Wo bleiben die Velofahrer?

Natürlich wäre es schön, wenn die Strassen frei von Lärm und Verkehr wären. Nur – wie kommen die vielen Sachen in die Läden und wie bringen die Leute all das nach Hause?

Eine unendliche Debatte nimmt ihren Lauf. Die einen wollen Parkplätze, die andern mehr freien Raum für Fussgänger. Gewerblicher Verkehr gegen Langsamverkehr nennt sich die Diskussion jeweils in den politischen Gremien, wo sie seit Jahren ein Dauerbrenner ist und dies noch lange bleiben wird.

Eine gewisse Menge motorisierten Verkehr braucht es

Die gewerblichen Interessen sind dabei genauso legitim wie jene, die gerne verkehrsarm wohnen möchten. In Wipkingen leben über 15’000 Menschen in fast 10’000 Haushalten. Zudem gibt es rund 4’000 Arbeitsplätze. Dies sind stattliche Zahlen, insbesondere, wenn man sich die Fläche anschaut: Diese beträgt lediglich 2,1 Quadratkilometer, wobei ein Drittel Wald und Wasser umfasst. Dies ergibt gemäss statistischem Amt in Zürich eine Bevölkerungsdichte von 7’187 Menschen/km2. Natürlich sollen nicht alle Auto fahren, das ist klar. Aber eine gewisse Menge motorisierten Verkehr braucht es eben – vor allem für die Anlieferung. Es wird zunehmend schwierig, all die Gipfeli, Badewannen, Socken, Dachziegel, Raviolibüchsen und Tulpenzwiebel in die Geschäfte zu bringen. Zudem stellen die Gewerbevereine zunehmend fest, dass in jenen Gebieten in den Deutschschweizer Innenstädten, in denen die Parkplätze stark reduziert wurden, die Umsätze in den Läden nicht gestiegen sind.

Dies wird zunehmend zu einem Problem. 

Es braucht einen gewissen Grundumsatz, um die Fixkosten zu decken. Die grössten Ausgabenposten sind bei Ladengeschäften die Miete und die Löhne. Die Margen sinken tendenziell, was wiederum einen erhöhten Umsatzbedarf ergibt, um mindestens kostendeckend arbeiten zu können.
Die Freude über den gewonnenen öffentlichen Raum relativiert sich, wenn die Schaufenster leer werden und leer bleiben. Mehrere Gewerbler, die in Wipkingen ihr Geschäft altershalber geschlossen haben, hatten Mühe, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. Das kann eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die dann nur noch schwer aufzuhalten ist.
Daher scheint die Frage berechtigt: Wo sind die Velofahrerinnen und Velofahrer, die regelmässig im Quartier einkaufen? Die meisten Fachgeschäfte bieten auch einen Lieferdienst an, wenn der Einkauf zu gross und zu schwer fürs Velo ist.

Alles online oder was?

Klar kann man alles im Internet kaufen. Im Sessel kleben, nix tun, ausser Zeigefingerspitze leicht anheben und auf die Maus absenken, oder mit wenig Kraftaufwand mehr den ganzen Zeigefinger übers Tablet swipen lassen; das geht. Weder fördert es die Durchblutung noch schützt es vor Übergewicht, aber es ist bequem. Es gibt Suchroboter, welche dem fortgeschrittenen Zeitgenossen die lästige Zeigefingerarbeit abnehmen und mit künstlicher Intelligenz berechnen, ob nicht etwa der Käse im Kühlschrank ausgegangen ist oder gar die letzte Colaflasche angebrochen wurde. Flugs bestellt der Roboter Käse und Cola; online bestellt und online abgebucht. Lange dauert es nicht mehr, bis man sich die Konserven und Tiefkühlpizza mit der Drohne nach Hause liefern kann. Die Nachbarn freut’s sicher, wenn die Dinger vor den Balkonen und Schlafzimmerfenstern vorbei surren.

Analog posten statt digital «posten»

Doch, sie existiert, die Welt ausserhalb des Bildschirms. Im Duden hat sich das Wort «posten» einen neudeutschen Eintrag gesichert. Es gibt auch die alte Variante «go poschte»: Schuhe an, Jacke über, raus an die Luft, Leute treffen, Schaufenster gucken, rein in den Laden, fragen, kaufen; raus und in den nächsten rein, dann in die Beiz, raus auf die Strasse und noch ein Schwatz. Posten ist ein analoges Erlebnis. Macht real Freude.

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