt.
Auf Abendspaziergängen der Limmat entlang träumten wir von einem eigenen Stück Land, um der Natur ein Stück näher zu sein. Dieser Traum realisierte sich zwischenzeitlich für ein paar Jahre in Form eines kleinen Ferienhausteils in steilem Gelände. Nein, nicht im Tessin, das war uns zu weit entfernt, es war die Südflanke des Rigis mit seinem riesigen Nagelfluh-Felsbrocken.
Permakultur und keine Pestizide
In dieser malerischen Umgebung drehten sich meine Gedanken als Hochbauzeichner und Natur-Interessierter oft um eine möglichst natürliche Umwelt, nachhaltige Landwirtschaftsmethoden und eine Art, einvernehmlich damit zu leben und zu siedeln. Gute taugliche Wohn- und Lebensstrukturen, die ein zukunftsfähiges erfülltes Leben auf der phänomenalen Grundlage unseres Daseins, der Natur, ermöglichen, begannen immer wichtiger für mich zu werden.
Die Entdeckung zahlreicher nachhaltiger Garten- und Landwirtschaftsmethoden beflügelten mein Interesse an einem naturbewussten Dasein und der Erzeugung gesunder Nahrungsmittel: Die Permakultur und ihre Waldgärten, die regenerativen Agrikulturen und viele andere mehr enthalten überliefertes, aber auch neues Wissen über einen Nahrungsmittelanbau, der uns in Zukunft problemlos ernähren kann.
Der Aufbau und Erhalt eines lebendigen fruchtbaren Bodens sind zentrale Elemente all dieser zukunftsgerichteten Methoden. Sie bauen auf einem lokalen Materialkreislauf auf und sind frei von Industriedünger und Pestiziden.
«Garten über de Gleis» begeistert
Da kam das Projekt «Garten über de Gleis» hier in Wipkingen gerade wie gerufen. Es wurde 2014 von unserer jetzigen Stadträtin Simone Brander und dem GZ Wipkingen mit Cornelia Schwendener ins Leben gerufen. Ich war begeistert von der Idee, in unmittelbarer Nähe zu unserer Wohnung in einem Urban-Gardening-Projekt mitzuwirken, das die Natur und den Bezug dazu in einen städtischen Bereich integriert. Wie kann man in urbanen Bereichen den Wert der Natur besser vermitteln und geniessen als durch Gemüsegärten, Blumeninseln und durch Wildnis-Strukturen zur Förderung der Artenvielfalt von Flora und Fauna? Mir ist es ein grosses Anliegen, dass sich üppige Grünbereiche aller Art bestmöglich weiterverbreiten. Fangen wir hier an, weil es da, wo wir zu Hause sind, am einfachsten ist, etwas zu realisieren.
So haben wir inzwischen im Rahmen des «Garten über de Gleis» eine Wiese zu einem offenen Beerengarten umgestaltet. Passant*innen und Kinder machen immer wieder Halt, pflücken von den Beeren, man kommt ins Gespräch und geniesst den Moment in der Natur. Ausserdem entstand hier noch der Gemüsegarten des angrenzenden Restaurants The Artisan. Seine Rüstabfälle werden dort fermentiert, vererdet und sorgen wieder im Gartenbeet für neues Gemüse – eine richtige Kreis-
laufwirtschaft. Der Gartenabraum aus unserem Hochbeet-Garten wird sorgfältig kompostiert und wandelt sich ebenfalls mithilfe der Mikroorganismen zu gesunder lebendiger Gartenerde.
Die Themen beim Fermentieren und Kompostieren sind in erster Linie die beschränkten Platzverhältnisse. Sie sind auch der noch ungelöste Faktor bei der Idee, möglichst viele Grüngutabfälle aus benachbarten Haushalten zu Humus zu verarbeiten. Dafür und auch für weitere grüne Vorhaben sind jedoch zusätzliche Flächen und Mitwirkende gesucht. Wer sich für diese Themen interessiert, kann mich gerne kontaktieren.
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