«…wo da hönger Bechli in die lindmag gat …»

Fünf Bäche flossen einst durch Wipkingen. Zwei davon begrenzten schon vor siebenhundert Jahren den mittelalterlichen Weiler. Diese Bäche gibt es nicht mehr, dafür sind zwei neue hinzugekommen.

Ungefähr an dieser Stelle, bevor der Waidfussweg in die Wunderlistrasse einmündet, floss auch der ursprüngliche Oerisbach.

Die ursprünglichen Wipkinger Bäche hiessen Hönggerbach, Lindenbach, Röschibach und Oerisbach, dazu kam ein namenloser Bach. Alle fünf sind im Laufe der Zeit verschwunden. Heute plätschern Oerisbach und Wolfgrimbach in die Limmat. Zwei davon begrenzten den mittelalterlichen Weiler Wibichinga: Hönggerbach und Lindenbach.

Hönggerbach

An der Grenze zwischen Wipkingen und Höngg floss bis zur Jahrhundertwende der Hönggerbach. Er ist der älteste namentlich erwähnte Bach in Wipkingen. Im Mittelalter bildete der Hönggerbach die natürliche Grenze zur Nachbargemeinde Höngg. Die «Offnung dero von Wipchingen», das Vogtrecht des Dorfes aus dem 14. Jahrhundert, beschrieb erstmals die Grenzen des Dorfes:

«Des Ersten vachet die vogty an da hönger Bechli in die lindmag gat und dann dz Bechli jemer mer hinder Berchtold Wetzwilers trotten uff untz hinder den keferberg hin und dann jemer mehr hinder dem keferberg als verr miner fröwen der Eptischin gouter gant und dannethin untz an den lindenbach und dann den Bach nach nider untz in die lindmag.» (Erstens fängt die Vogtei an, wo das Hönggerbächli in die Limmat geht, und dann immer dem Bächlein nach, hinter Berchtold Wetzwilers Trotte hinauf bis hinter den Käferberg und dann immer hinter dem Käferberg, so weit als meiner Herrin der Äbtissin Güter gehen, und dann bis an den Lindenbach und dann dem Bach nach hinab bis in die Limmat.)

Die älteste Nennung des Hönggerbaches in Wipkinger Urkunden stammt aus dem Jahr 1301, als erstmals der Weinbau erwähnt ist. Von einem «wingarten» in Wipkingen ist in einer Urkunde vom 18. Januar 1301 die Rede:

«Wir, Elsebete von gottes gnaden eptisschin des Gotzhus Zürich künden, das fro Juzzi verköffet hat einen wingarten, lit ze Wipkingen bi Hönggerbache…» (Wir, Elisabeth von Gottes Gnaden, Äbtissin des Gotteshauses Zürich, künden allen, dass Frau Juzzi verkauft hat einen Weingarten, liegt in Wipkingen beim Hönggerbach…)

Bei den Reben in «Wibkingen beim Hönggerbach» handelt es sich wohl um die Trotte und das umliegende Rebgut beim abgebrochenen Grenzstein. Der Ort, wo der Bach in die Limmat floss, ist heute ersichtlich an der Quartiergrenze. Wo die Breitensteinstrasse den Namen ändert zu Am Wasser liegt besagte Grenze – und dies seit über siebenhundert Jahren.

Lindenbach

Die ostseitige Dorfgrenze war ebenfalls durch einen Bach festgelegt: Der Lindenbach floss bis Anfang des 20. Jahrhunderts offen vom Zürichbergwald zur Limmat. Als einziger Wipkinger Bach floss im Lindenbach also kein Quellwasser vom Käferberg. Er schlängelte sich durch Oberstrass und Unterstrass und bildete in seinem unteren Teil die Grenze zwischen Wipkingen und Unterstrass. Er floss dort, wo heute die Schindlerstrasse liegt, bildete die Ostgrenze des Mousson-Guts und mündete bei der heutigen Kornhausbrücke in die Limmat. Der Lindenbach bildete die östliche Grenze der Stadt Zürich vor der Eingemeindung 1893. Die Grenzbeschreibung in der mittelalterlichen Urkunde nennt ihn zusammen mit dem Hönggerbach. Den Lindenbach gibt es heute nicht mehr, er ist längst eingedolt und kanalisiert. An den Bach erinnert noch die Lindenbachstrasse in Unterstrass, die quer zur einstigen Flussrichtung verläuft.

Röschibach

«Röschi» bedeutet in Mundart «steil», eine Röschi ist eine Dachneigung. Es gibt auch ein schweizerdeutsches Wort «rösch», was «knusprig» bedeutet. Woher der Röschibach seinen Namen hat, ist aber unklar. Die Strasse benannte man nach dem Bach, als man ihn in den 1870er-Jahren zudeckte und kanalisierte. An den Röschibach erinnert nur noch der Strassenname mit gleichnamigem Platz. Der historische Bachlauf verlief vom Käferberg her östlich an der reformierten Kirche vorbei zu einem Wasserreservoir, von da wieder östlich an der Guthirt-Kirche vorbei ungefähr entlang der Guthirtstrasse, plätscherte beim Röschibachsteig in die Röschibachstrasse bis zur Rosengartenstrasse und floss beim ehemaligen Anker bei der Wipkingerbrücke in die Limmat. Ab dem Mittelalter bis etwa 1870 hiess die Röschibachstrasse «Hohlweg». Das Bachbett führte offen den Hohlweg entlang. Die älteste Namensnennung des Röschibachs findet sich in einem Ratsbeschluss vom 5. Juni 1555: «Nach Anhörung einer Gemeindedelegation beschliessen Bürgermeister und Rat von Zürich die Verbesserung der Wipkinger Dorfstrasse beim Kehlhof und die Eindolung des Röschibachs, der bisher durch diese Strasse abgelaufen war.» Heute ist vom Röschibach nichts mehr zu sehen, er rinnt in seinem dunklen Betonbett in der Kanalisation unter den Strassen durch zur Kläranlage. Der namenlose Bach Im der mittelalterlichen Lehen und im früheren Dorf gab es noch einen fünften, namenlosen Bach. Er floss von der Gegend des oberen Weihers in den Letten. Etwa bei der Seidenwebschule mündete der Bach in die Limmat. Auf alten Strassenkarten ist er noch eingezeichnet. Beim Bau des Gleis-Einschnittes nach 1850 wurde der Bach gefasst und abgeleitet.

Gelungene Renaturierung eines eingedolten Stadtbaches: Ein Bänklein bei Oerisbach lädt zum Verweilen ein.

Gelungene Renaturierung eines eingedolten Stadtbaches: Ein Bänklein bei Oerisbach lädt zum Verweilen ein.

 

 

Oerisbach

Der Oerisbach entsprang im Käferbergwald oberhalb des Wunderliguts, durchquerte in früheren Zeiten die Wiesen unterhalb der Waid und plätscherte die Reben und Felder hinunter, wo heute der Waidfussweg liegt. Neben dem Restaurant Sonnenberg unterquerte er die Hönggerstrasse. Das Gebäude vis-à-vis hiess «Am Oerisbach». Dann durchkreuzte er die Wiese unterhalb des Sydefädeli und mündete bei der Häusergruppe namens Breitenstein bei den heutigen Familiengärten in die Limmat. Der Oerisbach wurde im Laufe der steigenden Bautätigkeit ebenfalls unterirdisch in der Kanalisation gefasst. Unterhalb des Pflegezentrums Käferberg renaturierte ihn die Stadt. Der Bachverlauf heute entspricht nicht dem ursprünglichen Bachbett des Oerisbachs, ist aber eine Augenweide.

Künstlich angelegt, aber naturnah: Wolfgrimbach im Käferberg.

Künstlich angelegt, aber naturnah: Wolfgrimbach im Käferberg.

 

Wolfgrimbach

Der jüngste Bach trägt den ältesten Namen: Der Wolfgrimbach ist nach dem Lehensmann benannt, dem Karl der Dicke im Jahr 881 Wipkingen zum Geschenk machte. Es ist der offen gelegte Bach beim Wolfgrimweg, der parallel zur Waidstrasse fliesst. Er entspringt dem Weiher im Käferbergwald und ist heute zusammen mit dem Oerisbach wieder sichtbar. Der Wolfgrimbach ist künstlich angelegt. Er gehört nicht zu den fünf ursprünglichen Bächen in Wipkingen, sondern entstand als Überlauf des Reservoirs der Brunnenversorgung von 1881; damals hatte er noch keinen Namen. Genau tausend Jahre zuvor, im Jahr 881, vermachte Kaiser Karl III den Weiler Wibichinga seinem Getreuen Wolfgrim zu lebenslänglicher Nutzniessung. Von Wolfgrim wissen wir nichts; er war wohl einer von Karls Getreuen. Wolfgrim erhielt vom Kaiser: «… zu lebenslänglicher Nutzniessung den Weiler, der Wibichinga heisst, mit allem, das rechtmässig dazu gehört, das ist: mit hörigen Leuten, mit Ackerfeldern, Wiesen, Wäldern, mit Gewässern und deren Ableitungen, mit gebautem und ungebautem Land, mit Beweglichem und Unbeweglichem, oder was irgend genannt werden kann».

Am Wolfgrimweg begleitet der fröhliche Bach die Fussgänger.

Am Wolfgrimweg begleitet der fröhliche Bach die Fussgänger.

 

Wieder freigelegt

Der Waldweiher war ursprünglich ein feuchtes, dicht bewaldetes Quellgebiet. In den 1940er-Jahren wollte der Gemeinderat den Waldweiher trocken legen, weil er zu einem unansehnlichen Sumpf verkommen war. Zehn Jahre später erstellten die Stadtbehörden auf Anregung des Quartiervereins eine Waldweiher-Anlage. Das städtische Forstamt renaturierte 1988 den Waldweiher im Käferbergwald, den Wolfgrimbach und den Teich beim Reservoir hinter dem Jägerhaus in Höngg. Man wollte im Wald das Naturerlebnis wieder stärken. Viele Spaziergänger vermissten die Natürlichkeit, es war mehr ein Park als ein Wald. An verschiedenen Orten nahm man Korrekturen der Wasserläufe und Gewässer vor. Der Waldweiher sollte amphibientauglich gestaltet sein, und zudem wollte man den Wolfgrimbach freilegen. Ziele des Projektes waren «Erhöhung der Artenvielfalt und Steigerung des Freizeitnutzens», wie es unromantisch hiess. Die Projekte stiessen auf breite Zustimmung, mit Ausnahme der BachFreilegung. Man befürchtete eine grosse Zahl Insekten, vor allem an heissen Sommertagen. Das Forstamt wartete ab, und erst im Jahr 2000 wurde der Wolfgrimbach auch im unteren Teil aus seiner Röhre befreit und in gartenähnlicher Art naturiert. An den Ufern pflanzte man einheimische Sträucher, die mit ihrem Wurzelwerk das Bachbett festigen. Der Bach plätschert munter zu Tale, und die Bänklein am Ufer laden zur Erholung. Am Wolfgrimweg begleitet nun ein fröhlicher Bach die Fussgänger.

Wolgrimbach beim GZ.

Wolgrimbach beim GZ.

 

Städtebauliches Kuriosum beim GZ

Munter plätschert der Wolgrimbach vom Überlaufbecken an der Waidstrasse zur Limmat – nur findet der Spaziergänger keinen Abfluss. Das letzte Stück beim Gemeinschaftszentrum ist baulich vorbereitet, bloss – wo ist der Bach? Beim Bau des Wipkingerparks bereitete man den Abfluss für den Wolfgrimbach in die Limmat vor. Der Bach hätte dann unterirdisch bei den neuen Häusern zwischen Breitensteinstrasse und Im Sydefädeli der Baugenossenschaft Denzlerstrasse durchfliessen sollen. Es gab technische Schwierigkeiten bei der Bachführung und unerwartet hohe Kosten, weshalb die Genossenschaft und die Stadt auf das Bach-Projekt verzichteten. Das Wasser des Wolfgrimbaches wird nun unterirdisch gefasst und abgeleitet.

 

Ein Bachbett ohne Bach: Der Abfluss beim Gemeinschaftszentrum Wipkingen wurde gebaut, als noch nicht klar war, ob der Bach zur Gänze durch Wipkingen fliessen wird.

Ein Bachbett ohne Bach: Der Abfluss beim Gemeinschaftszentrum Wipkingen wurde gebaut, als noch nicht klar war, ob der Bach zur Gänze durch Wipkingen fliessen wird.

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