Gesundheit
Die Altersmedizin hat sich bewährt
Mit der Universitären Klinik für Altersmedizin bietet das Stadtspital Zürich ein spezialisiertes Angebot für betagte Menschen. Das wird insbesondere in der Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Alterstraumatologie Zürich deutlich.
15. Dezember 2024 — Daniel Diriwaechter
«Hochbetagte Patient*innen sind beeindruckend», sagt Dr. med. Berta Truttmann. «Diese Menschen mögen sich im letzten Lebensabschnitt befinden, aber sie haben das Leben gemeistert und sind inspirierend.» Truttmann ist die Chefärztin der Universitären Klinik für Altersmedizin, einer Abteilung des Stadtspitals Zürich.
Universitäre altersmedizinische Abteilungen sind in der Schweiz noch selten. Das Angebot, ansässig im Stadtspital Zürich Waid, gilt für die ganze Stadt. «Wir helfen den Menschen mit unserem Know-how, erhalten aber auch viel zurück», so die Ärztin. Die Lebenserfahrung und die Gelassenheit der Patient*innen sei sehr beeindruckend.
Ein zentraler Aspekt in der Universitären Klinik ist die ganzheitliche Versorgung: von der Notaufnahme über die akute Behandlung bis hin zur Akutrehabilitation und ambulanten Nachsorge. So entsteht ein gemeinsamer Weg: «Patient*innen im hohen Alter müssen besonders vorsichtig behandelt werden, wir sprechen dabei von ‹frailty›, der Gebrechlichkeit», so Truttmann. «Wir ‹veredeln› sozusagen die Arbeit der Chirurgen.»
Ziel ist es, die Menschen durch den spezialisierten altersmedizinischen Behandlungsansatz so schnell wie möglich zurück in ihre Selbstständigkeit zu führen.
Eine wichtige Kategorie
Das Stadtspital Zürich betreibt seit 2012 das Zentrum für Alterstraumatologie Zürich am Standort Waid, das auf Verletzungen durch Stürze, insbesondere Frakturen Hochbetagter spezialisiert ist. Es handle sich oft um Schenkelhals- oder hüftgelenknahe Brüche, hinzu kämen Becken- oder Rippenbrüche. Oft begleitet von Herausforderungen wie Blutverdünnung oder bestehenden Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson.
Hier arbeiten Fachleute der Chirurgie und Altersmedizin von Beginn an eng zusammen, um den besonderen Bedürfnissen der älteren Patient*innen gerecht zu werden. «Eine herkömmliche chirurgische Abteilung ist für hochbetagte Menschen nicht ideal», sagt PD Dr. med. Michael Dietrich, Co-Leiter Zentrum für Alterstraumatologie, der zugleich auch Klinikleiter Orthopädie, Hand- und Unfallchirurgie ist. Dietrich bezeichnet die Alterstraumatologie heute auch als ein Aushängeschild des Stadtspitals. «Diese interdisziplinäre sowie personalintensive Behandlung hat sich bewährt.»
Die Erfahrung in den letzten Jahren zeige: Mit der Alterstraumatologie kann eine tiefere Sterbe- und Komplikationsrate nachgewiesen werden. Zudem: Studien aus Deutschland untermauern den Nutzen solcher Behandlungsansätze, die dort bereits verpflichtend sind.
Jährlich zählt das Stadtspital Zürich rund 680 Patient*innen, die im Zentrum für Alterstraumatologie am Standort Waid behandelt werden, sagt Truttmann. Sie alle werden vom Fachpersonal in diese Kategorie «eingeteilt». In der Regel sind das Menschen ab 80, sie können aber auch jünger sein. «Wir wissen, dass das Label der Altersmedizin nicht gerade schick ist», sagt Dietrich. Daher könne es vorkommen, dass jemand zunächst skeptisch reagiert.
«Wir erwidern dann, dass die Person eine hochspezialisierte Behandlung erhalten wird und sich gleich zwei spezialisierte Fachdisziplinen um sie kümmern, das ist ein Luxus», so Truttmann. Alle Zweifel würden dann verschwinden. «Die Menschen erfahren, wie gut unsere Behandlung wirkt.» Eine Leistung, die von der Krankenkasse abgedeckt ist.
«Suchen, suchen, suchen»
Truttman wie auch Dietrich erwähnen einen weiteren Vorteil der intensiven Behandlung: «Selbstverständlich haben wir unsere medizinischen Ziele, aber es gibt auch die individuellen Ziele der Patient*innen, diese müssen wir erfahren und zuhören», sagt Dietrich. Man nehme die Menschen in der Klinik ernst und sei oft überrascht. Der betagte Mensch sei meist nicht nach dem Lehrbuch behandelbar.
«Manchmal ist es auch paradox, manche sehr kranke Menschen fühlen sich erstaunlich wohl, viele ruhen in sich, das imponiert uns», erzählt Truttmann. Es gibt auch Hochbetagte, die sich nicht mehr richtig verständigen können, die verwirrt sind. «Die Kunst ist dann, die Verletzungen und die Krankheiten zu finden, das bedeutet suchen, suchen und suchen.» Auch die Kooperation mit der Familie und dem Umfeld sind äusserst wichtig.
Patient*innen wie Angehörige erleben sowohl in der Universitären Klinik für Altersmedizin als auch im Zentrum für Alterstraumatologie stabile und engagierte Teams. «Viele Mitarbeitende arbeiten seit Jahren in der Alterstraumatologie und schätzen den Austausch mit den Patientinnen», sagt Dietrich. Gerade in der Pflege könne die Fluktuation hoch sein, doch hier sei das nicht der Fall. «Die Mitarbeitenden haben sich bewusst für die Arbeit mit älteren Menschen entschieden, das trägt zur Stabilität bei.
Es sind Erfahrungen, die weitergegeben werden: Die Kliniken fördern die Aus- und Weiterbildung in der Altersmedizin und der Alterstraumatologie. Als universitäre Einrichtung bildet sie Medizinerinnen und Pflegekräfte aus.
Die Universitäre Klinik für Altersmedizin und das Zentrum für Alterstraumatologie des Stadtspitals Zürich zeigen, wie wichtig ein spezialisiertes Angebot für eine alternde Gesellschaft ist. Die Kliniken sind überzeugt, dass sich diese Ansätze langfristig nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich auszahlen. Denn sie ermöglichen es, Patient*innen schneller zu stabilisieren, Komplikationen zu vermeiden und eine Rückkehr in die Selbstständigkeit zu fördern.
0 Kommentare