Quartierleben
Das Wipkinger Kunstlabor
Anfangs September öffnete «nano – Raum für Kunst» seine Tore und präsentierte eine Ausstellung von vielen Wipkinger Kunstschaffenden – mit dem Quartier als Inspirationsquelle.
30. September 2020 — Lina Gisler
Vor eineinhalb Jahren wurde «nano – Raum für Kunst» in Wipkingen von den drei Künstlerinnen Maria Bill, Antonia Hersche und Regula Weber gegründet mit dem Ziel, künstlerischen Austausch zu fördern und zu unterstützen. Diesem Ziel unterliegt ein konkretes Konzept: Es werden immer zwei Kunstschaffende unabhängig voneinander eingeladen – «diese müssen den Raum gemeinsam bespielen», erklärt Bill. Die Art und Weise, wie die Künstler*innen effektiv zusammenarbeiten, sei sehr unterschiedlich, meint sie. Bei der Zusammenarbeit wie auch bei den Projekten im Allgemeinen seien die Kunstschaffenden aber sehr frei, sie dürfen ausprobieren, was sie wollen: «Wir sind eigentlich wie ein kleines Labor für Künstler*innen», betont Bill.
Kunst im Quartier
Seit dem Anfang von «nano» hatten die drei Frauen zudem die Idee, eine Ausstellung zu machen, in der das Quartier miteinbezogen wird. Bill sagt dazu: «Wir wollten das Quartier damit besser kennenlernen und eine Nähe schaffen zu den Menschen, die hier leben.» Für die Ausstellung «WIP-KINGE – EIN KLANG AUS DEM QUARTIER» haben sich die Künstler*innen, die alle in Wipkingen leben, mit diesem Quartier befasst und ihre Eindrücke und Einsichten in ihre Kunst einfliessen lassen. Das Programm, das am 18. September zu Ende ging, enthielt neben der klassischen Ausstellung auch Musikaufführungen, Führungen durch das Quartier, Lesungen sowie einen literarischen Spaziergang. Die Ausstellung beschränkte sich nicht nur auf den Raum an der Röschibachstrasse, sondern war im ganzen Quartier verteilt. So war die Fotoinstallation von Thomas Krempke rund um den Röschibachplatz verteilt. Auch der Bahnhof Wipkingen wurde zum Schauplatz eines Kunstprojektes von Christine Bänninger und Peti Wiskemann. Dabei arbeitete das Künstlerpaar für einen Tag am Schalter im Bahnhof Wipkingen. Gutscheine konnten gegen ein «Sehnsuchtsbild» eingetauscht werden, das vom Künstlerpaar kopiert, collagiert oder übermalt wurde. Das Projekt von Johanna Bossart war zwar im Raum von «nano» ausgestellt, es bezog sich jedoch auf Kunst im Quartier. Ausgangslage ihrer Arbeit bildete die Skulptur «Rotkäppchen» vom Tierbildhauer Uli Schoop, die im Landenbergpark ausgestellt ist. «Ich war viel in diesem Park und habe mir dann immer überlegt, wer diese Skulptur gemacht hat – und dann habe ich begonnen, über Uli Schoop zu recherchieren», erklärt Bossart. Aus den intensiven Recherchen wurde ein Archiv – «Bilder, die ich von Angehörigen bekommen habe, aus Bildarchiven sowie Zeitungsartikel». Um sich Uli Schoop und seiner Skulptur noch stärker anzunähern, hat sich Bossart, die ursprünglich Fotografin ist, dazu entschieden, selber eine Bronzeskulptur zu schaffen. Die Idee dabei war, sich mit dem Material zu beschäftigen, mit dem er selber sich so intensiv beschäftigt hatte. «Meine Skulptur ‹Mädchen und Wolf› ist meine persönliche Neuinterpretation von ‹Rotkäppchen›», sagt Bossart. Ihr Projekt wurde durch das Quartier insofern beeinflusst, dass sie immer ihre Umgebung in die Kunst einbeziehe: «Ich nehme sehr viel auf, was in meiner Umgebung passiert – darum bietet mir Wipkingen auch Geschichten für meine Kunst.»
Eine bequeme Bank
Auch die Künstler*innen Lukas Kurmann und Nelly Rodriguez fühlen sich beeinflusst durch Wipkingen – zumindest indirekt: «Weil wir in Wipkingen wohnen, beeinflusst dieses Quartier unseren Alltag – und somit auch unsere Kunst.» Wie bei allen Projekten der Ausstellung bildete auch für ihr Projekt Wipkingen den Anfangspunkt. «Wir haben etwas gesucht, was im Quartier an verschiedenen Orten ist – und haben uns dann für Bänkli entschieden», erklärt Rodriguez. Sie wählten das Bänkli, sagt Kurmann, «weil es ein Ort ist, der es erlaubt, innezuhalten und zu beobachten». Ihr Projekt bestand daraus, die Sitzbänke in Wipkingen zu testen, zu untersuchen und zu dokumentieren. Sie setzten sich dafür jeweils für sieben Minuten auf eine Bank und notierten sich alle Beobachtungen. Auf den ersten Blick erscheinen die Beschreibungen der Bänkli völlig objektiv – der Winkel der Sitzlehne wird beschrieben sowie die Gegenstände rundherum. «Aber ganz auslöschen kann man eine gewisse Selektivität nie», findet Lukas Kurmann. Somit entsteht ein Austesten der Grenze zwischen Subjektivität und Objektivität. Ein zweiter Teil der Arbeit wurde an der Ausstellung von den Besucher*innen schon rege genutzt: eine Bank, die vom Künstlerpaar selber gebaut worden war. Und nicht irgendeine Bank, sondern eine extrem bequeme Bank: «Durch das, das wir die Bänkli genau vermessen haben, den Winkel und die Sitzhöhe bestimmt haben, wussten wir ein bisschen, was bequem ist und was nicht. Mit diesen Erfahrungen bauten wir ein Bänkli, das wirklich bequem ist.» Nicht nur das Bänkli, sondern die ganze Ausstellung schien im Quartier auf grosse Zustimmung zu stossen – der Klang aus dem Quartier ist angekommen.
0 Kommentare