Politik
«Ich engagiere mich für mein Quartier und für den ganzen Kanton»
Anne-Claude Hensch hat am 17. August 2020 die Nachfolge von Laura Huonker im Kantonsrat angetreten. Wie war ihr erster Ratstag nach den Sommerferien? Wofür steht sie ein? Wie wurde sie politisiert? Die Fragen stellte Judith Stofer.
30. September 2020 — Eingesandter Artikel
Anne-Claude Hensch, wie war Dein erster Tag im Kantonsrat?
Voller Eindrücke! Es war für mich ein besonderer Moment, als ich in den Rat aufgenommen wurde. Mir wurde bewusst, dass ich jetzt in einer Funktion bin, die nur wenige Leute im Kanton ausüben können. Sehr gefreut hat mich zudem die freundliche Aufnahme über die Parteigrenzen hinweg.
Du vertrittst die Stadtkreise 11 und 12 im Kantonsrat. Welche Anliegen aus Deinem Wahlkreis möchtest Du als Erstes anpacken?
Der Kantonsrat ist eher ein «abstraktes» Gremium. Er beschliesst zum Beispiel Verfassungs- und Gesetzesänderungen und über neue Gesetze. Diese Ebene ist im ersten Moment weit weg von den Leuten. Gleichzeitig übt sie aber einen grossen Einfluss auf unseren Alltag aus. Momentan bin ich noch am herausfinden, wo ich den Hebel für welche Anliegen ansetzen kann. Aber natürlich kenne ich die Themen, die mir persönlich wie auch aus meinem Engagement fürs Quartier wichtig sind: Die Einhaltung der Grundrechte, welche zurzeit ständig ein wenig mehr ausgehöhlt werden, die Rechte und die Integration/Inklusion von Migrantinnen und Migranten, Chancengerechtigkeit in der Bildung und Wohnbau, beziehungsweise Verdichtung mit guter Lebensqualität und zahlbaren Mietpreisen.
Du hast am ersten Tag im Rat ein Gelübde abgelegt, dass Du dich für das Wohl des ganzen Kanton Zürich einsetzen wirst. Ist es da nicht ein Widerspruch, Anliegen aus deinem Wahlkreis einzubringen?
Es geht wohl mehr darum, sowohl den Wahlkreis und seine Bedürfnisse im Auge zu haben als auch daran zu denken, was das nun auf kantonaler Ebene bedeutet. Es macht ja keinen Sinn, ein kantonales Gesetz zu machen, weil man ein rein städtisches Problem regeln will. Wir haben als Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher schon oft die Erfahrung gemacht, dass bürgerliche Kantonsräte die «rote» Stadt mit einem Gesetz gängeln wollen. Kleine Änderungen in einem Gesetz oder im Budget können für einen Personenkreis im Alltag erhebliche Auswirkungen haben. Hier gilt es wach zu sein und die konkreten Verbesserungsmöglichkeiten für die Menschen, die ich vertrete, zu nutzen.
Du stammst aus einer politischen Familie, die eher bürgerliche Politik gemacht hat. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen bürgerlicher und linker Politik?
Ich stamme aus einer Familie, in der es selbstverständlich ist, dass man sich für etwas aus Gemeinsinn engagiert. Es ging nie nur um Eigeninteressen, sondern darum, einen Beitrag für die Gesellschaft – oder etwas bescheidener – für das Zusammenleben zu leisten. Dies können wir auf linker wie bürgerlicher Seite vorfinden. Den Unterschied, den ich am stärksten wahrnehme, ist das Bewusstsein für die Lebensumstände von weniger privilegierten Menschen. Das ist auf linker Seite sicher viel stärker vorhanden, das vermisse ich schon eher bei vielen bürgerlichen Exponenten. Die Einsicht, dass wir im Leben nicht immer alles selber beeinflussen und auch einmal Unterstützung brauchen können, fehlt mir dort oft.
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