Politik
«Pflexit» – in Wipkingen? Wie die Abwärtsspirale durchbrechen?
Der Pflegeberuf ist «der schönste Beruf der Welt», dennoch herrscht ein Mangel an Arbeitskräften in der Branche. Es besteht Handlungsbedarf.
22. September 2022 — Eingesandter Artikel
Yvonne Ribi konnte mit der Pflegeinitiative als Kampagnenverantwortliche einen Riesenerfolg verbuchen. Jetzt möchte sie die Unterstützung, welche die Pflegenden erhalten, auch im Quartier nutzen, um die Probleme zu lösen. Wie Ribi ist auch Renata Grünenfelder Mitglied der SP Zürich 10. Als diplomierte Pflegefachfrau vertritt sie ebenfalls diese Meinung. Mathias Egloff, Gemeinderat der SP Zürich 10, hat beide zum Interview getroffen.
Renata Grünenfelder und Yvonne Ribi, ihr habt euch entschlossen, die Pflege auf die politische Agenda zu bringen. Was motiviert euch dazu?
Renata: Der Pflegeberuf ist der schönste Beruf der Welt. Wir sind für Menschen da, die sich in schwierigsten Lebenssituationen befinden. Das braucht neben Empathie ausreichend Zeit und Wissen. Der Kostendruck spart die Pflege kaputt und das auf dem Buckel der Patient*innen und der Pflegenden selbst. Das wollen wir ändern.
Wie steht es um die Pflege in Wipkingen?
Renata: Der Pflegemangel ist omnipräsent, in Spitälern, den Pflegeheimen und in der Spitex. Offene Stellen und Zeitmangel sind auch bei uns Realität. Mir ist es wichtig, dass die Menschen in unserem Quartier die Pflege erhalten, die sie brauchen und nicht eine Pflege, welche die Mitarbeitenden gestresst und ausgebrannt zurücklässt.
Ist Wipkingen ein typisches Beispiel oder eher ein Extrem?
Renata: Unser Quartier ist leider keine Ausnahme. Auch bei uns ist der Pflegenotstand dramatisch.
Welches sind die wichtigsten Dinge, die wir tun sollten?
Yvonne: Es braucht flächendeckende Sofortmassnahmen, um die Pflegenden im Beruf zu halten. Zu viele steigen zurzeit aus, ein richtiger «Pflexit». Massnahmen von Städten oder einzelnen Betrieben sind gut, aber der Kanton ist in der Pflicht, damit alle Institutionen die Anstellungsbedingungen und die Personalsituation so verbessern können, dass eine gute und menschenwürdige Pflege möglich ist.
Alle sagen: die Gesundheit ist das Wichtigste. Warum hat sie im Kantonsrat einen so geringen Stellenwert?
Yvonne: Es geht ums Geld und um den Wert der Care-Arbeit. Und es hat zu wenig Pflegende in politischen Ämtern, die die dramatische Situation glaubhaft darstellen und Lösungen aufzeigen.
Welche Rolle kann die Stadt spielen, um die Situation zu verbessern?
Yvonne: Meine Erfahrung ist, dass zu stark auf Kosten des Pflegepersonals gespart wird. Die Teams sind stark geschrumpft bei gleichbleibender Arbeitsbelastung. Dies führte zu zahlreichen Kündigungen von gut ausgebildetem Pflegepersonal. Die Lancierung des städtischen Projekts «Stärkung Pflege» ist grundsätzlich zu begrüssen und hat eine starke Innen- und Aussenwirkung. Aber Investitionen in die Pflege sollten unabhängig von der Trägerschaft getätigt werden. Denn auch nicht-städtische Pflegeinstitutionen brauchen Unterstützung. Deshalb ist der Kanton gefragt.
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