Kultur
«En blööde schpruch ghöört dezue»
Seine Krimis auf züritüütsch sind Kult: Autor Viktor Schobinger feiert in diesem Jahr einen bedeutenden Geburtstag. Aber im Vordergrund steht das Werk: Unterhaltung ist oberstes Gebot.
19. September 2024 — Daniel Diriwaechter
Das Alter ist nur eine Zahl: Trifft man Viktor Schobinger für ein Gespräch, stimmt das vollumfänglich. In diesem Jahr wird der Autor seinen 90. Geburtstag feiern. Seine Persönlichkeit, sein Witz und seine Lebenslust lassen aber die Jahreszahl vergessen. Und überhaupt: «Ich werde erst Ende Jahr 90», sagt Schobinger bestimmt.
Lassen wir also die Zahlen beiseite und widmen uns dem Menschen, dem leidenschaftlichen Zürcher, der in Wipkingen sein Zuhause fand. Bekannt ist Schobinger für seine literarischen Werke und die Art und Weise, wie er diese schreibt: uf züritüütsch.
Wir treffen Schobinger im «Nordbrüggli», dort nimmt er gerne sein Zmittag ein. «Kochen kann ich nicht», verrät er. Wieso auch, der Autor geniesst den Besuch im Lokal, den Schwatz zwischendurch. In diesem Frühjahr veröffentliche er seinen jüngsten Züri-Krimi «Der Ääschmen am änd vo de wält».
Der Ääschme, eigentlich Eschmann, ist Polizeileutnant. Einer, der laut NZZ die Menschen versteht und sich keinen Verfolgungsjagden aussetzt. Also mehr «Derrick» als «Alarm für Cobra 11». Mittlerweile ist es der 40. Band der Serie, der für einmal nicht in der Zwinglistadt, sondern im Tösstal spielt. Vielleicht wollte Schobinger die im Buch vorhandenen Themen «Sekte» und «Weltuntergang» lieber von Zürich fernhalten?
Die Kunst des Schreibens
Seine Arbeitsweise beschreibt er völlig undramatisch: «Die Ideen ergeben sich und ich bin ihnen ausgeliefert», erklärt er. Er kenne jeweils den Anfang und das Ende, dazwischen nimmt die Geschichte ihren Lauf. Das oberste Gebot lautet: «Die Leute müssen unterhalten werden.» Dabei erinnert er sich an ein Werk, in dem Ääschme einen der Fälle nicht lösen konnte. «Da habe ich gleich eine Reklamation erhalten», wundert er sich.
Das Schreiben für einen Züri-Krimi hat einen genau definierten Zeitplan: «Acht Tage sind dafür reserviert, dann schreibe ich die Geschichte nieder.» Darum sind es auch immer acht Kapitel. Nicht dazu gerechnet sind Nachbearbeitungen oder das Lektorieren. Es ist schwer vorstellbar, Schobinger kenne so etwas wie eine Schreibblockade. Er zieht den Plan durch, so, wie Ääschme auch ans Ziel gelangen will. Besagter Leutnant steht im Übrigen wieder in den Startlöchern: Noch in diesem Jahr soll der 41. Band erscheinen. Titel: «Ugfröite psuech bim Ääschme».
Bis nach Paris
Schobinger, auf dem Papier gebürtiger Luzerner, wuchs in Wädenswil auf. Er besuchte das Literargymnasium in Zürich, und die Stadt liess ihn nicht mehr los. «Zürich ist meine Stadt», das glaubt man ihm aufs Wort. Ein Bankpraktikum war wegweisend: Schobinger arbeitete bis 1987 als Werbeleiter einer grossen Bank. Das Schreiben, das Interesse an der Geschichte und der Sprache nahmen parallel eine Hauptrolle in Schobingers Leben ein. Der erste Roman mit Polizeileutnant Ääschme erschien bereits 1979.
Es folgten Stadtführer und Beteiligungen an vielen, auch wissenschaftlichen Projekten. Als Genealoge forscht und sammelt er weiter für die eigene Familiengeschichte. Ein Vorhaben, das noch nicht abgeschlossen ist.
Die Liste seiner Veröffentlichungen, die im gleichnamigen Eigenverlag erschienen, ist imposant, das Züritüütsch zentral. Etwa mit den Wörterbüchern wie «Zürichdeutsche Kurzgrammatik» (2021) oder die weiteren Bände zum Grundwortschatz (2010) oder zur Wortfamilie (2011). Züritüütsch ist anspruchsvoller als viele denken.
Ein Beispiel sind die ersten Sätze aus dem jüngsten Krimi: «Der aposchtel Phaulus hät glöibegi aahänger um sich gsamlet. De Gott isch mit em und sägnet en au mit ziitliche güeter. Aber die ziit seg z änd am 19. mäi, profezeit d Satja, wo kontakt hät mit der anderwält.»
Wir erfahren: In Schobingers züritüütsch wird alles klein geschrieben, ausser den Namen. Zu diesem Kanon gesellen sich weitere Werke, Romane und Kurzgeschichten. «Reich wurde ich damit nicht», sagt er. Da schlage man eher drauf. Eine weitere Publikation, erschienen vor zwei Jahren, hebt sich beinahe exotisch hervor: «Pariis uf züritüütsch». Der Autor nimmt darin die Lesenden auf 17 Führungen durch die Stadt an der Seine mit.
Mittlerweile in der dritten Auflage. Schobinger, der Zürich nie verlassen möchte, hegt eine tiefe Liebe zu Paris. Und: «Beim Besuch einer Zürcher Kirche musst du bei einer Führung ins Mikrofon flüstern. Das ist in Paris anders, dort darf man laut reden.»
Planung ist alles
Diesen Frühling erschienen ist ebenfalls der Bericht «d räis uf rütti»: Schobinger beschreibt die letzte Reise von Graf Friedrich von Toggenburg sowie dessen Bilanz des Lebens. «Das Büchlein ist eher für ältere Semester gedacht.» Er scheue nicht die «Auseinandersetzung mit der eigenen Endgültigkeit», wie SRF schreibt. Planung ist alles, so der Autor.
«Meine Beerdigung soll im Friedhof Sihlfeld im alten Krematorium stattfinden.» Die Abdankung solle lustig werden, wie es sich gehört, so der Autor: «en blööde schpruch ghöört dezue!» Die Predigt habe er schon verfasst – als Anhang zum 50. Krimi. Einen Krimi, den er schon vor einiger Zeit geschrieben hat. Darin, das lässt er durchblicken, werden sich Romanfigur und Schriftsteller begegnen. Es ist eine Frage der Planung
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