«Ballett war und ist mein Leben»

Der Ballettmeister Daniel Otevrel war in der weiten Welt zu Hause, bis ihn sein Beruf nach Zürich ans Opernhaus brachte. Heute ist es das Quartier Wipkingen, in welchem er sich heimisch fühlt.

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Daniel Otevrel aus Deutschland arbeitet als Ballettmeister und erlebt Zürich als weltoffene Stadt.

Es ist gemütlich am Röschibachplatz, hier bin ich gerne. Gleich um die Ecke ist meine Wohnung und ich bin täglich aufs Neue von der Gegend begeistert. Vor rund drei Jahren brachte mich mein Beruf als Ballettmeister nach Zürich, aber erst seit einem Jahr lebe ich hier in Wipkingen. Zuvor wohnte ich auf der anderen Seite der Stadt, in Wollishofen. Das ist auch eine schöne Ecke, aber nicht vergleichbar mit dem «Röschi» und seinem Quartier.

Auch gute Freunde von mir wohnen in unmittelbarer Nähe. Hier kannst du mit ihnen in einem der Lokale gemütlich einen Milchkaffee trinken oder dich abends unkompliziert auf ein Bier treffen. Ich mag es auch, im Quartier herumzuschlendern, ein Buch im schattigen Landenbergpark zu lesen oder einfach die Seele am Limmatufer baumeln zu lassen. Ich bin gerne am Wasser, gerade im Sommer ist das unbezahlbar.

Meine Nachbarin, die schon lange hier zu Hause ist, sagt, dass das Quartier wie ein Dorf mitten in der Stadt sei. Dem kann ich nur zustimmen. Es lebt sich hier tatsächlich ungezwungen. Es ist auch ein Privileg, so zentral daheim zu sein. Schnell bin ich an meinem Arbeitsplatz, in der City oder am See. In der Stadt bin ich immer mit dem Velo unterwegs. Es sind ja nur Katzensprünge.

Geboren und aufgewachsen bin ich in Augsburg im grossen Kanton, wo meine Eltern nach ihrer aktiven Laufbahn eine Ballettschule führten. Ich war also schon von klein auf mit dem Ballett vertraut. Sie legten auch grossen Wert auf eine musikalische Erziehung. Es lag nahe, dass ich das Tanzen zu meinem Beruf machen würde, so sehr war ich vom Ballett fasziniert, so sehr wurde ich davon geprägt. In keinem Moment haben mich meine Eltern dazu gezwungen, ich hatte immer die freie Wahl. Ihre Unterstützung war wertvoll.

Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, einen anderen Beruf auszuüben. Es gab nur einen einzigen Moment, als die Frage aufkam, wie es wohl wäre, nicht zu tanzen, sondern einen anderen Beruf zu erlernen. Beispielsweise in der Pflege oder eine Aufgabe in einem Bereich mit Kindern. Es blieb bei diesem Gedanken. Ballett war und ist mein Leben.

Als Tänzer eröffnete sich mir ein weites Feld. Man kann sagen, dass ich von Berufs wegen in der Welt zu Hause war. Das Ballett brachte mich unter anderem nach New York, London und Tokio. Ein Leben als Tänzer kann sehr international sein. Besonders, wenn man das Glück hat, sein Talent immer wieder unter Beweis stellen zu dürfen. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Es liegt nicht in meiner Natur, hier mit Namen von Stücken, Choreographen oder Häusern zu prahlen. Alle Engagements waren in sich wichtig und einzigartig für mich. Müsste ich zwei Höhepunkte als Tänzer benennen, so war es eine grosse Ehre für mich, beim American Ballet Theatre an der Metropolitan Opera in New York und beim English National Ballet in London als Solist unter Vertrag gewesen zu sein.

Anfang dreissig beendete ich meinen Werdegang als aktiver Tänzer. Es ist kein Geheimnis, dass man das Ballett nicht bis ins hohe Alter ausüben kann. Aber wegen meiner Liebe zu dieser Kunst blieb ich dem Tanzen treu. In den darauffolgenden Jahren habe ich mir eine zweite Karriere als Ballettmeister und -lehrer aufgebaut. Auch diese Aufgaben führten mich erneut in die Welt hinaus, bis ich vor drei Jahren schliesslich nach Zürich kam.

Die Schweiz war mir nicht unbekannt. Als Kind verbrachte ich die Ferien oft in den Bündner Bergen, wo ich bis heute gerne wandern gehe. Und ich tanzte zuvor unter Vertrag am Theater Basel und im Stadttheater Bern, aber Zürich, das ich vorher nur von wenigen Besuchen her kannte, entdecke ich erst jetzt in vollen Zügen. Man sagt, dass es Leute aus dem Ausland in Zürich schwer haben, dass sie keinen Anschluss finden. Das habe ich so nie erlebt. Es fiel mir hier sehr leicht, einen Freundeskreis, auch ausserhalb der Arbeit aufzubauen. Ich erlebe Zürich als sehr weltoffene Stadt.

Es ist für mich in meiner Karriere ein weiterer Höhepunkt, im Opernhaus Zürich unter dem Ballettdirektor Christian Spuck zu arbeiten. Ich liebe meine Aufgaben und Herausforderungen dort sehr. Das Proben und Trainieren sowie die Betreuung der Choreographien bestimmen meinen beruflichen Alltag als Ballettmeister. Und wenn ich mit den jungen aufstrebenden Talenten arbeite, dann fiebere ich mit ihnen der Premiere entgegen, freue mich mit ihnen über eine tolle Leistung und feiere mit ihnen den gemeinsamen Erfolg.

Manchmal werde ich gefragt, ob ich es bedaure, nicht mehr zu tanzen. Das kann ich klar verneinen. Jeder hat seine Zeit und ich empfinde es als äusserst bereichernd, dass ich einer neuen Generation von Tänzerinnen und Tänzern mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben kann.

Immer im Herbst beginnt für uns Theaterschaffende die neue Saison und wir arbeiten leidenschaftlich für sie. Daher ist es wichtig, dass man in seiner Freizeit Ruhe und Entspannung findet. Beides habe ich in Wipkingen.

1 Kommentare


Heidi

19. November 2021  —  11:42 Uhr

Die ganz alten Freunde aus Augsburg hast du vergessen. Das nennt man untreu. HEIDI

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