Konsum-Los?

Kurz vor dem Lockdown wurde auf dem Park Platz probeweise die Offene-Tor-Politik eingeführt und das kleine Tor zum Weg jeweils immer offengelassen. Während dann aufgrund von Covid-19 andernorts die Türen und Schlösser geschlossen blieben, wurde auf dem Parki die Idee eines offenen Platzes, nicht nur ideologisch, sondern auch physisch weiterverfolgt.

Ausgelassene Vor-Coronastimmung am Winterfest 2020.

Mit seinen 1400 Quadratmeter, die grösstenteils unter freiem Himmel liegen, bot der Platz genug Möglichkeiten, trotz der vom Bundesrat vorgeschriebenen Abstandsregeln kleinere Projekte zu realisieren oder einfach zu verweilen. Mit Freude stellten wir fest, dass der Platz trotz der geschlossenen Bar rege besucht wurde. Statt Dry Martinis wurden hier an sonnigen Lockdown-Tagen Spraydosen geschüttelt und politische Botschaften und Forderungen auf Transparente gesprayt. Unterschiedliche Gruppen sowie Einzelpersonen nutzten den Park Platz für ihre Zwecke. Auch für die Kinder aus dem Quartier war der Spielplatz eine willkommene Abwechslung zum langweiligen Alltag im Lockdown. Sonnenanbetende Spaziergänger*innen gönnten sich eine kleine Verschnaufpause auf dem Platz. All diese Menschen kamen nicht zum Konsumieren auf den Platz, sondern um zusammen zu spielen, zu diskutieren und die Welt von Morgen zu planen.

Bereits vor der Corona-Pandemie war die widersprüchliche Position des Park Platz als Zwischennutzung in der Kerngruppe ein Thema. Sind wir bloss eine Figur auf dem Schachfeld der Stadtaufwertung? Es ist offensichtlich, dass zwischen unkommerziellem Raum und einem gastronomischen Betrieb, von dem das Projekt lebt und überlebt, ein grosses Spannungsfeld besteht. Dieses lässt sich nicht ohne Weiteres auflösen. Immer wieder stellen sich uns folgende Fragen: Wie werden die beiden Teile zueinander gewichtet? Wie viel Raum darf die Bar einnehmen? Und was können wir tun, damit der Park Platz gerade in den Sommermonaten von aussen nicht einzig und allein als kommerzieller Betrieb wahrgenommen wird?

Unser Anspruch, in einer von der Finanzwelt geprägten Stadt wie Zürich, Raum für unkommerzielle Projekte zu bieten und den Besucher*innen somit keinen Konsumzwang aufzuerlegen, gehört zu den Grundpfeilern des Park Platz. Als der Ausbruch der Pandemie den Betrieb lahmlegte, wurde der Platz über Nacht zu einem gänzlich unkommerziellen Ort. Und das mitten in der Stadt. Doch selbstverständlich sind auch wir nicht gefeit von finanziellen Sorgen. Denn wie lange die Infrastruktur des Platzes ohne Einnahmen aus der Bar aufrechterhalten werden kann, wissen wir selber nicht wirklich. Das heisst, die Möglichkeit, selbstorganisierten Projekten weiterhin gratis Raum bieten zu können, hängt direkt von den Einnahmen der Bar ab.

In dieser Stadt gibt es wenig Platz für unkommerzielle und konsumfreie Räume. Menschen, die nicht konsumieren wollen oder können, werden zunehmend an den Rand gedrängt. Dies bereits lange vor Corona. Doch in der Zeit, in der die Geschäfte geschlossen blieben und die Menschen angehalten wurden, zu Hause zu bleiben, gab es plötzlich wieder mehr freien Raum. Orte, an denen weniger kaufkräftige Menschen sonst durch kommerzielle Betriebe verdrängt wurden, standen auf einmal frei zur Verfügung. Während sich joggende Yuppies in den Wald verirrten, wurden die sonst gentrifizierten Kreise vier und fünf durch ein anderes Publikum belebt. Dies war nicht nur auf dem Park Platz zu beobachten, sondern auch in der Nachbarschaft, auf dem Röschibach-, Röntgen- und Helvetiaplatz. Überall nahmen sich Menschen den Raum, den sie brauchen, um trotz «social distancing» nicht zu vereinsamen. Mit Konsum hatte dies nichts zu tun.

Die Kehrseite der Medaille zeigte sich jedoch im Fakt, dass auch in Zürich nicht alle Menschen ihren Platz finden, geschweige denn erwünscht sind. Während der Pandemie trat dies noch viel deutlicher zu Tage. Gewisse Parks wie die Josefswiese blieben stets geöffnet, während die Bäckeranlage hermetisch abgeriegelt wurde, und nicht überall gelten die gleichen Abstandsregeln. Wie beispielsweise in den Bundesasylzentren, wo die Corona-Massnahmen bei bestem Willen nicht eingehalten werden konnten. Wer von solchen Massnahmen am härtesten betroffen ist, ist augenscheinlich.

Auch die Räumung des besetzten Juch-Areals, das als Zuhause für viele Menschen gerade während Corona unverzichtbar war, zeigt die unsägliche Raum-Politik der Stadtregierung. Die Besetzer*innen machten aus dem Juch-Areal einen kulturellen Freiraum und öffneten das Gelände so für die Menschen dieser Stadt. Wir solidarisieren uns mit derart wichtigen Projekten in der Stadt und kämpfen an deren Seite für eine vielseitige und alternative Raumnutzung.

Für selbstgestaltete Räume übernehmen wir Menschen kollektiv Verantwortung. Doch in Zeiten, in denen jede Dienstleistung gegen Geld zu haben ist, geht dieser Gedanke immer mehr verloren. Deshalb rufen wir unsere Nachbar*innen und Gäste dazu auf, sich zu engagieren: Verabschiedet Euch von einer rein konsumierenden Haltung und werdet aktiv! Gestaltet unseren gemeinsamen Raum mit. Ganz im Sinne der mittelalterlichen Allmende soll der Park Platz ein Ort der selbstorganisierten Prozesse sein. Orientiert an gemeinsamen Bedürfnissen und nicht an unserer Kaufkraft. Das Juch ist zwar nun leider nicht mehr hier, doch der Widerstand bleibt. Denn eine Stadt ohne selbstverwaltete Räume, ist eine Stadt, in der wir nicht leben wollen.

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