Das Openair Wipkingen ist gerettet – vorerst

Bewilligungshürden und widrige Wetterumstände – dem Openair Wipkingen war das Glück in diesem Jahr nicht hold. Im Gegenteil: Der verregnete Anlass riss ein tiefes Loch in die Kasse des gleichnamigen Vereins: Das Openair stand vor dem Aus. Ein Crowdfunding schuf Abhilfe.

Nach dem Regen scheint die Sonne – und nach dem finanziellen Engpass konnte das Crowdfunding die nächste Ausgabe des Openairs sichern. (Foto: zvg)

Was einst ein kleiner Lokalanlass der Jugendarbeit war, hat sich in den vergangenen fast zwanzig Jahren zu einer festen Kulturinstitution im Quartier gemausert: Jährlich zählt das Openair Wipkingen zwischen 8000 und 10 000 Besucherinnen. Doch in diesem Jahr brachten widrige Umstände das Organisationskomitee des Vereins Openair Wipkingen an seine Grenzen – finanziell wie organisatorisch.

Meret Kaufmann, die seit rund drei Jahren OK-Mitglied ist, hat sich die Zeit genommen, dem «Wipkinger» von den Höhen und Tiefen der vergangenen Saison zu berichten – und einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Meret, vor welchen besonderen Herausforderungen stand das OK Wipkingen in diesem Jahr?
Meret Kaufmann: Die erste Hürde war die Bewilligung durch die Stadt. Diese wurde uns dieses Jahr erst einen Monat vor dem geplanten Termin erteilt. Der Grund hierfür war, dass das GZ Wipkingen momentan umgebaut und saniert wird und Teile der Wiese, die für das Openair genutzt wird, durch Container und provisorische Büros des GZs besetzt sind. Deshalb verweigerte die Stadt Zürich in einem ersten Anlauf die Genehmigung für das Openair. Gegen den Entscheid haben wir Einspruch erhoben und konnten uns anschliessend bei einer Sitzung mit der Stadt einigen, dass es doch durchgeführt werden könne. Allerdings unter bestimmten Bedingungen.

Welche Bestimmungen waren das?
Die Nutzung von Bodenschutzplatten wurde zur Bedingung gemacht, um den durch die anhaltenden Regenfälle arg strapazierten Rasen zu schonen. Die Kosten für die Miete dieser Platten ist jedoch enorm hoch: 25 000 Franken für ein zweitägiges Openair. Und das Verlegen ist auch nicht einfach. Um die Platten anzuheben und zu verlegen, braucht es pro Platte sechs Leute. Zum Glück kam uns die Stadt in diesem Punkt entgegen und übernahm für dieses Jahr sowohl Kosten als auch Montage der Platten. Der späte Zeitpunkt der endgültigen Bewilligung machte es erforderlich, dass wir innerhalb eines Monats das ganze Openair planen mussten – von der Suche nach Freiwilligen über das musikalische Line-up bis hin zu den Vorbereitungen des kulinarischen Angebots. Ein Kraftakt.

Aber ihr habt es geschafft. Doch dann kam der Regen …
Ja, dann regnete es an den beiden Festivaltagen vom 21. und 22. Juni nur noch. Und zwar in grossen Mengen. Das Line-up war zwar super, die Stimmung eigentlich auch sehr gut, doch der andauernde Regen machte es für alle Beteiligten sehr anstrengend. Für uns vom OK, für die Bands und Technikerinnen natürlich ebenso wie auch für die Gäste. Ich kann es niemandem verübeln, der nicht zur Veranstaltung gekommen ist. Es war eine grosse Anzahl an Gästen, die uns im Vergleich zum letzten Jahr fehlten. Wir haben ausgerechnet, dass wir rund 6000 Personen weniger hatten als in einem normalen Jahr.

Und diese 6000 Personen machten sich natürlich auch bei den Einnahmen bemerkbar.
Ja, schon während des Openairs haben wir gemerkt, dass wir mit den Umsätzen niemals rauskommen werden. Und da wir ja nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern so arbeiten, dass wir am Schluss gerade bei null rauskommen, standen wir danach vor einem grossen Problem. Es fehlte nicht nur Geld, um das kommende Openair zu finanzieren, sondern auch, um die offenen Rechnungen des vergangenen Jahres zu begleichen. Mindestens 30 000 Franken waren nötig, um alle Rechnungen bezahlen zu können. Und um im nächsten Jahr wieder ein Openair durchführen zu können, brauchten wir mindestens 50 000 Franken.

In den Kommentarspalten anderer Zeitungen sind bezüglich der Finanzierung des Openairs teilweise kritische Stimmen zu lesen. Die Veranstaltung müsse besser geplant werden, es müssten Reserven für solche Ereignisse wie den diesjährigen Regenfall geschaffen werden, ein Businessplan sei notwendig usw. Was sagt ihr dazu?
Solche Kommentare missverstehen die Idee hinter dem Openair. Wir sind ein ehrenamtliches Team mit grosser Unterstützung unzähliger Freiwilliger, das aus einem kleinen, familiären Anlass aus der Jugendarbeit innerhalb von 20 Jahren eine doch recht grosse Veranstaltung gemacht hat. Uns geht es darum, ein Stück Gratiskultur in unserem Quartier anzubieten, eine Veranstaltung zu organisieren, die allen offensteht und ein Gegengewicht zur Gentrifizierung der Stadtquartiere bietet. Wir möchten weder Tickets verkaufen noch Einlasskontrollen durchführen, sondern sind darauf angewiesen, dass unsere Gäste am Anlass konsumieren, das ist unsere einzige Einnahmequelle. Woher sollen da die angedeuteten Reserven kommen? Wir hatten dieses Jahr einfach Pech.

Aber auch wieder Glück: Das Crowdfunding, mit dem ihr Geld gesammelt habt, um die offenen Rechnungen bezahlen zu können, ist äusserst positiv verlaufen.
Ja, das war unglaublich schön zu sehen. Nach diesem Tiefpunkt mussten wir all unsere Kräfte zusammennehmen, um das Crowd-funding zu starten, möglichst schnell nach dem Event, damit die Leute sich noch daran erinnern. Das war nochmals sehr arbeitsintensiv und nervenaufreibend. Umso rührender war die Anteilnahme aus dem Quartier. Innerhalb von nur 48 Stunden hatten wir die ersten 30 000 Franken zusammen, das war echt unglaublich. Damit war klar, dass wir unsere offenen Rechnungen begleichen können. Nach einer Woche waren 40 000 Franken beieinander und innerhalb des vorgegebenen Monats haben wir unser Ziel von 50 000 Franken erreicht. 576 Personen haben insgesamt für das Openair gespendet, vom 5-Franken-Beitrag bis zur Grossspende von rund 2000 Franken.

Seht ihr diese Einnahmen als Bestätigung, um mit dem Openair weiterzumachen?
Definitiv. Das Geld ersetzt in diesem Jahr sozusagen das Feedback der Konzertbesucher*innen, die durch ihre gute Stimmung und die Freude am Anlass beweisen, wie dankbar sie sind. Das hat dieses Jahr gefehlt. Die Spenden sind für uns eine eindeutige Sympathiebekundung und motivieren uns sehr.

Ist das Openair Wipkingen jetzt gesichert?
Wir haben mit dem Crowdfunding unser Ziel erreicht. Aber damit sind wir noch nicht ganz auf dem Status quo vom letzten Jahr angekommen. Deshalb werden wir voraussichtlich im November noch einmal eine Soliparty veranstalten, um auch noch die restlichen finanziellen Mittel aufzubringen Dann werden wir auch bald das Gespräch mit der Stadt wieder aufnehmen, um die weitere Planung zu besprechen, ein Datum festzulegen und abzuklären, welche Auflagen für das nächste Openair gemacht werden. Eine weitere Schwierigkeit, die wir noch bewältigen müssen, ist die Rekrutierung von Freiwilligen. Um das Openair durchführen zu können, benötigen wir die Unterstützung von rund 300 Personen. Und diese sind, so unsere Erfahrung, seit Corona immer schwieriger zu finden. Auch für das OK sind wir noch auf der Suche nach Freiwilligen. Doch wir sind sicher, dass wir auch diese Hürden nehmen werden. Und dann bleibt nur noch zu hoffen, dass das Wetter im nächsten Jahr besser mitspielt.

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