Individualbesteuerung – weil fair fair ist

Letztens habe ich mich mit einem Kollegen über das 50-jährige Stimmrecht der Frauen unterhalten und da meinte er doch glatt, dass Männer und Frauen komplett gleichberechtigt seien und wir uns jetzt auf neue Themen konzentrieren könnten. Schön wäre es, aber wahrscheinlich ist es viel mehr so, dass Privilegien nicht von denen wahrgenommen werden, die sie geniessen.

Auf jeden Fall ist mein Kollege frisch verlobt und da kam ich nicht umhin, ihn ganz vorsichtig auf die Besteuerung von Verheirateten hinzuweisen und dass es da massiven Handlungsbedarf gibt, sonst wird seine Zukünftige nur noch in tiefer Teilzeit arbeiten, wenn das erste Kind kommt.

«Wie jetzt?» – Ja, schlussendlich ist es so, dass Verheiratete gemeinsam veranlagt werden und dass das Zweiteinkommen wegen der höheren Progressionsstufe überproportional besteuert wird. Dadurch «lohnt» sich das Arbeiten dann weniger und besonders bei Paaren mit Kindern wird die Rechnung gemacht, ob das zusätzliche Geld auch die Kosten von der Kita deckt und was am Ende übrig bleibt. In anderen Worten ist unser Steuergesetz ein grosser Fan von klassischen Rollenbildern und setzt einen Anreiz für verheiratete Paare, auf nur einen Hauptverdienenden zu setzen.
Die einfachste Lösung hierzu ist die Individualbesteuerung, bei der jede Person individuell veranlagt wird. Als Konsequenz würden laut Studien 300 000 Frauen ihr Pensum um je 20 Prozent erhöhen, was 60 000 Vollzeitstellen entspricht. Was wir bei der Debatte auch nicht vergessen dürfen, ist, wer in Unternehmen befördert wird. Meist sind das nur Mitarbeitende, die mindestens 80 Prozent arbeiten. Im Umkehrschluss heisst das, dass Frauen mit einem tiefen Pensum dafür nicht einmal in Frage kommen, egal wie qualifiziert sie sind. «Oh, das ist nicht richtig», pflichtet mir mein Kollege bei.
Wenn Frauen ein höheres Pensum arbeiten und auch befördert werden, dann verdienen sie mehr und zahlen mehr Geld in die AHV und Pensionskasse ein. Das wiederum reduziert das Risiko von Altersarmut. «Ja, aber sie sind doch verheiratet und haben einen Mann, der für sie sorgt.» Naja, aktuell liegt die Scheidungsquote bei 40 Prozent, das heisst, zwei von fünf Frauen können sich hierauf nicht verlassen. Mein Kollege nickt und hat die Lösung erkannt. «Wir brauchen die Individualbesteuerung, weil fair fair ist!»

Johanna Herbst, GLP 6&10

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