Politik
Zeitspiel
30. September 2020 — Eingesandter Artikel
Ich spiele Handball; seit 37 Jahren, wie beim Saisonstart der Coach feststellte. Man geht auf’s Feld, begrüsst Gegner und Schiedsrichter (ja, die sind in den allermeisten Fällen männlich) und versucht dann 60 Minuten lang zu gewinnen.
Manchmal, wenn die Puste fehlt oder das Resultat bereits eindeutig ist und somit die Lust fehlt, sich als Angreifer in die gegnerische Abwehr zu werfen – denn das tut manchmal weh – spielt man einfach den Ball hin und her, ohne wirklich ein Tor erzielen zu wollen. Der Schiri lässt das allerdings nicht lange zu. Er gibt das Zeichen für Zeitspiel und wenn nach sechs Pässen kein Wurf aufs Tor erfolgt, pfeift er ab und die gegnerische Mannschaft erhält den Ball.
Etwas weniger lang – seit gut vier Monaten – sitze ich im Gemeinderat. Man geht in den Ratssaal, begrüsst sich, debattiert, behandelt Geschäfte, lehnt ab, nimmt an oder ändert sie und versucht zu gewinnen.
Ich kann nachvollziehen, dass der Minderheit im Rat manchmal die Luft ausgeht. Ich verstehe, dass nach dem x-ten abgeschmetterten Vorstoss die Motivation fehlt, sich erneut ins gegnerische Getümmel zu stürzen. Wenn dann aber Erklärungen über persönliche Befindlichkeiten abgegeben oder nach einem Votum zu einer Vorlage nationale Abstimmungsparolen propagiert werden, empfinde ich das als unsportlich und langweilig. Das hat im Gemeinderat nichts verloren! Dann vermisse ich jeweils die Schiedsrichterin oder den Schiedsrichter, der abpfeift und einen Ballwechsel anzeigt, wenn auf Zeit gespielt wird. Etwas mehr Sportsgeist würde dem Gemeinderat guttun!
Jürg Rauser, Gemeinderat Grüne 6/10
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