Der kommunale Mindestlohn hält nicht, was er verspricht

Keines der erhofften Ziele wird dadurch erreicht, im Gegenteil. Ein mittlerweile ziemlich gealtertes Bonmot aus dem Schweizer Politvokabular lautet «Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut».

Working Poor ist eine Realiät, die ein kommunaler Mindestlohn aber nicht ändern kann. (Symbolbild/Freepik.com)

Die Grünliberalen teilen mit der linken Mehrheit im Gemeinderat ein gemeinsames Ziel: Alle, die hier arbeiten, sollen sich das Leben in Zürich leisten können. Die Gesellschaft hat selbstverständlich ein Interesse an fairen Löhnen. Die linke Ratsmehrheit hat sich aus ideologischen Gründen jedoch zu einem nicht zielführenden Mittel entschieden: dem kommunalen Mindestlohn von 23.90 Franken pro Stunde, beziehungsweise 26 Franken, inklusive Ferienentschädigung. Was sich im ersten Moment vernünftig anhört, schiesst in Wirklichkeit weit an diesem hehren Ziel vorbei. Deshalb lehnt ihn die Grünliberale Partei ab.

Nicht zielführendes Mittel zur Armutsbekämpfung
Gut 4 Prozent der Arbeitnehmer in Zürich verdienen unter 23.90 Franken und die meisten davon gelten nicht als armutsgefährdet, da sie im Haushalt mit Gutverdienenden zusammenleben. Wichtiger als der Stundenlohn in Bezug auf die Armut ist das Arbeitspensum und insbesondere die Haushaltssituation. Armutsgefährdet sind in erster Linie getrennt lebende Eltern und Familien mit tiefen Haushaltseinkommen, auch wenn sie mehr verdienen. Sie können von der Massnahme überhaupt nicht profitieren. Der Mindestlohn hilft demnach nicht den Working Poor, welche die Unterstützung am meisten benötigen. Die gewerkschaftliche Idee eines Mindestlohns auf kommunaler Ebene ist auf der falschen Flughöhe angesiedelt.

Der Mindestlohn würde nur in der Stadt Zürich gelten. Nicht in Schlieren, nicht in Adliswil und auch nicht in Wallisellen. Für viele Firmen würde die neue Regelung in einem komplizierten Mikromanagement resultieren. Auf kommunaler Ebene sind auch nur minimale Sanktionsmöglichkeiten vorhanden, liegen doch die Maximalbussen bei wenig abschreckenden 500 Franken. Auf kantonaler Ebene wäre er sicher besser angesiedelt. Aus diesen Gründen ist bisher in keiner Schweizer Gemeinde ein Mindestlohn eingeführt worden. In Kloten wurde die Initiative abgelehnt.

Mindestlohn ist ein Angriff auf die Sozialpartnerschaft

Weiter greift der Mindestlohn die Sozialpartnerschaft frontal an. Im Gegensatz zum Kanton Basel-Stadt sind bei der hiesigen Vorlage die Gesamtarbeitsverträge nicht ausgenommen. Diese ausgeklügelten Übereinkünfte zwischen Verbänden und Gewerkschaften garantieren beispielsweise Lohnerhöhungen nach Weiterbildungen und sie enthalten bereits stufengerechte Mindestlöhne. Sie ermöglichen es, den einzelnen Branchen und Firmen gemeinsam mit den Arbeitnehmenden auf mittel- und langfristige Entwicklungen flexibel einzugehen und so auch eine Arbeitsplatzsicherheit mitzutragen. Der staatliche Mindestlohn funkt direkt in dieses bewährte und gut funktionierende System hinein.

Bürokratiemonster
Der Mindestlohn würde ein weiteres Bürokratiemonster in der Stadt Zürich schaffen. Um wie viel der staatliche Apparat zu Kontrollen der Löhne von 500 000 Beschäftigen in 45 000 Unternehmen wachsen würde, lässt sich nur mutmassen. Unseren Antrag für ein Kostendach von 1 500 000 Franken pro Jahr lehnte der Gemeinderat jedenfalls ab. Mit unzähligen Kontrollen müssten demnach die Lohnbuchhaltung von Firmen durchleuchtet werden. Damit würden auch diese mit zusätzlichen Umtrieben belastet, und so geriete die Produktivität in Mitleidenschaft. Kein Wunder lehnen die Wirtschaftsverbände der Stadt die Vorlage vehement ab und unterstützen das Referendum. Von einem Kompromiss kann nicht die Rede sein.

Ausserdem besteht die Gefahr, dass Stellen für schlechter Qualifizierte in kleinen Betrieben schlicht und einfach verschwinden. Wie reagieren die Arbeitgeber*innen auf steigende Lohnkosten? Sie versuchen, höhere Preise durchzusetzen und produktiver zu werden und wenn das nicht gelingt, streichen sie die Arbeitsstelle oder müssen in die Agglomeration ausweichen. Der kommunale Mindestlohn hält nicht, was die Befürworter*innen sich von ihm versprechen. Zur Armutsbekämpfung taugt er nicht, dafür besteht die Gefahr von Stellenverlusten. Er greift unnötig in die gut funktionierende Sozialpartnerschaft ein. Er ist aufwendig und sehr teuer in der Umsetzung.

Um ihn zu verhindern, muss die Stimmbevölkerung den Gegenvorschlag zur Initiative «Ein Lohn zum Leben» ablehnen. Die Vorlage kommt am 18. Juni zur Abstimmung.

Ein Artikel von Georg Schmidbauer, Mitglied des Vorstandes der GLP 6/10 und der GLP Stadt Zürich.
und
Ronny Siev, Gemeinderat GLP Kreis 10

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