Gesundheit
Weihnachten im Spital
Es gibt kaum etwas, das mehr frustriert, als wenn ein Patient erfährt, dass er über die Feiertage im Krankenhaus bleiben muss. Was unternimmt das Stadtspital Zürich, damit sich die Betroffenen möglichst wohl in dieser Zeit fühlen?
16. Dezember 2022 — Eingesandter Artikel
Alexandra M. Suter, Leiterin Hotellerie & Gastronomie beim Stadtspital Zürich, und Dr. med. Stefan Christen, Chefarzt-Stellvertreter der Klinik Innere Medizin im Stadtspital Zürich Waid, erzählen im Interview, was es bedeutet, die Festtage im Stadtspital Zürich zu verbringen, sei es als Patient oder als Mitarbeiter.
Während der Feiertage im Krankenhaus zu liegen, findet jeder blöd. Was unternehmen Sie gegen diese Frustration?
Alexandra M. Suter: Gerade zu Fest- und Feiertagen ist Kontakt zu denen, die uns nahe stehen, essenziell. Wir geben unser Bestes, um Besuche von Freundinnen und Freunden, Familie und Verwandten in einem komfortablen, stressfreien Rahmen zu ermöglichen. So sind unsere täglichen Besuchszeiten von 14 bis 20 Uhr dafür ausgelegt, genügend Zeit mit den Angehörigen verbringen zu können. Andererseits möchten wir unsere Patientinnen und Patienten auch kulinarisch verwöhnen und kreieren spezielle Festtagsmenüs.
Diese Weihnachten stehen beispielsweise Trüffelravioli an Prosecco-Sauce zum Mittagessen oder ein Rindsfilet im Teig zum Abendessen zur Auswahl – kombiniert mit besonderen Desserts aus unserer hauseigenen Patisserie. Doch am meisten Festtagsstimmung bringen unsere Mitarbeitenden ins Spital: Ich sehe zu keiner anderen Zeit eine grössere Verbundenheit zwischen den Mitarbeitenden und den Patienten, weil beide dasselbe «Schicksal» teilen. Und so geschieht etwas Schönes: Anstatt, dass die weihnachtliche Stimmung zu Hause ausgelebt werden kann, wird sie ins Spital getragen. Mit einer Extraportion Herzlichkeit und Wärme.
Dr. med. Stefan Christen: In unserem Spital bemühen sich alle Berufsgruppen darum, für die Patientinnen und Patienten, deren Angehörige, aber auch für das Personal über die Festtage weihnächtliche Stimmung zu kreieren. Am aktivsten sind sicher die Pflege, die Hotellerie und die Gastronomie. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Von der ärztlichen Seite her sind eher Einzelaktionen auf die direkten Bedürfnisse der einzelnen Patienten zu erwarten. Zum Beispiel suchen wir in Zusammenarbeit mit den Angehörigen nach Lösungen, um einen Kurzurlaub für eine Feier im familiären Rahmen möglich zu machen.
Welche Probleme treten zusätzlich auf?
Christen: Wir beobachten immer wieder, dass über die Weihnachtstage das soziale Umfeld der Patientinnen und Patienten sehr unterstützend ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Personen, insbesondere ältere, die gar kein intaktes soziales Umfeld mehr haben und allein bleiben. Hier sind alle Berufsgruppen gefordert. So findet das eine oder andere Gespräch auch ausserhalb der regulären ärztlichen Visiten statt. Einsamkeit während der Weihnachtszeit als Grund für eine Notfallstation-Konsultation kommt nicht selten vor. Viele Mitarbeitende freuen sich trotzdem auf die Arbeit über die Weihnachtszeit – ich auch. Es geht alles viel harmonischer, ruhiger, toleranter und ohne Hektik zu und her. Die spezielle Zeit überträgt sich sehr aufs Personal, die Patienten und die Angehörigen. Wir spüren eine grosse Dankbarkeit.
Suter: Ich erlebe die Arbeit in dieser Zeit auch stets als sehr beruhigt und stressfrei, da sich sowohl bei den Mitarbeitenden, als auch den Gästen eine Art Gutmütigkeit breitmacht. Was jedoch nicht von der Hand zu weisen ist: An Weihnachten und Neujahr möchten natürlich viele Mitarbeitenden frei haben. Hier ist Fingerspitzengefühl, Fairness und auch ein Entgegenkommen gefragt. Zu guter Letzt darf nicht vergessen werden, dass wir uns glücklich schätzen dürfen, die Patientinnen und Patienten mit einem vielfältigen kulturellen und religiösen Hintergrund zu betreuen. Nicht jeder möchte bei den Festtagen mitfeiern. Auch dafür haben wir volles Verständnis.
Nebst Pflegenotstand im Winter ist es sicher schwierig, das Personal für einen Dienst über Weihnachten zu motivieren. Wie ist das bei Ihnen?
Suter: Natürlich ist es in Schichtbetrieben nicht immer einfach, alle Wünsche der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Wir arbeiten mit einem Punktesystem: Werden beliebte Urlaubszeiten genommen, erhält eine Person mehr Punkte, als eine, die zu weniger beliebten Zeiten Urlaub nimmt. Im nächsten Jahr haben Mitarbeitende mit weniger Punkten Vorrang bei der Ferienwahl. Dieses System erfreut sich einer grossen Beliebtheit. Darüber hinaus ist Solidarität unter den Mitarbeitenden gefragt. Auch die Diversität in unseren Teams bringt diesbezüglich einen grossen Vorteil: Nicht für alle Personen haben die Weihnachtstage den gleichen Stellenwert.
Christen: Mitarbeitende für die Festtagsdienste zu finden, ist absolut kein Problem. Das ärztliche Personal wird in zwei Hälften aufgeteilt: Die einen arbeiten über die Weihnachtstage, die anderen über die Silvestertage. Die Einteilung erfolgt nach den persönlichen Wünschen. Dies geht meistens ohne Probleme auf. Ich arbeite etwa die 35. Weihnachtszeit im Spital. In dieser langen Zeit habe ich noch nie erlebt, dass man würfeln musste. Wir haben immer einvernehmliche Lösungen gefunden. Grundsätzlich ist es jedem Mitarbeitenden eines Akutspitals klar, dass der Betrieb auch über die Feiertage ohne Unterbruch weitergehen muss. Ich spüre jeweils eine grosse Solidarität, Flexibilität und Einsatzbereitschaft, zum Beispiel bei Krankheitsausfällen. Das ist bewundernswert.
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