Poetisches Kleinkunst-Feuerwerk in der Labor-Bar

Mehrmals jährlich veranstaltet der Verein «La Poesia» in der Labor-Bar ein ganz besonderes Spektakel: Innerhalb nur eines Tages erarbeiten Künstlerinnen und Künstler verschiedenster Sparten ein gemeinsames Programm, das sie abends dem Publikum präsentieren. Am Montag, 6. Juni, war es wieder einmal so weit.

Tanz auf dem Hochseil: Katharina Dröscher.
Jamil Tafazzolian, mit roter Krawatte, bei der Besprechung mit den Musikern.
Wischmopp in Aktion.
Probe mit Wischmopp.
Alfred und Olga von der «Comedia Zap» reissen ihr Publikum mit.
Alfred und Olga von der «Comedia Zap» reissen ihr Publikum mit.
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Draussen ist es an diesem Montagnachmittag Anfang Juni ausnahmsweise einmal wunderbar sonnig und fast schon der Jahreszeit entsprechend warm, doch drinnen, in der Labor-Bar, ist von sommerlichem «dolce far niente» nicht viel zu spüren. Dunkel und ein wenig muffig ist es hier, es herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre unter den Anwesenden. Auf der Bühne stehen vier Musiker eng zusammen und diskutieren, eine Artistin wärmt sich mit Dehnübungen auf und ein Kabarettist tanzt engumschlugen einen Tango mit einem Wischmopp.

In kürzester Zeit etwas Neues entstehen lassen

Es ist 16.30 Uhr und bis zum Beginn der Vorstellung bleiben noch knapp vier Stunden. Bis um 20.15 Uhr wird sich die Labor-Bar füllen, dann werden sich rund 200 Menschen erwartungsfroh im Raum versammeln, um die neueste Ausgabe von «La Poesia» mitzuerleben. Bis dahin bleibt noch einiges zu tun, schliesslich haben sich die Musikerinnen und Musiker, die Artistinnen und Artisten und die Kabarettisten gerade erst kennengelernt. Der Vormittag gehörte den Technikern, die Licht- und Tonanlagen in dieser ehemaligen Materialprüfungshalle von Escher-Wyss, in der auch Kurt Aeschbachers Sendung produziert wird, installieren mussten. Seit 15 Uhr nun sind die Protagonisten des Abends versammelt und erarbeiten unter der künstlerischen Leitung von Jamil Tafazzolian ein abendfüllendes Programm.

Kultur für alle und Nachwuchsförderung

Der Zauberkünstler, der auch als Quartierarbeiter im Gemeinschaftszentrum Wipkingen tätig ist, hat vor zwei Jahren zusammen mit den anderen Mitgliedern des Vereins «La Poesia» erstmals einen derartigen Kleinkunstabend ins Leben gerufen, an dem Künstlerinnen und Künstler der verschiedensten Sparten gemeinsam mit Musikern ein spontanes Programm auf die Beine stellen. «Wir sind ein bisschen chaotisch, aber am Ende kommt immer etwas Spannendes dabei heraus. Es ist faszinierend zu sehen, was aus der improvisierten Situation entstehen kann», erklärt Sabine Ziegler, beim Verein für das Ressort «Partner und Hospitality» zuständig, während sie das künstlerische Treiben beobachtet. Und Tafazzolian ergänzt: «Mit ˂La Poesia˃ geht es uns einerseits darum, auch Personen mit einem geringeren Einkommen mittels Kulturlegi-Spezialpreis den Zugang zu qualitativ hochwertigen Kulturangeboten zu verschaffen. Andererseits betreiben wir Nachwuchsförderung und bieten bisher noch wenig bekannten Künstlern eine Bühne, auf der sie sich unter besonderen Bedingungen präsentieren können. Deswegen achten wir immer darauf, dass wir viele junge Künstler ins Programm nehmen, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Gleichzeitig legen wir bei der Auswahl der Darsteller Wert auf eine hohe Professionalität und ein gewisses Niveau der Darbietung – das sind wir unserem Publikum schuldig.» Wer ins Programm aufgenommen werde, so führt Tafazzolian weiter aus, sei völlig offen – eingeladen werde, was gefalle. Fix ist nur, dass immer drei oder vier Musiker mit von der Partie sind. Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Künstlern kennt der Verein nicht: «Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass es uns gibt, wir müssen bereits eine Warteliste für Künstler führen, die sich über einen Auftritt bei ˂La Poesia˃ freuen würden.»

Kreatives Schaffen mit viel Vergnügen

Auf der Bühne geht derweil das kreative Schaffen weiter. Der Tanz mit dem Wischmopp braucht musikalische Begleitung durch die neu zusammengesetzte Band, Alfred von der «Comedia Zap» erklärt den Musikern, wie er sich die Begleitung vorstellt. Einmal wird gemeinsam geprobt, das muss reichen. «Kurt, hast du das Licht so gespeichert?», wird der Techniker gefragt, dann kommt die nächste Szene an die Reihe. «Bis 18.30 Uhr feilen wir hier am Programm, anschliessend gibt es ein gemeinsames Abendessen – und dann geht’s los. Diese Nachmittage sind zwar stressig, aber für alle Beteiligten immer auch mit sehr viel Spass verbunden», erklärt Ziegler, und die zufriedenen Gesichter um sie herum beweisen, dass sie recht hat.

Eine runde Sache voller Leben

Um 20 Uhr hat die vergnügte Arbeitsatmosphäre dann einer spannungsgeladenen und erwartungsvollen Vorfreude Platz gemacht. Die Labor-Bar platzt schon fast aus allen Nähten, doch immer noch strömen Menschen in den Raum, verteilen sich auf den Sitzplätzen rund um die Bühne, an den Stehplätzen der Bar oder auf den Treppenstufen, die zur Galerie führen. Eisverkäuferinnen eilen durch die Reihen und bieten Sorbetto an, die Künstler und Künstlerinnen haben sich in den oberen Stock zurückgezogen und beobachten interessiert ihr Publikum. Tafazzolian ist mittlerweile bühnengerecht geschminkt und verkleidet, begrüsst Gäste und feilt noch ein wenig an der Moderation. Pünktlich um 20.15 Uhr geht das Licht aus, die Show beginnt.
Charmant und mit viel Witz und Poesie führt Taffazolian durch die Veranstaltung. Das Publikum ist bereits bei der ersten Nummer der Seiltänzerin Katharina Dröscher Feuer und Flamme. Auch das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern funktioniert bestens. Die drei Musiker, Ariel Rossi an der Gitarre, Roger Greipl am Saxophon und Ali Salvioni an der Percussion, sowie die Sängerin Stella Cruz begleiten Artisten und Kabarettisten so routiniert, als würden sie schon seit Jahren ein gemeinsames Ensemble bilden, überzeugen aber auch mit ihren Soloauftritten. Alfred und Olga von der «Comedia Zap» bringen das Publikum mit der Wischmoppnummer zum Lachen und verzaubern sie später mit ihrem Schattentheater, Handstandkünstler Hanno Burger und ein spontan aus dem Publikum geholter Jongleur bieten artistische Höchstleistungen und erhalten nach jeder Nummer begeisterten Applaus. Wie im Flug vergeht die Zeit an diesem rasanten Kleinkunstabend und schon nach anderthalb Stunden leitet Tafazzolian das grosse Finale mit einer Prise Magie ein. Dann ist der ganze Zauber vorbei, sehr zum Bedauern des Publikums, das so gar nicht den Eindruck erweckt, als hätte es Lust, nach Hause zu gehen.

Konzept kommt gut an – und macht Lust auf mehr

Doch als Trost für alle Unglücklichen: Die nächste Ausgabe von «La Poesia» kommt bestimmt. Was ursprünglich als ein- bis zweimalige Showeinlage geplant war, findet an diesem Abend bereits zum sechsten Mal statt – und wie dieser Abend waren auch die vorhergehenden Veranstaltungen bereits restlos ausverkauft. Das spontane Konzept voller Überraschungen, die qualitativ hochstehenden Darbietungen und die Nähe zwischen Darstellern und Publikum kommen bei Jung und Alt gleich gut an, viele Gäste sind bereits zum wiederholten Male hier. Wann genau es wieder heissen wird «Bühne frei für ˂La Poesia˃», ist noch unklar, doch allzu lang müssen sich die Fans der Veranstaltung sicher nicht mehr gedulden: «Unser Ziel ist es, die Veranstaltung regelmässig vier Mal pro Jahr anzubieten – sobald wir das notwendige Geld zusammen haben, legen wir mit der Planung für die nächste Ausgabe von ˂La Poesia˃ los», verspricht Tafazzolian. Voraussichtlich im September wird es soweit sein.

«La Poesia» in der Labor-Bar
Schiffbaustrasse 3
Voraussichtlich im September 2016 nächste Ausgabe
Infos unter: www.lapoesia.ch

 

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