Das etwas andere Haus

Das «Haus Alder» an der Trottenstrasse fällt auf: Mit seiner Fassade aus rohem Beton und Backsteinen hebt es sich deutlich von seinen Nachbargebäuden ab und fasziniert nicht nur Passant*innen, sondern auch Architekturstudierende. Was ist seine Geschichte?

Skulpturale Treppenanlage aus Sichtbeton.

Auf den ersten Blick wirkt es ein wenig so, als seien bei dem Einfamilienhaus, das direkt neben dem Neubau des Altersheims «Trotte» steht, die Bauarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen. Das Sockelgeschoss und das obere Stockwerk des Hauses bestehen aus blankem Beton, dazwischen zwei gemauerte Etagen aus Backsteinen, zwischen deren Fugen der Mörtel herausquillt. Ein Rohbau, ist man versucht zu denken. Doch der Schein trügt: Die Bauarbeiten sind bereits seit 2018 abgeschlossen, der Hauseigentümer lebt mit seiner Familie seit mittlerweile fast zwei Jahren in seinem Neubau. Das «nackte» Äussere ist Konzept. Andreas Fuhrimann, der Architekt, erklärt dem «Wipkinger» in einem Gespräch, welche Idee dahintersteckt.

Unverfälschtes Material und sichtbares Handwerk

«Das alte Wohnhaus, in dem die Familie Alder lebte», so Fuhrimann, «war Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut worden und musste vor einigen Jahren dringend saniert werden. Weil die Renovierungskosten den Aufwand für einen Neubau überstiegen hätten, entschloss sich der Eigentümer dazu, das Gebäude abzureissen und neu zu bauen.» Das mit der Planung beauftragte Architekturbüro von Gabrielle Hächler und Andreas Fuhrimann entwarf daraufhin das neue Haus, welches sich in seinem Erscheinungsbild an der bereits in den 60er-Jahren beliebten «architecture brut» orientiert. Es besteht nicht aus einem homogenen Material, sondern ist dual aufgebaut: Die geraden Wände der mittleren Stockwerke bestehen aus Backstein, die plastisch extravaganten Sockel- und Dachgeschosse mit Erkervorsprüngen und Attikarücksprüngen sind aus Beton gefertigt. Dabei bleiben die verwendeten Materialien roh und werden nicht hinter Putz versteckt. Im Beton bleiben so die einzelnen Schalungsplatten mit all ihren Rissen und Fugen sichtbar. Die Anordnung der Platten ist darüber hinaus nicht von den Architekten geplant, sondern von den Handwerkern nach der Zweckmässigkeit bestimmt. Besonders auffallend kommt die Nacktheit bei den Backsteinmauerungen zur Geltung: «Der Mörtel, der zwischen den einzelnen Backsteinen hervorquillt, soll der Mauer etwas Textiles verleihen. Wir machen hier bewusst das Handwerk sichtbar, lassen die Maurerarbeit so stehen, wie sie ausgeführt wurde – und nicht glatt gestrichen wie sonst üblich. Die Fassade wirkt dadurch wie <gestrickt>, und verändert sich optisch, je nach Einfall der Sonnenstrahlen», erklärt Fuhrimann. Eine aussergewöhnliche Bauweise, die selbst für die Maurer, die die Backsteine zusammenfügten, gewöhnungsbedürftig war: «Wir mussten die Handwerker ermutigen, die Fugen nicht auszubessern, zu glätten und zu verschönern, sondern das authentische Ergebnis ihrer Arbeit einfach stehen zu lassen», ergänzt der Architekt.

Ein durchgehender Raum vom Parterre bis zur Dachterrasse

Einzigartig ist nicht nur die Bauweise, auch die Gebäudestruktur überrascht. Baurechtlich wurde das maximale Volumen für das Gebäude ausgeschöpft und dabei so hoch wie möglich gebaut, um für die oberen Stockwerke die einmalige Aussicht über die ganze Stadt optimal ausnutzen zu können. «Dabei», so Fuhrimann, «ist der Wohnraum im Haus nicht horizontal, sondern vertikal organisiert. Zuoberst befindet sich der Wohn- und Essbereich mit Küche, in den darunterliegenden Stockwerken Schlafzimmer und Büroräumlichkeiten. Die einzelnen Räume und Stockwerke gehen fliessend ineinander über und sind in sich nicht abgeschlossen, die Treppen stellen die Erschliessung nach oben dar. Nur die Schlaf- und Badezimmer sind durch Schiebetüren vom Gesamtraum abtrennbar, alle anderen Räume sind verbunden.»

Heimelig trotz roher Wände

Der Dualismus zwischen zwei verschiedenen Bauelementen bleibt auch im Inneren des Hauses erhalten und sichtbar. So sind die mittleren Stockwerke mit den Backsteinmauern doppelt gemauert und auch innen unverputzt, lediglich die Fugen sind hier geglättet, was es einfacher macht, die Wände zu nutzen. Die Betonetagen dagegen sind gegen innen mit Holz verkleidet. «Dies», so Fuhrimann, «macht die Wohnräume bei aller Nacktheit ein wenig heimelig und hebt die Nüchternheit der rohen Wände wieder auf.» Die Eigentümer, so der Architekt, fühlen sich in ihrem einzigartigen Haus jedenfalls sehr wohl. Und für die Passanten und Nachbar*innen bietet es eine spannende Auseinandersetzung mit Ästhetik und Architektur.

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