Die katholischen Vereine in Wipkingen

In den 1920er-Jahren gründete die katholische Kirche Wipkingen eine ganze Reihe Vereine. Einer der wenigen, den es heute noch gibt, ist der Katholische Frauen- und Mütterverein Guthirt.

Der heutige Vorstand des Frauen- und Müttervereins Guthirt im 100-Jahr-Jubiläum: (v.l.n.r.) Sonja Nietlisbach, Judith Hüser, Marianne Federer und Jeannine Erismann. Der Frauenverein Guthirt hat heute 134 aktive Mitglieder und ist ein wichtiger Teil der Pfarrei geblieben. (Foto: zvg)

Die katholische Kirche hatte sich zum Ziel gesetzt, die vielen neu zugezogenen Schweizer und Ausländer, insbesondere Italiener, im reformierten Zürich vermehrt heimisch werden zu lassen. 1823 zählte man in Wipkingen 25 Katholiken, 1870 waren es 93. Danach stieg ihre Zahl rasant, bei der Eingemeindung 1893 lebten hier rund 500 «Katholische». Sie besuchten den Gottesdienst in der Liebfrauenkirche. Der Wunsch nach einer eigenen Kirche regte sich, dies war aber undenkbar und auch nicht opportun. Man wusste sich zu helfen: Basilius Vogt, Pfarrer von Liebfrauen, begründete einen Religionsunterricht für katholische Kinder, der im Hinterzimmer der «Rose» stattfand, an der heutigen Hönggerstrasse 25.

In den 1920er-Jahren traten die Wipkinger Katholiken offener in Erscheinung. Sie wurden stets etwas geschnitten; die Reformierten blieben unter sich und hielten sachte Distanz. Lisbeth America-Kistler erinnert sich: «Als ich 1928/29 in die 5. Klasse kam, erhielten wir einen neuen Lehrer, und damit hatte ich viel Kummer. Denn zu der Zeit war die Stadt Zürich protestantisch, der Lehrer gegen die Katholiken. Und ausser mir war in der Klasse nur noch Mary Herber von der Glaserei an der Breitensteinstrasse katholisch.» Man wusste eben, welcher Bäcker katholisch war; und die Hausfrauen kauften ihre Brote entsprechend ein.

Der Verein, der in den 1920er-Jahren am meisten zu reden gab, war der katholische Fussball-Sportclub Rapid. Er ging hervor aus dem Jünglings-, Männer-, Gesellen- und Arbeiterverein Guthirt, mit tatkräftiger Unterstützung des ersten katholischen Pfarrer Josef Rupf als Präsidenten. Hartnäckig hielt sich im Quartier das Gerücht, der Pfarrer «tschutte» in den Auswärtsspielen selber mit, was Stirnrunzeln auslöste. Der Fussballclub schlug sich wacker und erfocht einige respektable Siege in ausländischen Turnieren.

Josef Rupf war die treibende Kraft hinter den neuen Vereinen. Gesellschaftliche und musische Vereine lagen ihm am Herzen. In den 1920er-Jahren entstanden in rascher Folge der Mütter- und Frauenverein, das Männerapostolat, die Jungfrauenkongregation und die Bruderschaft der Skapulier. Den Gesang in der Kirche pflegte der Cäcilienverein, der katholische Kirchenchor. 1926 folgte der Arbeiterinnen- und Dienstbotenverein.

Angetan war Rupf auch von der körperlichen Ertüchtigung. Die katholischen Jünglinge turnten in der Männerriege, es gab einen katholischen Turnverein, und die Buben marschierten jeden Samstag zur städtischen Pfadfinderabteilung Werner Stauffacher. Mit Hilfe eines Feldmeisters des katholischen Pfadfinderkorps gründete Josef Rupf den Wipkinger Pfadfinderzug Morgarten, später folgte dann die Mädchenvereinigung Blauring Guthirt.

Bereits vor der Kirchenweihe bestanden der Oblatenverein des heiligen Benedikt, die Abstinenzliga und ein Jugendbund. Kirchenpolitisch relevant war die Korporation des Pfarramt Guthirt, bestehend aus der Katholischen Kirchenpflege, dem Katholischen Männerverein, dem Elisabethenverein und dem Vinzenzverein. Mit diesen Vereinen nahmen die katholischen Wipkinger Anteil am gesellschaftlichen Leben im Quartier, und das taten sie wirksam.

Zäher Beginn

Das Verhältnis zwischen den Religionen war in Wipkingen schwierig geworden, nachdem Pfarrer Rupf den «Neuhof» gekauft hatte. Die beiden gewichtigsten katholischen Vereine waren der Piusverein und der Kirchenbauverein. Der Piusverein leitete den Religionsunterricht in der «Rose». Basilius Vogt kaufte im Namen des Piusvereins den «Neuhof» (heute Ecke Höngger/Rosengartenstrasse), in dessen hinterem Teil eine Notkapelle als provisorische Kirche eingerichtet werden sollte.
Im Neuhof gegenüber dem alten Kirchlein vergnügte sich das Dorfvolk in der Bierhalle, im hinteren Teil lagen Stallungen mit Futterkrippen für Pferde der durchziehenden Postkutsche, und im Seitengebäude befand sich der einzige Saal der Gemeinde, in dem der Männerchor übte, Vereine ihre Versammlungen abhielten und wo Musik und Tanz angesagt war.

Das Dorfvolk hatte der katholischen Finanzkraft nichts entgegenzusetzen, und so ging der «Neuhof» 1898 für 131 500 Franken an den Piusverein. Pfarrer Basilius Vogt richtete die Notkapelle ein, und ab 1910 fanden regelmässig Messen statt. Es wurde nicht goutiert, dass die Katholiken den einzigen Tanzsaal der Gemeinde in Beschlag nahmen. Zumal Basilius Vogt mit dem Kirchenbauverein bereits 1912 ein Areal für die ersehnte Guthirt-Kirche gefunden hatte: Neben dem Schulhaus Nordstrasse erstand der Verein für 100 000 Franken Wiesland mit Obstbäumen just auf der «Spöndliwiese», wo die jährliche Wipkinger Chilbi stattfand.

Die vielen Vereine waren kein Selbstzweck, sondern man wollte die Integration der Zugezogenen selber fördern und vor allem eine eigene Kirche bauen – den späteren Guthirt. Mit der Ernennung von Josef Rupf zum Vikar im Oktober 1919 nahm der Kirchenbau rasch Formen an. Rupf sammelte mit viel Geschick und Überzeugungskraft Geld für die neue Kirche, und mit städtischer und kirchlicher Hilfe nahm die Guthirt-Kirche Gestalt an; am 25. Juni 1922 legte Pfarrer Basilius Vogt den Grundstein, und bereits am Rosenkranzfest am 7. Oktober 1923 eröffnete der Bischof von Chur, Georgius Schmid von Grüneck, die neue, schöne Guthirt-Kirche.

Der reibungslose Verlauf von Bau und Einweihung des Guthirt ebnete auch den Weg für die Ökumene in der Gemeinde. Vier Jahre nach dem Bau schlossen sich die reformierte Gemeindekrankenpflege und die katholischen Krankenpflege zum ersten ökumenischen Werk in Wipkingen zusammen.

Ein Verein mit Frauenstimmrecht


Als einer der wenigen Vereine aus dieser Zeit hat der Katholische Frauen- und Mütterverein Guthirt überdauert. Die alten Protokolle und Jahresberichte zeigen, wie solidarisch, initiativ und fleissig die Frauen damals schon waren. Um die Jahrhundertwende gab es den Mütterverein Liebfrauen. Der Katholische Frauen- und Mütterverein bildete zusammen mit der Pfarrei Guthirt die Volksmission.

Der Mütterverein Liebfrauen führte eine Flugblattaktion im Quartier durch und lud alle katholischen Mütter und Frauen zu einer Veranstaltung ein. Eine «grössere Anzahl Mütter» fand sich zur Gründungsversammlung ein, berichtet das Protokoll. Der Bischof von Chur, Georgius Schmid von Grüneck, nahm am 2. August 1924 die kanonische Einrichtung vor. Zuvor fanden zwei Versammlungen statt, an der ein Vorstand samt Präsidium gewählt wurde. Erste Präsidentin war Frau Häfeli. Es war Usus, dass man den Vornamen nicht im Protokoll erwähnte.

Im Juni 1924 hatte nach der Flugblattaktion die erste Versammlung stattgefunden, an der 67 Frauen teilnahmen. Als Kirchenvertreter war Pfarrer Rupf als Präses anwesend, eine damals gängige Benennung der Sitzungsleitung. Ein Jahr später waren es bereits 122 Mitglieder. Anstelle eines Jahresbeitrags wurde eine Hauskollekte erhoben. Erst 1958 führte der Verein einen Mitgliederbeitrag von vier Franken ein.

Ausser in der Politik hatten Frauen vor hundert Jahren an vielen Orten Stimm- und Wahlrecht, so in Vereinen, in Korporationen und einigen Genossenschaften. Auch bestand vielerorts ein Vertretungsrecht. In der Brunnengenossen-
schaft Wipkingen beispielsweise erbten Witwen das Stimmrecht der verstorbenen Ehemänner. Auch im Katholischen Frauenverein Guthirt hatten die Frauen Stimm- und Wahlrecht.

Die Wipkingerinnen nahmen ihre Verantwortung ernst. An den ersten zwei Versammlungen in der Unterkirche wurde beschlossen, an jedem 3. Sonntag im Monat eine Vortragsveranstaltung durchzuführen. Die Mitglieder warben für mehr Präsenz an den Monatskommunionen und für die Kinder sollten Weihnachtsbescherungen wie Strümpfe, Hemden oder Spielsachen angefertigt werden.

Am Berchtoldstags-Gottesdienst am 2. Januar übergab der Frauenverein feierlich die Geschenke. Am 26. Dezember, dem Stephanstag, gab es eine Kinder-Feier im Kasino Unterstrass. 1925 wurden Einkäufe für 407 Franken getätigt und 420 Weggen à 20 Rappen ausgegeben. Im Protokoll der Vorstandssitzung ist festgehalten, dass der Präses diese Einkäufe als zu teuer taxierte. Die Frauen kümmerte dies offenbar wenig, denn in den Folgejahren stieg der Betrag für Geschenke weiter an.

Kirchliche und weltliche Tätigkeiten

Im Jahresbericht von 1926 der Krankenkasse von Liebfrauen, St. Anton und Guthirt findet sich der Eintrag: «Keine Frau sollte der Krankenkasse fern bleiben. Der Monatsbeitrag beträgt Fr. 1.50.» Von den 207 Mitgliedern gehörten 43 Frauen zu Guthirt. 24 Frauen erhielten Krankengeld von 1451 Franken für 738 Krankheitstage. Frauen von kinderreichen Familien konnten den Monatsbeitrag oft nicht aufbringen und verloren so den Leistungsanspruch. Ihnen wurde vom Frauenverein Guthirt geholfen. «Der Frauenverein ist der wichtigste Verein der Pfarrei», gab Präses Rupf zu Protokoll.

Die Präsidentinnen des Frauenvereins Guthirt

1924 – 1928 Frau Haefeli
1928 – 1933 Frau Weber
1933 – 1939 Frau Kurz
1939 – 1970 Frau Zehnder
1970 – 1990 Josy Huber
1990 – 1997 Marianne Tschanz
1997 – 1998 Marianne Birri und Emmy Schönbächler
1998 – 2003 Emmy Schönbächler
2003 – heute Marianne Federer

Quellen

Wipkingen – Seine Kirchen im Laufe der Zeit, Franz Bösch, 1983.
Martin Bürlimann, Kurt Gammeter: «Damals», Wibichinga Verlag, 2024.
Archiv Pfarreizentrum Guthirt, Wipkingen

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