Ein Begegnungsraum im Bundesasylzentrum

Seit dem November vergangenen Jahres unterhält das GZ Wipkingen im Bundesasylzentrum an der Duttweilerstrasse 11 einen Begegnungsraum, in dem sich Bewohnende und Quartierbewohner*innen treffen und austauschen können.

Im Spiel eine Auszeit vom Alltag nehmen.

Im November 2019 wurde an der Duttweilerstrasse im Kreis 5 das neue Bundesasylzentrum (BAZ) eröffnet. Es bietet Platz für 360 Asylbewerbende und ist eines von sechs Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion schweizweit, in denen in der Schweiz ankommende Asylsuchende während der Dauer ihres Verfahrens untergebracht werden. Alle Menschen, die hierzulande Asyl beantragen, werden in einem dieser Zentren untergebracht.

BAZ mit Besonderheiten

Im Zürcher Asylzentrum ist allerdings einiges ein wenig anders als in den übrigen: Es ist nicht nur schweizweit das einzige, das mitten in der Stadt, im urbanen Raum, erstellt wurde, sondern auch das einzige, das einen öffentlich zugänglichen Raum beinhaltet, der als Treffpunkt dienen soll. Während das eigentliche Asylzentrum von Aussenstehenden nicht betreten werden darf, soll es dieser Raum, der in einer Pilotphase nun erstmals für zwei Jahre finanziert wird, ermöglichen, dass sich Geflüchtete und Menschen aus dem Quartier in einem offenen Rahmen begegnen. Die Stadt Zürich hat für diesen Raum die Gemeinschaftszentren mit der Koordination beauftragt.

Ein vielseitiges Team

Das Team des Begegnungsraums (v.l.n.r.): Jonas Isenring, Samuel Bürgin und Jenny Bolliger.

Das Team des Begegnungsraums (v.l.n.r.): Jonas Isenring, Samuel Bürgin und Jenny Bolliger.

 

Jenny Bolliger, Jonas Isenring und Samuel Bürgin bilden das Team, das gemeinsam für das soziokulturelle Angebot zuständig ist. Bolliger, soziokulturelle Animateurin mit mehrjähriger Erfahrung im Flüchtlingswesen, ist seit September 2019 zu 70 Prozent im Gemeinschaftszentrum Wipkingen angestellt. Sie hat das Angebot des Begegnungsraums mit aufgebaut und war die ersten Monate alleine dafür zuständig. Seit Juli dieses Jahres hat sie Unterstützung durch Jonas Isenring und seit September durch Samuel Bürgin erhalten. Dadurch können das Angebot und die Öffnungszeiten kontinuierlich ausgebaut werden. Isenring, ursprünglich Ethnologe, ist zu 60 Prozent in der Quartierarbeit tätig und hat durch seine mehrjährige Tätigkeit bei der Asylorganisation Zürich (AOZ) ebenfalls bereits Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten. Er wird in Zukunft schwerpunktmässig daran arbeiten, die partizipativen Aktivitäten und Angebote im Raum auszubauen sowie die Begegnungsmöglichkeit im Quartier noch besser bekannt zu machen. Bürgin, der gerade sein Studium der Sozialen Arbeit an der ZHAW mit dem Schwerpunkt Migrationsthemen abgeschlossen hat, wird Angebote für unbegleitete Minderjährige gestalten.

Spontan zusammenkommen, kochen, essen, spielen

An vier Nachmittagen pro Woche sowie am Samstagabend ist der Raum für «offene Treffen» geöffnet. Dann ist stets jemand vom Team oder eine freiwillige engagierte Person anwesend und der Raum steht Bewohnenden wie Quartierbevölkerung zur Verfügung. «An diesen offenen Treffen können die Leute einfach vorbeikommen, spontan und ohne Voranmeldung, es steht eine Teeküche und eine Kaffeemaschine zur Verfügung, wir haben eine Sofaecke mit Kinderbüchern, es kann gemalt und gebastelt werden», erklärt Bolliger. Für die Bewohnenden des BAZ ist das eine Möglichkeit, sich mal auszuklinken aus dem Alltag in der Unterkunft, mit den Kindern ein paar Spiele zu spielen oder auch Familie und Bekannte zu treffen, die bereits in der Schweiz wohnen. «Sehr gerne nutzen die Bewohner*innen des BAZ auch die Gelegenheit, hier gemeinsam zu kochen und zu essen. Im Asylzentrum wird ihnen das Essen zur Verfügung gestellt, da haben sie keine Möglichkeit, selbst etwas zuzubereiten», ergänzt Bolliger.

 

Gemeinsam essen und sich austauschen.

Gemeinsam essen und sich austauschen.

 

Anlässe koordinieren – gemeinsam mit Freiwilligen

Neben den offenen Treffen stehen im Begegnungsraum auch immer wieder besondere Anlässe auf dem Programm – wie zum Beispiel Bastelnachmittage, Musik und Vorträge oder auch mal eine Zaubervorführung. Mit den Jugendlichen plant Bürgin zudem, regelmässig aus dem Zentrum raus ins Quartier zu gehen, zum Fussballspielen am Freitagnachmittag etwa. Organisiert werden diese Anlässe aber nicht nur vom Team selbst, sondern auch von einer ganzen Reihe von Freiwilligen aus dem Quartier: «Es ist schön zu sehen, dass es eine grosse Anzahl an Organisationen oder Gruppierungen gibt, die sich für die Asylsuchenden einsetzen wollen und bei uns etwas anbieten möchten – von Kunstprojekten durch Studierende der ZHdK über gemeinsame Mittagessen bis hin zu Sprachkursen», erklärt Bolliger. «Diese Art von Treffen zwischen den Menschen aus dem Quartier und den Asylsuchenden funktioniert bereits sehr gut», freut sie sich.

Ständig wechselndes Publikum

Etwas schwieriger sei es dagegen momentan noch, die Quartierbevölkerung zu den offenen Treffen einzuladen, sagen alle drei, «da zögern die Leute wohl eher, weil sie hier ja niemanden kennen.» Und kennenlernen kann man die Menschen hier auch kaum, da sie aufgrund der beschleunigten Verfahren höchstens noch 140 Tage im Zentrum sind, bevor sie entweder einen negativen Asylbescheid erhalten oder aber an eine kantonale Einrichtung weiterverwiesen werden. Es gehe daher bei ihrer Arbeit vor allem darum, schöne Momente zu schaffen – und nicht um Integration oder Aufbau von Beziehungen. Die einzige Konstante bei uns im Begegnungsraum», so Isenring, «ist die, dass unser Publikum völlig inkonstant ist.» Um gelungene Momente und spontane Begegnungen zu erleichtern, plant das Team unter anderem, auch den Aussenraum ihres Treffpunkts noch mehr zu gestalten und zu bespielen, damit die Quartierbevölkerung ein wenig die Hemmung verliert, vorbeizukommen.

Schwerpunkte definieren

«Weil das Angebot des Begegnungsraums noch so jung ist und ein Pilotprojekt darstellt, müssen wir auch generell ausprobieren, was hier überhaupt möglich ist, gewünscht und gebraucht wird – von den Menschen aus dem Quartier sowie von den Bewohner*innen des BAZ», ergänzt Bolliger. «Es geht darum, unsere personellen und zeitlichen Ressourcen am sinnvollsten einzusetzen: Möchten wir den Raum so oft wie möglich den Geflüchteten zur Verfügung zu stellen oder setzt man einen Schwerpunkt auf Anlässe mit der Quartierbevölkerung und sucht die Einbindung ins Quartier? Das sind Fragen, die wir erst im Verlauf dieser Pilotphase, die erstmals auf zwei Jahre beschränkt ist, konkretisieren können», so Bolliger weiter. Die Pionierarbeit, die das Team leistet, ist also noch längst nicht abgeschlossen. Doch eins ist sicher: wegdenken möchte sich den Begegnungsraum niemand mehr.

0 Kommentare


Themen entdecken