«Praktisch muss es sein»

Am Bucheggplatz ist anfangs Jahr ein Mitgliederladen entstanden, in dem Wipkingerinnen und Wipkinger 24 Stunden am Tag nachhaltige Produkte zu günstigen Preisen einkaufen können. Eine der Mitgründerinnen ist Josephine Herzig. Sie diskutiert zusammen mit einem ihrer ersten Kunden, Matthias Probst, was ihnen am Quartierdepot wichtig ist.

Josephine Herzig räumt im Quartierdepot Bier ins Regal: seit Anfang Jahr können Mitglieder hier 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche nachhaltig einkaufen.

Josephine Herzig steht im Quartierdepot, den Velohelm noch auf dem Kopf, und räumt Bier ins Regal. Die kleine Ladenfläche hat sie zusammen mit sieben Freunden seit Januar gemietet. Sie haben hier einen genossenschaftlich organisierten, selbstverwalteten Mitgliederladen gegründet. Das Ziel: nachhaltige Produkte des täglichen Bedarfs zu günstigen Preisen anbieten.

In einem Monat zur Unternehmerin

Die 35-Jährige lebt seit sechs Jahren an der Lehenstrasse. Noch bis Dezember 2019 war sie angestellte Unternehmensberaterin und Mutter – nur einen Monat später war sie plötzlich auch Ladenbesitzerin. Die Idee sei im Laufe des letzten Jahres gewachsen, erzählt sie. Als in der Genossenschaft Waidberg am Bucheggplatz plötzlich ein Raum zur Verfügung stand, musste alles sehr schnell gehen. Innerhalb von einem Monat wurde das Sortiment definiert, die Webseite auf Vordermann gebracht, der Zugang zum Laden technisch sichergestellt, ein Bezahlsystem eingeführt und viele Stunden Arbeit in unzählige kleine und grosse Herausforderungen investiert. Wenn Josephine Herzig von dieser Zeit erzählt, springt der Funke der Begeisterung sofort über. Sie mag es, anzupacken. «Klar war es ein Experiment», gibt sie zu. «Und das ist es immer noch.»

Inzwischen hat das Quartierdepot Buchegg 60 aktive Mitglieder. Einer davon ist Matthias Probst. Zusammen mit seiner Partnerin zog der 35-Jährige erst letzten Sommer an die Rötelstrasse. Schon bald stiess das Paar auf den kleinen Laden im Nachbarhaus. Als der Journalist herausfand, dass er hier 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche einkaufen konnte, war die Neugier geweckt. «Das Quartierdepot funktioniert sehr unkompliziert », weiss er inzwischen. «Ich kann mit Bluetooth jederzeit die Tür öffnen, wähle auf dem Handy die gekauften Artikel aus und bezahle per Twint. Ich mag es, wenn Technologie so alltagstauglich eingesetzt wird.» Schon bald fühlte sich Probst im Quartierdepot wie zu Hause. Inzwischen hilft er alle paar Wochen freiwillig mit, die gelieferte Ware einzuräumen. Auf seinem Vorschlag hin hat das Depot zudem inzwischen auch «Wiedikerli» im Angebot. «Genauso stellen wir uns das vor», sagt Josephine Herzig. «Die Mitglieder sollen sich möglichst unkompliziert einbringen können. Niemand muss aktiv mitmachen, man kann auch seinen Einkauf erledigen und wieder gehen. Aber wer Lust hat, kann kleine Aufgaben übernehmen, Tipps fürs Sortiment notieren oder sich aktiv im Projektteam einbringen.»

Das Depot als erweiterter Kühlschrank

Das Depot sei inzwischen sein erweiterter Kühlschrank, erklärt Probst. «Wenn wir Gäste haben, hole ich im Depot kurz gekühltes Bier, Wein oder Chips.» Den Kühlschrank füllt er meist gerade wieder auf – er ist Mitarbeiter und Kunde in einem. So geht es auch Josephine Herzig: auch sie geht mit ihrer Familie regelmässig im Depot einkaufen. Sie könne den Laden kaum betreten, ohne nebenbei noch einige Lebensmittel ins Regal zu räumen oder kurz sauber zu machen. Wie zu Hause halt.

Herzig arbeitet inzwischen für eine internationale NGO im Nachhaltigkeitsbereich. Daneben investiert sie einen halben Nachmittag pro Woche unentgeltliche Arbeit ins Quartierdepot. «Solange es mir Spass macht und ich dabei etwas lerne, mache ich das gerne.» Sie ist hauptsächlich für die Bestellungen und die Zusammensetzung des Sortiments zuständig. Dabei achtet sie auf Bioqualität, bevorzugt lokale, wenn möglich Stadtzürcher Produkte, direkte Kontakte zu Produzentinnen und Produzenten und – wenn möglich – Direktlieferungen per Velo.

Strategin mit Hang fürs Praktische

Beim Kaffee im Nordbrüggli gerät Herzig ins Philosophieren: «Im Moment bestellen wir viele Produkte bei Bio-Grossverteilern. Manchmal gibts auch Äpfel aus Italien, weil der Thurgauer Bauer keine liefern konnte.» Das Sortiment sei nicht perfekt, und ohnehin liessen sich häufig nicht alle ihre Ansprüche unter einen Hut bringen. Transparenz sei darum umso wichtiger. Mittelfristig wolle sie bei jedem Produkt seinen CO2-Fussabdruck deklarieren als wichtige Information für die Kundinnen und Kunden. Wenn Josephine Herzig über Umwelteinflüsse, Produktions- und Lieferketten spricht, sind ihre Sätze druckreif, ihr Redefluss schnell – im Thema Nachhaltigkeit ist sie sattelfest. Doch beim Quartierdepot spielt die strategische Ebene für einmal eine Nebenrolle. Hier geht es ums Praktische. So erzählte eine Kundin kürzlich, dass sie ihr Mehl direkt bei einer Mühle in Oberembrach einkaufe – und schlug vor, das Mehl ins Sortiment aufzunehmen. Josephine Herzig war einverstanden und vereinbarte mit der Kundin, dass diese es auch gleich von Oberembrach nach Wipkingen ins Depot bringen würde. Gesagt, getan. «Bei uns geht es schnell. Gute Ideen probieren wir am liebsten sofort aus.»

«Das erinnert mich an etwas», sagt Matthias Probst, während er im Nordbrüggli seinen letzten Schluck Kaffee nimmt. «Könnten wir das Weinsortiment etwas erweitern? Eine breitere Palette an Rot- und Weissweinen fände ich gut». Josephine Herzig nickt. «Klar. Hast du bestimmte Vorlieben? Vielleicht könnten wir eine Weindegustation organisieren, damit wir Sorten auswählen, die vielen schmecken.» Sie selber, sagt Herzig mit einem Augenzwinkern, kenne sich mit Wein nämlich nicht so aus. «Mir ist wichtiger, dass im Kühlschrank immer genug gekühltes Bier bereitsteht.»

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