Institutionen
Der Dienstag gehört den Frauen
Beim Bundesasylzentrum an der Duttweilerstrasse betreibt das GZ Wipkingen einen Begegnungsraum. Er steht sowohl den Bewohnenden als auch der Quartierbevölkerung täglich zur Verfügung. Am Dienstag jedoch ist «Women Space» angesagt: Dann bleiben Frauen und Kinder unter sich.
4. Juli 2025 — Dagmar Schräder
Im Bundesasylzentrum an der Duttweilerstrasse, mitten im Kreis 5 und direkt neben dem Toni-Areal, finden Menschen ein temporäres Zuhause, die in der Schweiz Asyl suchen. Das BAZ, wie es kurz genannt wird, ist eines von sechs Zentren schweizweit mit Verfahrensfunktion. Das bedeutet, dass hier Geflüchtete untergebracht werden, bis vom Staatssekretariat für Migration (SEM) entschieden wird, ob auf ihren Asylantrag eingegangen wird oder sie einen negativen Entscheid erhalten und das Land wieder verlassen müssen. In der Regel verbringen die Bewohnenden maximal 140 Tage hier im BAZ, anschliessend sind die Kantone für die Unterbringung zuständig.
Direkt angrenzend an das BAZ befindet sich der Begegnungsraum (der «Wipkinger» berichtete). Dabei handelt es sich um ein von der Stadt finanziertes Projekt, dass sowohl den Bewohnenden des BAZ, als auch der Quartierbevölkerung seit 2019 offensteht. Das GZ Wipkingen hat die Betreuung des Raums im Auftrag der Stadt übernommen, drei Festangestellte wechseln sich hier ab, unterstützt von Freiwilligen und projektbezogenen Mitarbeitenden.
Waren es zu Beginn des Projekts noch vier Tage wöchentlich, an denen der Begegnungsraum seine Türen öffnete, so steht er mittlerweile täglich während mehrerer Stunden zur Verfügung. Neben organisierten Veranstaltungen bietet er einen offenen Treffpunkt, den alle frei nutzen können: In der Sitzecke kann man es sich bequem machen, an der Kaffeemaschine gratis Kaffee und Tee beziehen, oder in der kleinen Kochecke eigene Mahlzeiten zubereiten. Zudem gibt es hier Spiele, Bücher, Stifte und Bastelmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene.
Ziel des Begegnungsraums, so erklärt es Julie Saacke, eine der drei BAZ-Quartierarbeiter*innen des GZ, sei es, den im BAZ lebenden Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, zumindest etwas Stabilität zu vermitteln, einen niederschwelligen Ort für soziale Kontakte zu bieten, eine kleine Pause vom Alltag im Asylzentrum zu ermöglichen sowie Zugang zu Informationen und Vernetzung zu anderen Organisationen zu gewährleisten.
«Women only»
Das Angebot des GZ wird oft und gerne genutzt, täglich gehen hier Dutzende von Menschen ein und aus. Ein besonderes Angebot findet am Dienstagnachmittag statt: Dieser gehört nämlich ganz den Frauen und Kindern. An diesem Tag werden keine Männer im Raum geduldet, auch nicht, um kurz einen Kaffee zu holen. An diesem Tag sollen die Frauen unter sich sein, sich austauschen, vielleicht auch den Kontakt zu den GZ-Mitarbeitenden suchen können, wenn sie Probleme haben, die sie nicht vor oder mit den Männern besprechen.

Saacke, die für den «Women Space», wie sie das Angebot nennt, verantwortlich ist, erklärt, warum es solch einen Nachmittag braucht: «Der Raum ist aus unserer Sicht ein wichtiges Angebot, weil geflüchtete Frauen gleich mehrfach benachteiligt sind. Sie sind im Vergleich zu den Männern im BAZ in der Unterzahl, auch der Begegnungsraum wird übermässig von Männern genutzt. Für manche Bewohnerinnen ist es jedoch schwierig, den Treff zu besuchen oder nach ihren Bedürfnissen ihre Zeit dort zu gestalten, wenn Männer im Raum sind», so Saacke.
Die Erfahrung zeige, dass Tätigkeiten wie Tanzen oder Gespräche über sensible Themen, oft nur in einem Raum ausschliesslich für Frauen möglich sind. «Auch leben viele Bewohnerinnen eher isoliert im Zentrum und haben einen eingeschränkten Zugang zu Informationen und Angeboten.»
All dies versuchen die Mitarbeitenden zumindest in einem bescheidenen Rahmen zu ermöglichen. Dazu komme noch, so Saacke weiter, dass viele Eltern mit Kindern im BAZ leben und kaum Gelegenheit haben, das Zentrum ohne die Kinder zu verlassen. Das betreffe insbesondere die Frauen, so Saacke, weil sie den Grossteil der Betreuungsarbeit leisteten. Im Begegnungsraum haben sie zumindest die Möglichkeit, die Kinder spielen zu lassen, während sie einen Kaffee trinken. Manchmal, so Saacke, würde das Team auch kurze Kinderbetreuungen anbieten. In den Ferien gibt es zudem extra Angebote für die Kinder. Auch Freiwilligenorganisationen unterstützen und sorgen für Entlastung der Eltern.
Gemeinsames Kochen ist wichtig
Bei einem Besuch an einem Dienstagnachmittag Ende Mai wird das Angebot rege benutzt. Es herrscht ein friedliches und geschäftiges Kommen und Gehen, viele Mütter kommen mit ihren Kleinkindern und Babys schon kurz nach Öffnung des Raums um 14 Uhr vorbei, während die schulpflichtigen Kinder erst später dazustossen, sobald die Nachmittagsschule beendet ist. Die Kaffeemaschine läuft, auf den Tischen sind kleine Snacks und Früchte bereitgestellt.
Olivia Ruf, die stundenweise im Begegnungsraum mithilft, hat Ton vorbereitet. Den können die Kinder nun formen und bearbeiten, wer Hilfe und Anregungen benötigt, erhält sie von ihr. Wo keine gemeinsame Sprache gefunden wird, helfen Hände und Füsse – oder Google Translator auf dem Handy.
Ausserdem ist da auch noch Berivan Turan. Sie fungiert als interkulturelle Sprachvermittlerin und spricht Türkisch und Kurdisch – neben Farsi die Sprachen, die von den meisten Bewohnenden gesprochen werden. Das erleichtert die Kommunikation und den Austausch natürlich ungemein.
Doch auch die Lebensgeschichten verbinden: Berivan Turan hat Ähnliches erlebt wie die anwesenden Frauen und hat selbst vor einigen Jahren bei ihrer Ankunft in der Schweiz in einem Empfangs- und Verfahrenszentrum gelebt, wie die für die Aufnahme von Asylbewerbenden zuständigen Zentren damals noch hiessen. Daher bringt sie viel Verständnis für deren Situation auf. Und sie weiss genau, was für die Frauen wichtig ist und womit man ihnen am besten helfen kann. «Es freut mich, wenn ich dazu beitragen kann, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen», erklärt sie ihre Motivation, sich hier zu engagieren.
Eine dieser ganz wichtigen Brücken ist das Kochen. Auch heute haben sich mehrere Frauen hier getroffen, um für eine Freundin, die in einem anderen Zentrum wohnt und ein Kind erwartet, einen Kuchen zu backen. Selber kochen und backen können die Menschen im BAZ nicht, der Begegnungsraum bietet die einzige Möglichkeit dazu. Und die werde, so erklärt Saacke, sehr gerne und oft genutzt. «Ich merke, dass das gemeinsame Kochen und Essen ein sehr grosses Bedürfnis ist. Oft kochen sie grosse Mengen und verteilen das Essen dann an alle, die gerade zugegen sind.»
Brücken bauen
Eine Woche später, am selben Ort zur selben Zeit, ist die Situation viel ruhiger. Ein paar bekannte Gesichter von der letzten Woche lassen sich ausmachen, doch es wimmelt nicht so von Kindern wie noch vor sieben Tagen. An diesem Nachmittag ist Vanessa Thaler vom Bereich Bilden und Gestalten des GZ anwesend, die gemeinsam mit Saacke die Hauptverantwortung und Leitung des «Women Space» innehat. Sie lässt Kinder und Erwachsene kleine Ketten und Schmuckstücke kreieren. Es herrscht eine konzentrierte und friedliche Stimmung.

«Es ist jede Woche wieder komplett anders, wie der Raum benutzt wird», erklärt Saacke. «Es kann gut sein, dass gerade ein grösserer Transfer stattgefunden hat und deswegen viele der Besucherinnen vom letzten Mal nun gar nicht mehr hier sind.» Das erschwert die Arbeit im Begegnungsraum und macht es fast unmöglich, längerfristige Beziehungen aufzubauen. Meistens erfahren die GZ-Mitarbeitenden gar nicht, wann jemand «transferiert» wird – die Betroffenen werden selber erst sehr kurzfristig darüber informiert, wann und wohin sie umziehen müssen.
Doch manchmal kommen die Frauen auch zurück, selbst wenn sie nicht mehr im BAZ leben. Dann füllt sich der Raum mit neuen und bekannten Gesichtern. Auch Musik und Tanz, genauso wie gemeinsames Essen kommen vor. Schön wäre es, so findet Saacke, wenn auch noch mehr Menschen aus dem Quartier den Weg in den Begegnungsraum finden würden. Um noch weitere Brücken zwischen Kulturen und Lebensgeschichten schlagen zu können.
Begegnungsraum beim BAZ
Der Standort BAZ befindet sich gleich bei der Fussgängerbrücke Ecke Duttweilerstrasse 11/Pfingstweidstrasse.
Offener Treff:
Montag, 14–17 Uhr
Dienstag, 14–17 Uhr, WOMEN SPACE
Mittwoch,15–18 Uhr
Donnerstag, 14–17 Uhr
Freitag, 15–18 Uhr
Samstag, 19–21 Uhr
Sonntag, 14–17 Uhr
Kontakt:
Julie Saacke, Quartierarbeit, 077 524 60 87
Redaktionelle Beiträge von:
GZ Wipkingen, Breitensteinstrasse 19a, 8037 Zürich
Telefon 079 606 98 65,
Mail: karl-guyer@gz-zh.ch,
www.gz-zh.ch
0 Kommentare