«Die Menschen sollen ihr Leben geniessen können»

Aktiv sein und bleiben trotz Aufenthalt in einem Alters- oder Pflege­zentrum? Geht das? Ein Gespräch mit Eva Rempfler, Eventmanagerin des Aktivierungsteams im Riedhof - Leben und Wohnen im Alter.

Die Eventmanagerin Eva Rempfler nimmt sich für die Bewohner*innen Zeit. (Foto: zvg)

Viele Menschen sind auch im höheren Lebensalter noch sehr aktiv, wie die Beispiele im Artikel «Was heisst schon alt» zeigen. Und alle drei der Befragten sind sich einig, dass die Aktivitäten einen grossen Teil zu ihrer Gesundheit beitragen. Doch wie sieht es mit den Bewohner*innen eines Alters- oder Pflegezentrums aus? Welche Möglichkeiten stehen ihnen hier zur Verfügung – und welche Bedürfnisse haben sie? Eva Rempfler ist als Eventmanagerin im Alterszentrum Riedhof dafür zuständig, Anlässe zu organisieren. Im Gespräch mit dem «Höngger» gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit.

Wer in ein Alters- oder Pflegezentrum einzieht, der/die gibt damit auch die Verantwortung über gewisse Teilbereiche des eigenen Lebens ab – ob freiwillig oder unfreiwillig. Einerseits erleichtert dies das Leben, andererseits bedeutet das auch, plötzlich weniger zu tun zu haben, weniger Aktivitäten nachzugehen. Wie begegnen Sie im Riedhof dem Bedürfnis nach einem ausgefüllten Leben und nach Tagesstrukturen?

Eva Rempfler:
Wir haben im Haus eine Abteilung, die für die Aktivierung zuständig ist. Da ist zum Beispiel unsere klassisch geschulte Aktivierungstherapeutin, die ein tägliches Programm anbietet. Das erstreckt sich vom Lottospielen über das Wäschefalten und Malen bis hin zu den Yogalektionen und dem Turnen im Haus. Das sind fixe Termine, die eine gewisse Routine bieten. Diese werden täglich kommuniziert, am Anschlagbrett und auf einer Wandtafel, die im Speisesaal morgens aufgestellt wird.

Und wie wird das Angebot genutzt?

Es ist immer ungefähr der gleiche Kreis von Leuten, der diese Angebote nutzt. Allerdings hat sich die Arbeit für die Aktivierungstherapeutin in den letzten Jahren entscheidend verändert. Sie kann bei Weitem nicht mehr das gleiche Angebot durchführen wie noch vor vier oder fünf Jahren, als beispielsweise noch viel Handarbeit angeboten wurde und die Bewohner*innen selbstständig an der Nähmaschine tätig waren. Heute muss sie die Teilnehmenden viel engmaschiger betreuen.

Wie lässt sich das erklären?

Wie die anderen Altersinstitutionen merken auch wir sehr deutlich, dass sich der Zeitpunkt des Einzugs in eine Alters- oder Pflegeeinrichtung immer weiter verschiebt. Die Menschen, die zu uns kommen, werden immer älter. Noch vor der Pandemie war es so, dass viele Bewohner*innen zum Zeitpunkt des Eintritts in unsere Institution körperlich und auch geistig noch sehr fit waren. Viele kamen hierher, weil sie es genossen, nun nicht mehr selber für Haushalt, Kochen und Wäsche zuständig zu sein, sie nahmen die Dienstleistungen des Hauses in Anspruch, verfolgten gleichzeitig aber auch ihr eigenes Programm weiter, machten individuelle Ausflüge, trafen ihre Freunde – man könnte fast sagen, sie hätten bei uns wie in einem Hotel gelebt. Doch das hat sich geändert. Heute kommen die Leute oft erst, wenn es zu Hause nicht mehr geht, sie nicht mehr alleine leben können und im Alltag professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Da sind sie dann auch in punkto Aktivitäten schon eher eingeschränkt.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Wir verfolgen hier im Haus mittlerweile die Philosophie, grundsätzlich vom klassischen Begriff «Aktivierung» abzurücken, wir sind vielmehr der Auffassung, dass die Menschen, die hier leben, nicht mehr um jeden Preis «aktiviert» werden müssen. Unserer Ansicht nach hatten alle Bewohner*innen schon genügend Aktivitäten in ihrem Leben und sollen und wollen die Zeit hier einfach nur noch geniessen dürfen, ohne irgendwelche Verpflichtungen. Ich verstehe meine Aufgabe als Eventmanagerin daher weniger als Aktivierung, sondern eher als Bestandteil des «Teams Lebensfreude».

Was muss man sich darunter vorstellen?

Lebensfreude versuchen wir auf allen möglichen Ebenen zu vermitteln, durch ein schönes Ambiente, durch das kulinarische Angebot, durch Ausflüge oder durch ein breites Spektrum an Veranstaltungen, wo möglichst für jeden Geschmack etwas dabei ist: von der Schlagermusik über die Grillnachmittage bis hin zum Dixie-Brunch. Oder wir fahren die Bewohner*innen mit den E-Bikes, mit unseren Rikschas, aus. Damit können wir sehr viele Leute erreichen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, auch einfach die Zeit zu haben, für die Menschen da zu sein, mal zu jemandem hinsitzen zu können und zu reden und die individuellen Bedürfnisse abzuholen. So können wir auch Ideen für Aktivitäten, die von den Bewohner*innen selber kommen, spontan aufgreifen und umsetzen. Das erscheint uns sinnvoller als ein starres Aktivitätenprogramm.

Was heisst schon alt?

Mit über 80 Jahren noch einen Marathon laufen? Oder mit fast 70 anfangen, den Bizeps zu trainieren? Einer der Ältesten im Männerchor sein? In dieser Folge der Serie «Wertvolle Jahre» porträtiert der «Höngger» Menschen, die auch im höheren Lebensalter noch voller Energie stecken und ihre Ziele verfolgen:

Hier den Artikel lesen.

Im Fokus: Wertvolle Jahre

Der «Höngger» veröffentlicht in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.

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