«Ich has Strassegymi gmacht»

Seine Werke schenken tristen Hausfassaden neues Leben, als Beispiel dafür das gigantische, sogenannte Mural «Melody» beim Escher-Wyss- Platz. Wer steckt hinter solchen Künsten?

Redl in seinem Büro und Atelier in Wipkingen, unweit vom Schaffhauserplatz.
Schon von weitem sticht das Mural «Melody» am Escher-Wyss-Platz mit seiner Farbigkeit heraus.
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«Man sucht sich manchmal nicht den Namen aus, sondern der Name sucht sich dich aus», antwortet der 50-jährige Patrick Wehrli auf die Frage, wie er auf das Pseudonym «Redl» gestossen sei.

Wie definierst du deine Tätigkeit? Gibt es einen Namen für diesen Beruf?

Redl: Ich weiss es auch nicht genau (lacht), denn es gibt keine Lehre dafür. Viele würden sagen, ich sei Künstler, aber das ist für mich ein schwieriges Wort. Ich sehe mich viel eher als Kunsthandwerker – gerade, wenn ich eine grosse Wand bemale, mit Roller und Spraydose, wird es sehr handwerklich, sehr physisch. Daneben bin ich Illustrator, Grafiker, gestalte Logodesigns, oft Flyer und Plakate. So habe ich beispielsweise zehn Jahre lang den gesamten grafischen Auftritt fürs Openair Frauenfeld übernommen. Daher bin ich eigentlich ein visueller Gestalter, das ist wohl der Überbegriff für meine Tätigkeit. Ich arbeite selbstständig, so bin ich nebenbei noch Putzfrau, Marketing-Leiter, Buchhalter, Kreativ-Direktor; alles in einem. Gefahr von Verzettelung. Aber man lernt auch viel dabei.»

Redl verfolgt einen bestimmten Zweig der Kunst, den «Muralism». Riesige Flächen werden dabei, vom Lift aus, grösstenteils mit Roller bearbeitet, nur die Details werden mithilfe der Spraydose vollbracht. Mural-Art basiere auf der ursprünglichen Subkultur, habe mit dem eigentlichen Graffiti allerdings nicht mehr viel zu tun, meint Patrick. In das 2017 entstandene «Melody» hat Redl, mithilfe der zwei Artisten Alex Hohl und Knezn Gun, elf Tage à je zehn Arbeitsstunden investiert. Nach solchen Projekten sei man jeweils «nudelfertig». Nicht nur Beton nimmt er in Angriff, es wird auch viel auf Holz und Leinwand gearbeitet, sogar Stand-up-Paddles bemalt er. Angefangen hat er übrigens mit Snowboarddesign.

Wie bist du aufgewachsen? Wie bist du zu deinem Handwerk und dem Sprayen gekommen?

Aufgewachsen bin ich in Zürich-Unterstrass, an der Grenze zu Wipkingen. Die Oberstufe habe ich im Wipkinger Schulhaus «Waidhalden» besucht, von 1982 bis 1985. Da lernte ich auch das Quartier kennen – inklusive der Badi «Letten». Danach habe ich ein Jahr Praktikum mit Kunstgewerbschule und eine vierjährige Lehre als Fotoretoucheur gemacht. Meinen Abschluss hatte ich 1990 im Alter von 20 Jahren. Auf das Sprayen bin ich durch die ersten Medienberichte Anfang der 80er- Jahre gestossen, die von der Hip-Hop-Kultur in New York handelten, von Graffiti, Breakdance, Rappen und DJs. Die ersten Musikvideos, in denen diese Disziplinen erschienen, wurden ausgestrahlt, zum Beispiel Malcom Mc Larren’s «Buffalo Gals». Zum ersten Mal war das auch in Europa zu sehen, kurz darauf kamen die ersten Filme in die Studienkinos, welche die Thematik «Hip-Hop» aufgriffen. Das «Movement» schwappte als illegale Subkultur von Amerika auf Europa, für mich persönlich eine «kleinere Kulturrevolution». Angefangen habe ich mit den klassischen Graffiti-Buchstaben, inspiriert durch das Buch «SubwayArt», quasi die «Graffiti- Bibel».

Lange hat sich der Künstler in der Grauzone der Illegalität bewegt, unbestraft blieb dies natürlich nicht. Logisch, sei er auch schon erwischt worden und habe die Konsequenzen tragen müssen. Das sei «Part of the game». Doch für ihn stand die Ästhetik und Qualität schon immer an erster Stelle, er will mit seinen Werken beeindrucken, nicht verschandeln.

Einen seiner ersten grösseren Aufträge erhielt er, zusammen mit den Künstlern Gen und Bost, 1989 von der Stadt Zürich, als diese sich das erste Mal gegenüber der neuen Form der Gestaltung öffnete. Die Aufgabe bestand darin, die grauen Flächen der Unterführung bei der Rosengartenstrasse aufzuwerten. Mit dem daraus erworbenen Geld finanzierte er seine Reise nach Amerika. Eine gewöhnliche Reise war das jedoch nicht: Er sei in Kreisen gelandet, die kein Tourist je zu Gesicht bekommt. Während dieser Zeit konnte er viel von jener neuen Sub-Kultur lernen und entdecken, mit Leuten aus der Bronx, New York, habe er gesprayt. Er hat viele Ländern besucht, mit dem Ziel, sich selber auszubilden: «Ich habe das Strassengymi gemacht.»

Bist du glücklich?

Ja, doch, ich bin glücklich. Ich habe mir dieses Leben selber ausgesucht. Manchmal ist es ein Kampf, denn man darf nie stehenbleiben – man muss fleissig sein. Gerade, wenn ich diese grossen Wände neugestalte, ist es teilweise wirklich ein «Krüppeln» – die Leute unterschätzen das.»

Heute bewegt er sich viel in der Schweiz, aber auch im Ausland, in Hongkong, Ägypten, Belgien, Spanien, Deutschland. Für ihn sei dies das Aufregende, das Spannende an seinem Job.

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