Politik
Die Velovorzugsroute darf keinen Verkehrsinfarkt verursachen
Das Auto verliert an Dominanz, aber verschwinden wird es nicht. Und das Velo wird nicht das neue Auto für jede Situation. Denken wir innovativ, damit beide Verkehrsmittel aneinander vorbeikommen. Wie wäre es mit Blauen Zonen in der Tiefgarage?
22. September 2022 — Eingesandter Artikel
Zukünftig soll eine Velovorzugsroute vom Stadtrand über Höngger und Wipkinger Quartierstrassen (Im Sydefädeli) bis zum Wipkingerplatz führen, so plant es der Stadtrat. Eine Mehrheit der Bevölkerung will bessere Velorouten und hat sich 2020 an der Urne für solche «Vorzugsrouten» ausgesprochen.
Das Problem bei der Umsetzung ist: Die verfügbare öffentliche Fläche ist zu knapp, um sämtliche Wünsche einzelner Gruppen zu berücksichtigen. Fakt ist, dass die Zahl der Einwohnerschaft steigt, ihr Motorisierungsgrad jedoch gleichzeitig langsam seit über zwei Jahrzehnten sinkt.
Mit anderen Worten: Der Individualverkehr auf vier Rädern verliert an Dominanz. Fakt ist aber auch, dass die Zahl der Pendelnden parallel dazu kontinuierlich steigt – in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus. Zweimal pro Tag und fünf Tage in der Woche verursacht dies bereits einen Verkehrskollaps auf den Hauptachsen der Stadt. Das ist die Ausgangslage für die Verkehrsplanung.
Die Limiten des Velos
Ich selber begreife mich nicht als besonderen Freund des PWs, schon gar nicht seines grossen Bruders, des SUVs. Ich sehe und anerkenne aber die Limiten des Velos als «Allroundfahrzeug»: Im Winter, bei Regen und Kälte, für Ältere, Handicapierte, Spitex, Eltern mit Kleinkindern, Schichtarbeitende oder für Transporte und das Gewerbe.
Erstes Problem: Der Individual- und der öffentliche Verkehr laufen am Limit. Zwei grüne Seitenstreifen zur Kennzeichnung der Veloroute werden nichts an der Tatsache ändern, dass sich in der Regensdorferstrasse ein Grossteil des Quartierverkehrs bis zum Rütihof sammelt und dazu noch der Verkehr aus dem Furttal.
Die Streifen werden viele Velofahrende in falscher Sicherheit wiegen, das Velo habe auf dem markierten Abschnitt irgendeine Art von Zusatzrecht. Gefährliche Szenen auf dem Abschnitt Meierhofplatz und Regensdorferstrasse mit Auto, Tram oder Bus sind so vorprogrammiert. Die Vorzugsroute vom Rütihof nach Wipkingen muss nicht auf Biegen und Brechen immer als durchgängiges Band gestaltet werden.
Zweites Problem: Dass diese neuen Velorouten hauptsächlich zulasten von Parkfeldern gehen, lässt sich kaum vermeiden. Die Alternative wäre Bus- und Tramspuren oder Baumreihen zu opfern – eine Unmöglichkeit. Ob tatsächlich jeder einzelne der mehreren hundert Blauen Zone-Parkplätze auf diesen Strecken aufgehoben werden muss, bleibt zu diskutieren.
Konkret sollen für die Vorzugsroute 219 Blaue Parkplätze im Kreis 10 ersatzlos wegfallen. Im Sydefädeli würden alle 32 Blauen Parkplätze gestrichen. Man wird das Gefühl nicht los, dass eine Gelegenheit «genutzt» wird, um radikal zusammenzustreichen.
Die Anwohner der Ackersteinstrasse in Höngg haben mittlerweile dem Stadtrat den konstruktiven Vorschlag gemacht, die Parkfelder nur auf einer Strassenseite aufzuheben. Der Stadtrat sollte diesen Vorschlag ernst nehmen. Blaue Parkplätze sind kein Menschenrecht, klar. Man darf aber auch nicht vergessen: Die ganze Bausubstanz in der Stadt von vor Mitte der 1970er-Jahre ist nicht auf so viele Autos ausgelegt, wie heute vorhanden sind – trotz des leichten Rückgangs des PW-Bestandes der letzten Jahre.
Welche neuen Wege könnte die Stadt gehen?
Wie wäre es mit flexiblen Parkplätzen, verteilt im Quartier, die tagsüber primär Handwerkern, Lieferanten, Gewerbe, Spitex und weiteren, und am Abend, in der Nacht sowie am Wochenende dann der Anwohnerschaft zur Verfügung stehen? Wieso geht die Stadt nicht auf die Privaten zu und verhandelt mit ihnen über Blaue Parkplätze in teilweise heute schlecht ausgelasteten Tiefgaragen, eventuell sogar mit Ladestation?
Wolfgang Kweitel, Vorstandsmitglied Die Mitte Kreis 6 + 10
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