Die offene Jugendarbeit und die Jugendlichen in dieser ausser-gewöhnlichen Zeit

Jugendliche konnten sich lange Zeit nur noch in Fünfergruppen treffen und mussten ihre Schulzeit in ihren eigenen vier Wänden bewältigen.

Aufsuchende Jugendarbeit

Das Team der OJA Kreis 6 & Wipkingen stand nach dem Lockdown vor der anspruchsvollen Aufgabe, seine Arbeit weiterzuführen, durfte sich gleichzeitig aber nicht in den Jugendräumen mit den Jugendlichen treffen. Viele Jugendliche haben das Bedürfnis, im öffentlichen Raum Gleichgesinnte zu treffen oder mit ihnen etwas zu unternehmen. Es wurden unterschiedliche Jugendliche befragt, wie sie die so ausserordentliche Zeit erlebt haben.

«Am Anfang habe ich mich mega gefreut, dass wir Corona-Ferien haben, weil ich nicht über die Hintergründe nachgedacht habe», erinnert sich Nilanti*. Im ersten Moment war ihr nicht klar, dass sie über eine lange Zeit ihre Freunde nicht mehr so einfach sehen kann. «Und alles war zu, McDonalds und alle Läden. Und auch die OJA war zu», erzählt eine Gruppe von Jugendlichen. «Und meine Party bei der OJA wurde abgesagt», ergänzt Thalia. Junior* hatte in dieser Zeit Geburtstag. Ihm stellte sich die Frage «Was machen wir jetzt? Es dürfen nur vier Leute kommen, aber am Schluss sind trotzdem mehr gekommen. Wir sind in den Wald gegangen und die Polizei ist gekommen, aber sie sagten uns nur, wir sollen einfach leise sein und sie sind wieder gegangen». Für den Jugendlichen war es zuhause ein bisschen schwierig. «Meine Mum hatte mega Angst vor dem Coronavirus.» Sie hatte Mühe damit, dass er immer raus wollte. «Kannst du nicht einfach zuhause bleiben», insistierte sie. «Ich bin trotzdem immer wieder raus gegangen mit den Kollegen und der Freundin.» Seine Freundin konnte aber nicht zu ihm nach Hause kommen. Und er habe seine Sachen immer im Keller lassen müssen, seine Schuhe, seine Jacke, seine Pullis.

Die Umstellung nach dem Lockdown war für alle OJA-Teammitglieder eine Herausforderung. Die Mitarbeiter*innen, welche Kinder haben, mussten von einem Tag auf den anderen alles unter einen Hut bringen, die Arbeit für die Offene Jugendarbeit, die Kinderbetreuung inklusive Homeschooling. OJA-Mitarbeiter Marius Maurer meint dazu: «Plötzlich mussten alle zuhause bleiben und sich ganz neu orientieren. Die Einstellung des Schulbetriebs hat mich zuhause vor grössere organisatorische Hürden gestellt.» Die Jugendarbeiterin Michela Pezzini erinnert sich: «Ich vermisste während dieser Zeit den direkten Kontakt zu den Jugendlichen. Das war schon komisch, da wir sonst immer Betrieb gewohnt sind.»

Das OJA-Team und auch die Gesamtinstitution mussten ihre Arbeit neu organisieren. Die Präsenz auf Social Media wurde ausgebaut, um mit den Jugendlichen weiter in Kontakt zu bleiben. Die Jugendarbeiterin Mirjam Rühle-Velásquez hat schon bald den wöchentlichen Tanzkurs von den OJA-Räumlichkeiten auf Instagram verlegt, und die Jugendlichen konnten mit ihrer Tanzlehrerin von zuhause aus mittanzen und ein bisschen Normalität in ihre vier Wände bringen. Seit Ende Mai kann der Tanzkurs wieder in den OJA-Räumlichkeiten vor Ort durchgeführt werden. Alessia meint dazu: «Ich habe wieder begonnen in der OJA zu tanzen, da bin ich mega froh» (und lacht).

Mirjam Rühle-Velásquez fand es eigenartig. Sie habe einerseits die Jugendlichen nicht mehr live gesehen, andererseits hätte sie fast mehr Kontakt zu den einen Jugendlichen gehabt als in der normalen Zeit, vor allem mit den Jugendlichen, welche Veranstaltungen mit der OJA organisieren oder die Kurse besuchen. «Alles schriftlich oder per Sprachnachricht über verschiedene Apps.»

«Jede Woche gingen wir meistens zwei Mal in der Woche auf <aufsuchende Jugendarbeit>» erzählt Michela Pezzini. Zwei OJA-Mitarbeiter*innen suchten in den Quartieren die Jugendlichen im öffentlichen Raum an unterschiedlichen Orten auf. Zu Beginn der Krise leisteten sie im Gespräch vor allem Sensibilisierungsarbeit, erzählt Marius Mauerer. «Mit andauernder Krise gingen die Gespräche bei der «aufsuchenden Jugendarbeit» eher in Empfindungsfragen über.»

Jugendliche erzählen uns, es sei schlimm gewesen, die Eltern seien manchmal ausgerastet und es hätte Streit gegeben. Lilian erzählt, dass ihre Mutter gesagt habe, sie dürfe so oft mit ihr streiten, wie sie wolle, weil sie es verstehen könne. «Ich habe eigentlich immer rausgehen können, ausser wenn ich Hausarrest hatte.» Aber sie hätte trotzdem nicht so viel nach draussen können, weil die andern nicht rausgehen durften.

Rona ist es bis jetzt ziemlich gut gegangen in der Quarantäne. «Ich vermisse meine Freunde, natürlich. Ich finde es gut, dass die OJA in dieser Zeit trotzdem aktiv ist und zum Beispiel Live-Tanzkurse anbietet.» Dea fand es gut, dass sie mehr schlafen konnte. Und Lilian fand es sehr anstrengend, dass man alles einteilen musste. Die Frühlingsferien hat Nilanti* als sehr langweilig in Erinnerung. «Vor allem für meinen Jahrgang ist es schade, dass wir keinen richtigen Abschluss haben. Weil, alles wurde ja gestrichen, kein Klassenlager, keine Ausflüge, kein Abschlusssommerfest, fast gar nichts.» Alessia hat wieder begonnen, Kolleginnen zu treffen. «Ich freue mich sehr, dass ich einfach raus gehen kann, dass ich wieder Sport treiben kann, ich mich mit Leuten treffen kann, ohne zu denken, oh mein Gott, wir können zur zu fünft sein. Wir lernen, dass nicht immer alles perfekt ist und dass wir vielleicht für irgendwas oder für irgendjemanden etwas Kleines machen können, zum Beispiel aus Solidarität zuhause zu bleiben und nicht viel raus gehen.» Sie findet, wir lernen etwas dabei, wenn wir eine gewisse Zeit, wenn es nicht gut geht, einfach warten und Geduld haben können.

Seit den Lockerungen ab dem 8. Juni ist in der OJA Kreis 6 & Wipkingen für die Jugendlichen wieder vieles möglich unter Beachtung der aktuellen Schutzmassnahmen. Das freut das ganze OJA-Team und die Jugendlichen.

* Die Namen der Jugendlichen wurden gegen einen Namen ihrer Wahl
geändert.

0 Kommentare


Themen entdecken