Der Körper als Material

Teresa Vittucci ist 2019 und 2020 Young Associated Artist am Tanzhaus Zürich. Zudem zeigt das Haus am 14. Mai die Premiere ihres neuen Stücks «WE BODIES».

Teresa Vittucci
Das Monster als enger Verwandter des Wunders: Ein Phänomen, das unsere konstruierte Idee der Natur und der natürlichen Ordnung in Frage stellt.
1/2

Die Choreografin und Tänzerin lebt und arbeitet in der Stadt Zürich. 2018 wurde ihre künstlerische Arbeit von der Stadt mit einer Auszeichnung gewürdigt. Wir haben die engagierte Künstlerin für ein Gespräch getroffen und sie zu ihren Plänen befragt.

Du bist Young Associated Artist im Tanzhaus Zürich. Was hast du dabei vor?

Die Zeit als YAA ist für mich eine einzigartige Möglichkeit, meine künstlerische Praxis ohne direkten Produktionsdruck zu vertiefen. Sie erlaubt mir, prozess- und rechercheorientiert zu arbeiten und mich mit anderen Künstler*innen intensiv auszutauschen – und das nicht nur während Proben für ein neues Stück, sondern eben genau als Zeit der Vertiefung. Ich bin total froh über diese Zeit. Ich werde mich weiterhin mit den Themen Feminismus und Hass beschäftigen und Recherchereisen nach Montreal und Island machen. Ich plane auch eine Plattform für Parties ins Leben zu rufen, bei der sich Tänzer*innen, Choreograf*innen, Performer*innen und Publikum treffen, arbeiten, schwatzen und feiern!

Welche Bedeutung hat für dich das Tanzhaus Zürich?

Das Tanzhaus ist der Ort, an dem die meisten meiner Arbeiten entstanden und gewachsen sind und auch aufgeführt wurden. Es ist ein inspirierender Ort, lebendiger Begegnungsraum und Bewegungsraum, wo Tanz gelebt, gefeiert, hinterfragt und praktiziert wird, und zwar von sehr vielen sehr verschiedenen Menschen – von Kleinkindern, über Hobbydancestars zu professionellen Tänzer*innen und Denker*innen. Es ist mein künstlerisches Zuhause und eine riesige Bereicherung für die Zürcher Kulturszene!

Du hast im Mai eine Premiere im Tanzhaus, womit befasst du dich in «WE BODIES»?

Das Stück ist eine Kollaboration zwischen Claire Vivianne Sobottke aus Berlin, Michael Turinksy aus Wien und mir. In der Arbeit befassen wir uns mit Körpern und der Frage, wie Einschreibungen auf Körper einwirken. Mit Einschreibungen meinen wir Kategorisierungen wie Frau, Mann, fett, behindert, schön, hysterisch oder auch faul. Wir arbeiten dabei mit den Begriffen Wunder und Monster, die für uns sehr eng zusammenhängen. Wir sehen das Monster als engen Verwandter des Wunders, als ein Phänomen nämlich, das zunächst unsere konstruierte Idee der Natur und der natürlichen Ordnung in Frage stellt.

Wie sehen eure Probenprozesse aus? Wie arbeitet ihr an diesen Themen, um daraus ein Tanzstück zu machen?

In unserer choreografischen Arbeit gehen wir stark von den Eigenheiten und Limitierungen unserer drei unterschiedlichen Körper aus. Unsere Körper sind das Material, mit dem wir arbeiten. Bestimmte Formen und komplexe Bewegungsvorgänge, die im Allgemeinen als virtuos gelten, sind für manche Körper, die in unserer Gesellschaft als behinderte Körper gelten, nicht möglich. Dieses vermeintliche Scheitern, diese Einschränkungen und Limitierungen versuchen wir in einer choreografischen Sprache zu artikulieren, die ihre ganz eigene und neue Virtuosität entwickeln kann.

Eingesandt von Inés Maloigne

YAA – Young Associated Artist ist ein Mentoring-Programm, initiiert und gefördert von Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung. Das Programm bringt talentierte junge Choreograf*innen mit renommierten Schweizer Institutionen zusammen, um gemeinsam die künstlerische Arbeit und die internationale Karriere der Künstlerin voranzutreiben.

Teresa Vittucci (*Wien) absolvierte das Wiener Konservatorium, die Ailey School, die Salzburger Experimentalakademie für Tanz (SEAD) und die Universität der Künste Bern, wo sie ihren Master in Expanded Theater erhielt. Seit 2013 entwickelt sie mit ihren Werken UNLEASH (2012), LUNCHTIME (2015), ALL EYES ON (2017) und HATE ME, TENDER (2018) eine Solopraxis. Sie arbeitete mit verschiedenen Künstlern und Institutionen zusammen, darunter das Staatstheater Mainz, das Tanzhaus Zürich, Simone Aughterlony, Marie Caroline Hominal, Trajal Harrell, Gil und Nils Amadeus Lange, mit denen sie das Duo U BETTA CRY (2013) kreierte. Ihre Arbeiten wurden an den Schweizer Tanztagen 2015 und 2019, Tanzhaus Zürich, Gessnerallee Zürich, les urbaines, brut Wien – imagetanz, Impulse Theaterfestival WUK Performing Arts, Manifesta 12 und vielen anderen präsentiert. Teresa hat das ImPulsTanz danceWEB-Stipendium 2013 (Ivo Dimchev), das Auslandsstudienstipendium des Österreichischen Kulturministeriums (BKA), das STARTstipendium des BKA sowie die TURBOResidency bei ImPulsTanz 2014 und 2018 erhalten. Für ihre Arbeit als herausragende Performerin wurde sie von der Stadt Zürich mit dem Anerkennungspreis ausgezeichnet.

0 Kommentare


Themen entdecken