Tempo 30 nun auch auf der Rosengartenstrasse

Der Stadtrat hat es entschieden: Auf der Rosengartenstrasse soll künftig Tempo 30 herrschen. Wie kam es zu dem Entscheid und was sagen die Parteienvertreter*innen dazu?

Die Rosengartenstrasse. (Foto: Archiv Wipkinger Zeitung)

Immer wieder die Rosengartenstrasse: Das Problem um die Verkehrs- und Lärmbelastung an dieser lautesten Quartierstrasse der Schweiz ist ein stetiger Streitpunkt in Politik, Verkehrsplanung und Öffentlichkeit. Erst Anfang des vergangenen Jahres hatten sich die Stimmberechtigten desKantons Zürich in einer Abstimmung gegen das Projekt «Rosengartentram» und «Rosengartentunnel» ausgesprochen.

Tempo 30 möglich und machbar

Nun fällte der Stadtrat am 8. September die Entscheidung, auf ebendieser Strasse Tempo 30 einzuführen. Damit ist sie nach dem Willen der Stadtregierung die erste grössere Strasse, auf die die bereits im Juli gefällte Entscheidung, Tempo 30 flächendeckend in der Innenstadt einzuführen, angewandt wird. Mit dem Entscheid gab der Stadtrat laut Medienmitteilung der Einsprache von Anwohner*innen recht, die sich gegen die geplanten Lärmschutzmassnahmen gewehrt hatten. Zum gleichen Thema waren aus dem Gemeinderat auch zwei dringliche Motionen an den Stadtrat gelangt.

Externes Gutachten als Grundlage

Die Entscheidung stützt sich auf die Ergebnisse eines externen Gutachtens «zur Machbarkeit und Verhältnismässigkeit von Tempo 30». Dieses Gutachten kommt zum Schluss, dass eine Temporeduktion die Lärmbelastung deutlich senken kann, während «die Rosengartenstrasse ihre Kanalisierungsfunktion als kantonale Hauptverkehrsachse auch mit Tempo 30 erfüllen» kann.

Gesundheit als höheres Gut

Die gesundheitlichen Interessen der Anwohner*innen, so die Medienmitteilung weiter, seien höher zu werten als etwaige negative Auswirkungen der Temporeduktion: «Wenn man auf Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme verzichten will, muss man nach heutiger Rechtsprechung aufzeigen, dass es Interessen gibt, die die Gesundheitsinteressen der Anwohnerinnen und Anwohner überwiegen.» Das sei an der Rosengartenstrasse nicht der Fall. Und weil der Lärmschutz gemäss eidgenössischer Lärmschutzverordnung (LSV) prioritär an der Quelle zu erfolgen hätte, so die Stadt, stellten Lärmschutzmassnahmen keine wirkliche Alternative dar.

Kein Verständnis bei bürgerlichen Parteien

Wenig überraschend fallen die Reaktionen der für den Wahlkreis 10 im Gemeinderat vertretenen Parteien auf diese Bekanntmachung ganz unterschiedlich aus. Deutliche Worte findet etwa die SVP: «Der links-grüne Stadtrat geht jetzt deutlich zu weit. Er behindert den Zulieferer- und Berufsverkehr auf einer wichtigen Einfahrtsachse in die Stadt und sabotiert auch den ÖV. Das Ziel ist Tempo 30 in der ganzen Stadt, was den ÖV etwa 20 Millionen Franken pro Jahr mehr kosten wird – wer soll das bezahlen? Die SVP wehrt sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen solche extremen verkehrspolitischen Entscheide», teilt Johann Widmer, Gemeinderat des Wahlkreises 10, der Redaktion mit. Die Gefahr steigender Kosten und längerer Fahrzeiten sieht auch die FDP, wie Gemeinderat Andreas Egli erklärt: «Mit Tempo 30 auf Achsen des öffentlichen Verkehrs wird der ÖV langsamer, unpünktlicher und fährt weniger häufig, und das alles zum teureren Preis. Es steigen aber auch die Kosten für Gewerbe und Pendler, denn auch diese brauchen länger, müssen mehr Zeit einrechnen und damit den Kunden in der Stadt Zürich am Ende eine höhere Rechnung stellen. Tempo 30 gehört auf Quartierstrassen und ist im Gefahrenbereich von Schulhäusern adäquat. Zum Erhalt der Hierarchie zwischen Haupt- und Quartierstrassen sollte auch eine unterschiedliche Geschwindigkeit gefahren werden können.»

Freude bei SP, Grünen, Grünliberalen und AL

Hocherfreut äussert sich dagegen SP-Stadtratskandidatin Simone Brander: «Ich freue mich sehr über den Entscheid und den Erfolg fürs Quartier und hoffe, dass Tempo 30 möglichst rasch eingeführt wird. Zu viel Lärm – und an der Rosengarten-/Bucheggstrasse hat es massiv zu viel davon – schadet der Gesundheit. Tempo 30 ist somit ein Gewinn für die Gesundheit der Bevölkerung, und ich hoffe wirklich, dass die betroffene Bevölkerung möglichst rasch endlich mehr Ruhe hat. Für den ÖV hat der Entscheid zu Tempo 30 eine vertretbare Verzögerung zur Folge. Der ÖV müsste einfach überall konsequent bevorzugt werden, dann liesse er sich zusätzlich beschleunigen.» Für die Grünen erklärt Gemeinderat Roland Hurschler: «Die Kreispartei der Grünen freut sich ausserordentlich, dass der Stadtrat die Forderung der Grünen, der SP und der AL jetzt aufgenommen hat. Somit hat der langjährige Kampf des Quartiers gegen die für die Anwohner*innen unerträgliche Situation entlang der Rosengarten- und Bucheggstrasse ein erstes wichtiges Etappenziel erreicht. Diese Massnahme wird zwar auch Auswirkungen auf die Fahrzeiten des ÖVs haben, diese sind jedoch gerechtfertigt, da die Anwohner*innen massive Lärmgrenzwertüberschreitungen ertragen müssen. Weiter wird Tempo 30 die Wohn- und Lebensqualität entlang der Strasse deutlich erhöhen.» Ronny Siev, Gemeinderat der Grünliberalen, äussert sich gleichermassen erfreut: «Die Fraktion und ich unterstützen diese Vorstösse, die direkt zum jetzigen Stadtratsbeschluss mit Tempo 30 führen. Ich bin sehr froh, dass sich die Situation für Anwohner und Velofahrer verbessert hat. Ob der Bus eine separate Spur erhält, ist noch unklar. Die Streckenführung mit den Ampeln soll jedoch so gestaltet werden, dass der Bus möglichst wenig Zeit verliert. Der ÖV muss attraktiv bleiben. Die GLP und ich als ihr einziger Gemeinderat freuen sich mit den Anwohnern, dass
ihre Lebensqualität durch weniger Lärm und Abgasemissionen spürbar verbessert werden sollte.» Auch Judith Stofer, Kantonsrätin der Alternativen Liste begrüsst den Entscheid sehr. «Uns freut es natürlich sehr, dass der Stadtrat Tempo 30 für die Rosengartenstrasse beschlossen hat. Es war höchste Zeit, dass man bei diesem ewige Provisorium Massnahmen zum Schutz der Anwohner*innen ergreift. Mit der Temporeduktion wird nun endlich ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Auch für den ÖV sehe ich Tempo 30 positiv, der Verkehr wird dadurch flüssiger und verläuft weniger im Stop-and-go-Modus. Grundsätzlich ist es eine rein politische Entscheidung, wie man mit dem ÖV umgeht und wieviel Geld man in ihn investieren möchte. Wenn der Wille da ist, lassen sich die durch die Temporeduktion entstehenden Fahrtzeitverlängerungen problemlos ausgleichen.“

Regierungsrat fordert Beurteilung durch Kanton

Mit diesem Entscheid gehen auch die Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Kanton in die nächste Runde. Nach der verlorenen Tunnel-Abstimmung hatte Regierungsrätin Carmen Walker Späh die Verantwortung zunächst der Stadt übergeben. Doch nun will der Kanton, wie einem Artikel der NZZ zu entnehmen ist, die Situation selbst noch einmal beurteilen – denn bei der Rosengartenstrasse handelt es sich um eine Kantonsstrasse. Zwar hat die Stadt hier grundsätzlich die Befugnis, die Tempoentscheidung selbst zu fällen, der Verkehr ausserhalb des Stadtgebiets aber darf von diesen Entscheidungen nicht betroffen sein.

Wie geht es weiter?

Ob und wie schnell Tempo 30 auf der Rosengartenstrasse also umgesetzt werden kann, ist demnach noch unklar. Die Temporeduktion muss vom Stadtrat zunächst angeordnet und publiziert werden, was eine Einspruchsfrist nach sich zieht. Auch der Anti-Stau-Artikel der Kantonsverfassung, der ersatzlose Kapazitätsabbauten verbietet, könnte noch für Auseinandersetzungen sorgen – etwa bei einem Spurabbau. Gut möglich also, dass schlussendlich ein Gericht darüber entscheiden muss, ob die Temporeduktion zulässig ist.
Und wie schliesslich die weiteren Massnahmen aussehen sollen, die das Problem Rosengartenstrasse lösen können, darüber herrscht bei den Parteien weiterhin keine Einigkeit. Man darf gespannt sein. Das letzte Kapitel in der Geschichte der Rosengartenstrasse ist jedenfalls noch lange nicht geschrieben. 

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