Eine Reise, gefüllt mit Herz und Geschichte

In diesem Jahr feierte das Waid sein 70-Jahr-Jubiläum und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück: Anekdoten treffen dabei auf Meilensteine. Heute ist es Teil des Stadtspitals Zürich.

Ein Spektakel: die Grundsteinlegung des Stadtspitals Waid im Oktober 1950. (Foto: Baugeschichtliches Archiv, Fotograf unbekannt)
Die Zimmer im Stadtspital Waid sollten ein wohnliches Ambiente verströmen. (Foto: Baugeschichtliches Archiv, Michael Wolgensinger)
Das Stadtspital im Jahr der Eröffnung. (Foto: Baugeschichtliches Archiv, Michael Wolgensinger)
In einem der Operationssäle im Eröffnungsjahr 1953. (Foto: Baugeschichtliches Archiv, Michael Wolgensinger)
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«Alles Gute zum Geburtstag, hip hip hooray», sagt Magdalena Geiger-Külling begeistert. Sie meint damit «ihr» Waid, das Stadtspital, das sein 70-Jahr-Jubiläum feiert. Geiger-Külling ist als ehemalige Operationsschwester eine der Gratulantinnen, die im Kurzfilm «70 Jahr Stadtspital Zürich Waid» die Geschichte des Wipkinger Spitals Revue passieren lassen.

Sie alle bezeichnen sich als «Waidianer» und blicken auf Ereignisse wie etwa das Seifenkistenrennen des Personals oder auf medizinische Fortschritte zurück.

70 Jahre Stadtspital Zürich Waid

Die Geschichte des Spitals beginnt jedoch schon vor dem Jahr 1953, nämlich 1902: Damals grassierte eine Scharlachepidemie in Zürich, die den Gemeinderat dazu veranlasste, ein Postulat zu überweisen, um die Einrichtung eines «städtischen Isolier-Pavillons» zu prüfen. 1907 wurde dieses angenommen. Es sollte aber 40 Jahre dauern, bis Bewegung in die Sache kam. Die «Krankenhausfrage der Stadt Zürich» blieb, insbesondere wegen des Bettenmangels, ein Thema. Das Vorhaben ist nicht zu verwechseln mit dem damaligen Krankenheim Waid, aus dem in den 1960er-Jahren das Pflegezentrum Käferberg hervorging.

Am 26. November 1948 präsentierte der Stadtrat eine Weisung, worauf der Gemeinderat den Objektkredit für ein Spital nach den Plänen der Architekten Robert Landolt, Ernst Schindler und Josef Schütz verabschiedete. Der «Tages-Anzeiger» bezeichnete das Vorhaben als «grössten Baukredit, über den der Souverän zu befinden habe». Die Rede war von 29,9 Millionen Franken. Das Stimmvolk sagte am 29. Januar 1950 mit 61 394 gegen 11 887 Stimmen Ja.

Zeitkapsel und Eröffnung

Die Grundsteinlegung im Oktober 1950 war ein Spektakel: Der Stadtrat lud «eine ansehnliche Schar von Männern und Frauen» auf das Baugelände ein, das mit blauweissen Flaggen geschmückt war, wie damals «Die Tat» berichtete. Stadtrat und Vorstand des Bauamtes II Heinrich Oetiker hielt eine Ansprache, der Sängerverein Harmonie Zürich sorgte für Unterhaltung und eine Zeitkapsel wurde einbetoniert; Pläne des Baus, Fotos, Tageszeitungen und Modejournale befinden sich darin.

Drei Jahre später, am 18. September 1953, wurde das Gebäude mit zehn Trakten feierlich eingeweiht. Das 83 000 Quadratmeter grosse Areal mit dem damals grössten Hochbau sollte auch der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ab dem 2. Oktober 1953 wurden mehrere «Tage der offenen Tür» veranstaltet: Rund 72 000 Menschen liessen es sich nicht nehmen, das Gebäude zu erkunden: Sie wollten nicht nur den Bau sehen, sondern auch die viel gelobte Innenausstattung.

«Der Tatsache, dass das Spital dem chronisch Kranken, der monatelang im Krankenhaus bleibt, zum Heim wird, in dem er menschlichen Anschluss, Unterhaltung und Beschäftigung sucht, ist baulich ganz besonders Rechnung getragen worden», war im «Volksrecht» nachzulesen.

Im Laufe der Jahre

Die Arbeit begann: Zunächst waren es 413 Betten, die laut «Volksrecht» in 42 Einzelzimmern, 100 Zweierzimmern und 44 Viererzimmern untergebracht waren. Mit der Pflegerinnenschule und dem Roten Kreuz konnten Verträge abgeschlossen werden, damit Personal vorhanden war: 305 Mitarbeitende betreuten im ersten Betriebsmonat 490 Patient*innen.

Wie ebenfalls in der «Tat» nachzulesen ist, wurde die Arbeitszeit aller Angestellten mit dem Psychotechnischen Institut geregelt, mit Fokus auf die Erholung, was allerdings nicht überall funktionierte: «Es gab Assistenzärzte, die während mehr als 50 Stunden nicht aus den Schuhen kamen», schrieb der erste Spitaldirektor Werner Bächi. Er erinnerte sich aber auch an die Oberschwestern, die mit ihrem Elan alle anderen anspornten.

Es folgten bewegte Jahre für das Waidspital: Ein Blick in die Geschichte offenbart, wie Anekdoten auf Meilensteine treffen: So spielte die Krankenschwester Elsbeth Kasser bereits im Gründungsjahr beim Aufbau der Ergotherapie eine Schlüsselrolle. «Ihre Pionierarbeit führte dazu, dass die Ergotherapie heute in der medizinischen Versorgung nicht mehr wegzudenken ist», schreibt das Stadtspital Zürich heute stolz.

Weniger erfreulich war das 10-Jahr-Jubiläum 1963: Nach der abendlichen Feier brannte die Angestellten-Sauna. Laut dem «Tages-Anzeiger» wurde der Dampfentwickler nicht abgeschaltet und es kam zur Überhitzung. Die darüberliegenden Zimmer mit gegen vierzig zum Teil frisch operierten Patient*innen der Chirurgie wurden evakuiert. Die Brandwache habe das Feuer aber rasch gelöscht. Der Schaden belief sich auf rund 100 000 Franken.

Elf Jahre später, im Jahr 1974, musste sich das Stadtspital Waid mit dem neuen Stadtspital Triemli vergleichen lassen, das 1970 eröffnet wurde. Die «Neue Zürcher Zeitung» befand aber, das Wipkinger Haus sei «persönlicher» und dem Triemli durchaus «ebenbürtig». Die Zeitung erwähnte auch die «anerkannte Ausbildungsstätte» im Waid; insbesondere für Ärzte der Inneren Chirurgie. Im Fernseh-Hörsaal, erbaut im Jahr 1972, wurden wöchentlich Weiterbildungskurse durchgeführt und Operationen übertragen.

Im Jahr 1989 war es dann so weit: Mit Lukretia Appert-Sprecher wurde schweizweit die erste Frau zur Spitaldirektorin gewählt. Die Managerin kam als Quereinsteigerin von der Migros, war dort Mitglied der Geschäftsleitung der Ex Libris. Laut dem Stadtspital Zürich brachte Appert-Sprecher frischen Wind mit und kämpfte mit dem Stadtrat um die Gelder für bauliche Erneuerungen. «Das Spital war in den letzten neun Jahren mein Leben», sagte die Direktorin anlässlich ihres Rücktritts dem «Tages-Anzeiger».

Medizin und Finanzen

Das Stadtspital Zürich hebt rückblickend einige medizinische Errungenschaften hervor: So wurde im Jahr 1990 erstmals eine Gallenblase laparoskopisch entfernt – ein bedeutender Meilenstein in der medizinischen Entwicklung. Es war auch das Jahr, als das Waidspital als Pionier in der Übergangspflege galt: In diesem Jahr wurde in einem Personalhaus eine Übergangspflege-Station eröffnet, um ältere Patient*innen nach einem Spitalaufenthalt auf eine sichere Rückkehr nach Hause vorzubereiten. Im Jahr 1999 konnte die Übergangspflege in die neu gestalteten Räumlichkeiten der Klinik für Geriatrie und Rehabilitation ziehen.

Anders die wirtschaftliche Seite: In den 1990er-Jahren geriet das Stadtspital in Bedrängnis. «Angesichts der finanziellen Lage der Stadt, die sich nicht besonders rosig präsentierte, zog der Stadtrat die Notbremse und setzte Einsparungen bei den Betriebskosten und Investitionen durch», schreibt das Stadtspital. Bis 1995 wurden 104 Betten abgebaut, das Spital zählte damals noch 291 Betten. «Wir stellen an unseren Auftrag hohe Anforderungen, denn es gilt, mit rund einem Viertel weniger Betten annähernd gleich viele stationäre Patienten zu behandeln», so die damalige Direktorin Appert-Sprecher im «Tages-Anzeiger».

Es war ein schmerzlicher, aber auch kluger Entscheid, wie es heute beim Stadtspital heisst: Die ab Mitte der 1990er-Jahre geführten Diskussionen um die Spitalliste und Überkapazitäten im Akutbereich, in die Wege geleitet von der damaligen Gesundheitsdirektorin Verena Diener, hatten die Schliessung von sechs Spitälern zur Folge. Aber das Stadtspital Waid konnte sich wegen des freiwilligen Bettenabbaus halten.

Bau und Kunst

Laut wurde es auch: Von 1988 bis 2010 wurde das Gebäude bei vollem Betrieb ununterbrochen saniert, kein Trakt blieb verschont. Der Umbau kostete laut dem «Tages-Anzeiger» 278 Millionen; 32,3 Millionen weniger als budgetiert. Der damalige Spitaldirektor Rolf Gilgen zeigte sich stolz und war froh, dass es keine «politischen Dissonanzen» gab.

Im Jahr 2017 kam der Solarstrom dazu: Auf den Dächern der Bettenhäuser F und G wurden Photovoltaikanlagen montiert. Neben dem Spital profitieren seither auch die Quartierbewohnenden von den Solarpanels.

Die Kunst war ebenso willkommen. Im Jahr 1957 sorgte eine Steinplastik von Alfred Huber im Eingangsbereich für Furore: Die «Liegende im Stein» ist 17 Tonnen schwer und besteht aus hellem, kristallinem Marmor, schrieb die «Neue Zürcher Zeitung». Ebenso das Wandbild im Speisesaal in Mosaiktechnik, erstellt im Jahr 1972 vom Künstler Fritz Krebs. Im Jahr 2005 diente das Stadtspital dann als Kulisse für bewegte Bilder: Die Regisseurin Andrea Staka drehte dort Szenen für den Spielfilm «Das Fräulein».

Das Stadtspital Zürich heute

Die jüngsten Jahre waren wegweisend: Im Jahr 2019 erhielten die beiden Spitäler Waid und Triemli unter der Federführung von Stadtrat Andreas Hauri eine gemeinsame Leitung, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Seit 2021 treten die Spitäler mit insgesamt vier Standorten (Waid, Triemli, dem Andreasturm in Oerlikon als Dialysezentrum und seit 2023 die Europaallee) unter dem Namen Stadtspital Zürich auf. Dieses zählt insgesamt rund 4200 Mitarbeitende, ihr Direktor ist seit November 2021 Marc Widmer.

Die Zukunft des Stadtspitals Zürich wird heute quasi «in Echtzeit» geschrieben: Die Social-Media-Kanäle auf Facebook und Instagram bieten laufend neue Einblicke. Die Reise, «gefüllt mit Herz und Geschichte», wie das Stadtspital Zürich auf seiner Website zum Jubiläum schreibt, geht weiter.

Quellen

Stadtspital Zürich

«60 Jahre Stadtspital Waid», «Höngger Zeitung».

Stadtarchiv Zürich (Artikel aus: «Tages-Anzeiger», «Neue Zürcher Zeitung», «Volksrecht» und «Die Tat»).

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