Ein Haus mit Geschichte

Das Haus am Kranzweg 9 und Gässli 18 wurde im Jahr 1525 erbaut und gehört zu den ältesten Gebäuden Hönggs. Dem Denkmalschutz war aber entgangen, das Haus zu inventarisieren. Erst ein Baugesuch brachte das Versäumnis ans Tageslicht.

Nach der Renovation kommt das Fachwerk wieder zur Geltung. (Foto: Dagmar Schräder)

Der Kranzweg gehört zu den idyllischsten Strässchen im Zentrum Hönggs. Der schmale, leicht versteckte Weg verbindet die Bläsistrasse mit der Gsteigstrasse. Wer dort entlang schlendert, fühlt sich unwillkürlich in eine andere Zeit zurückversetzt. Genauso wie am Gässli, das vom Meierhofplatz parallel zur Gsteigstrasse verläuft und diese in der grossen Kurve schneidet. Genau dort, wo das Gässchen auf den Kranzweg trifft, befindet sich eines der ältesten Häuser Hönggs.

Georg Sibler bezeichnet dieses in seiner «Ortsgeschichte Höngg» sogar als das «älteste erhalten gebliebene Privathaus von Höngg». Erbaut wurde das Gebäude im Jahr 1525. Damals stand das auf der anderen Strassenseite der Gsteigstrasse liegende «Haus zum Kranz», das heutige Ortsmuseum, bereits: Es wurde 1506 erbaut. Doch im Gegensatz zu diesem Repräsentationsbau, der vom Fraumünster-Kloster erstellt worden war, stellt das Haus am Kranzweg ein «damals gewöhnliches Bauernhaus» dar, typisch für die «damaligen Durchschnittsbauten in einem Dorf bei der Stadt Zürich», wie der «Höngger» im Jahr 1993 zu berichten wusste. Erbaut wurde es als Ständerbau mit Bohlenwänden, die später, im Laufe des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, durch Fachwerk und Mauern ersetzt wurden. Nur rund die Hälfte des Gebäudes wurde als Wohnhaus genutzt, der talseitige Teil des Hauses diente als Scheune.

Das Haus am Kranzweg 9 im Jahr 1990. (Foto: Baugeschichtliches Archiv Zürich)

In Höngg ist noch viel Platz

Zu den Zeiten, in denen das Haus erbaut wurde, war Höngg noch ein kleiner Weiler: Betrachtet man alte Karten aus dem 16. Jahrhundert, sind im Dorfkern nur rund 30 Häuser zu finden, die sich im losen Abstand um die Kirche gruppieren, das Haus am Kranzweg 9 befindet sich noch weit ausserhalb des Zentrums. 100 Jahre später, im 17. Jahrhundert, ist das Zentrum bereits deutlich gewachsen, der Ortskern dichter bebaut – und auch das Haus hat seinen Umfang verdoppelt: Es hat einen Anbau erhalten, welcher als Trotte diente.

Vor der Sanierung: Im Jahr 1990 wirkte das Haus baufällig, sein ehrwürdiges Alter war ihm nicht anzusehen. (Foto: Baugeschichtliches Archiv Zürich)

Ein Abbruchobjekt?

Im Laufe der Jahre wechselte das Haus mehrfach seine Besitzer und erschien zunehmend abgewohnt und baufällig. Es wurde «vor allem in der jüngsten Zeit wenig gepflegt, was (…) zum heutigen eher verwahrlosten Bild führte», beschrieb etwa der «Höngger» die Situation im Jahr 1993. Dennoch erweckte es zu Beginn der 1990er-Jahre die Aufmerksamkeit von Ruedi Wiedmer. Er war selber Bauherr und hatte bereits einige Liegenschaften in Höngg erstanden, um sie zu sanieren. Er klopfte beim Besitzer mit der Frage an, ob das Haus zu verkaufen sei und hatte schliesslich Erfolg: Gemeinsam mit Jürg Ryser, Rheumatologe mit eigener Praxis direkt am Meierhofplatz, konnte er das Haus käuflich erwerben – als Abbruchobjekt. Anstelle des Hauses planten sie einen Neubau, der Wohnungen und Büros enthalten sollte.

Das vergessene Haus

Doch es kam anders als geplant. Denn nach der Baueingabe bei der Stadt erhielten sie eine Absage für ihr Bauprojekt. Es handle sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude, so die Begründung. Das war den neuen Eigentümern nicht bewusst gewesen – und dies nicht nur wegen des bescheidenen Äusseren des Gebäudes: Im Inventar des Denkmalschutzes war es nicht enthalten. Offensichtlich war das Haus bei der Inventarisierung vergessen gegangen.

Die Fachwerk des geschichtsträchtigen Hauses kommt heute wieder zur Geltung. (Foto: Dagmar Schräder)

Damit kam ein Abbruch des Gebäudes nicht mehr infrage, stattdessen wurden Sanierungsarbeiten geplant. Das machte die Bauarbeiten aufwendiger als geplant. Bis die Baubewilligung für den Umbau erteilt wurde, vergingen fast fünf Jahre und 1995 konnte schliesslich mit dem Umbau begonnen werden. Auch finanziell war die Sanierung eine Herausforderung: Fast eine Million Franken teurer als ursprünglich budgetiert sei das Projekt geworden, erklären die beiden Hausbesitzer dem «Höngger» bei einer Begehung des Gebäudes.

Hier ist das alte Gemäuer zu sehen. (Foto: Dagmar Schräder)

Interessante Funde

Bei den Sanierungsarbeiten wurde die verputzte Fassade entfernt und das darunterliegende Fachwerk im ersten Stock des Hauses wieder freigelegt. Die alten Trägerbalken wurden durch neue ergänzt, auch der Dachfirst wurde neu aufgebaut. In den Innenräumen des Hauses mischen sich nun alte Balken und Gemäuer mit modernen architektonischen Elementen.

Neue Treppe, alte Balken. (Foto: Dagmar Schräder)
Die Gartenansicht nach der Renovation. (Foto: Dagmar Schräder)

Die alte Trotte, die abgebaut wurde, wurde durch einen neuen Anbau ersetzt, der sich heute zum Garten hin durch eine durchgehende Fensterfront auszeichnet.

Spektakulär war die Vorgehensweise zur Unterkellerung des Gebäudes: Um dem Haus ein Untergeschoss zu verleihen, musste das gesamte Gebäude an Balken «aufgehängt» und abgestützt werden. Bei den Grabungen machten die Arbeiter zudem einen ganz besonderen Fund: Im Garten wurde ein alter Mühlstein freigelegt, der ausgehoben und als Anschauungsmaterial vor das Gebäude gelegt wurde.

Im Jahr 1996 schliesslich konnten die neuen Bewohner einziehen. Sie haben sich das Haus aufgeteilt: Der Bereich der ehemaligen Scheune gehört Wiedmer, hier bewohnt seine Tochter eine Familienwohnung. Das Ehepaar Ryser besitzt den ehemaligen Wohnteil mit Anbau, worin sich drei Mietwohnungen befinden.

Wiedmer vor seinem Haus. (Foto: Dagmar Schräder)

0 Kommentare


Themen entdecken