Familienwohnung

Wir haben’s gut. Wir wohnen in einer kleinen, feinen Familienwohnung, ziemlich grün und recht ruhig im Bermudadreieck zwischen «Nordbrüggli», «Café des Amis» und «Kafi Schnaps».

Der Standard unserer Siedlung ist nicht mehr ganz top, auch wenn die Wohnungen vor einigen Jahren neue Küchen, Bäder und einen grossen Balkon erhalten haben. Man hört jeden Schritt des Nachbarn über uns, die Fenster sind dreissig Jahre alt und von Minergie natürlich keine Spur. Aber es ist eine Familienwohnung. Als solche ist sie einst für Arbeiterfamilien erbaut worden, irgendwann zwischen 1910 und 1920.
Heute wohnen fast keine Familien mehr hier, im Gegenteil: Bekommt ein Paar ein Kind, dauert es in der Regel zwei oder höchstens drei Jahre und die Familie ist weg. Kein Wunder, die Wohnung für die damaligen Arbeiter hat drei Zimmer, verteilt auf knapp 63 Quadratmeter. Auch wir sind keine Familie, sondern teilen uns die Fläche lediglich zu zweit. Trotzdem leben wir punkto Wohnfläche in unserem Zweipersonenhaushalt auf dem Niveau von 1980. Heute bewohnt eine Person im Schnitt nämlich 45 Quadratmeter! 1980 waren das noch 34, 1910 sogar nur 8 Quadratmeter pro Person. Würde unsere «Arbeiterwohnung» jetzt und nach heutigen Ansprüchen gebaut, hätte sie wohl vier Zimmer und würde 125 Quadratmeter messen. Mit dem Wohlstand ist nämlich auch die Wohnfläche pro Person stark gestiegen. Ein höherer Lebensstandard muss aber nicht automatisch mehr Wohnfläche bedeuten. Wir Grüne sind überzeugt, dass mit klugen Grundrissen, gut gestalteten Grünräumen und einer vorausschauenden Siedlungspolitik auch künftig kleine, feine Familienwohnungen entstehen können. Ganz nach unserem Leitsatz: Besser statt mehr!

Jürg Rauser, Vorstand Grüne Kreis 6/10

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