Mehr als nur eine Sitzgelegenheit

Neues Leben für verwaiste Plätze in Wipkingen – das möchte der Verein Cala mit zwei Sitzprojekten schaffen. Mausern sie sich zu öffentlichen Treffpunkten? Eine Inspektion vor Ort.

Die beiden Damen finden die «Fliegenden Stühle» sehr bequem. (Foto: Majka Mitzel)

«Ich finde die Stühle cool und sehr bequem», so der zehnjährige Yusuf, der statt an der Bushaltestelle einfach in einem der «Fliegenden Stühle» unterhalb der Station Lägernstrasse auf den 32er-Bus wartet. So wie er nehmen jeden Tag immer wieder Passantnnen Platz auf den vier neuen Liegestühlen. Doch was hat es eigentlich auf sich mit dem merkwürdigen Konstrukt aus Stoff, Holz und Metall?

«Die Stühle sollen mehr als nur eine Sitzgelegenheit sein, sie sollen den öffentlichen Raum aufwerten, zum Innehalten einladen und neue Begegnungen ermöglichen», erläutert Stefanie Pfändler vom Verein Cala den Gedanken dahinter. Das Projekt ist aus der «Quartieridee Wipkingen» entstanden: Hier im Quartier testete die Stadt Zürich in den Jahren 2020 und 2021 eine Art «partizipatives Budget» auf Quartierebene, das später auf die ganze Stadt ausgeweitet wurde.

Alle Wipkinger*innen konnten dazumal eine Idee eingeben, über die nach einer Machbarkeitsüberprüfung anschliessend im Quartier abgestimmt wurde. Das Stuhlprojekt war eine der Ideen, die das Rennen machte und mit 10 000 Franken umgesetzt werden konnte. Zu den «Fliegenden Stühlen» gehört noch eine zweite Sitzkonstruktion, die allerdings anders daherkommt: An der Ecke Lehen- und Wunderlistrasse steht ein Holzkomplex, der als eine Art Tribüne gestaltet ist, die als Pflanzentopf, Bücherschrank oder Sitzplatz genutzt werden kann.

Ein offenes Ohr für Kritik

Doch kommen die neuen Sitzgelegenheiten bei allen an? Schliesslich war am Standort Lägernstrasse zwischenzeitlich ein Schild zu lesen mit der Aufschrift «Wir wollen unser Bänkli zurück!». Tatsächlich hätten ältere Anwohner moniert, dass sie aus den tiefliegenden Stühlen nicht wieder aufstehen könnten.

«Das hatten wir gar nicht bedacht, ein klassischer Fehler, wenn man nur durch die eigene Brille guckt», räumt Stefanie Pfändler ein. Sie hätte sich darum gekümmert, dass wieder eine Bank aufgestellt wird.

Mit vereinten Kräften

Das Projekt am zweiten Standort dagegen scheint gemäss befragten Anwohnern sofort gut angenommen worden zu sein. «Es hat sich zu einem regelrechten Treffpunkt entwickelt, die Leute pflegen die Pflanzen, treffen sich zum Apéro und fühlen sich verantwortlich, dass der Platz schön bleibt», betont Stefanie Pfändler.

Während die «Tribüne» von einem befreundeten Architekten in Freiwilligenarbeit gebaut wurde, wurden die «Liegestühle» von ETH-Studierenden entworfen. «Das Projekt zeigt, wie viele Ressourcen auf Quartierebene mobilisiert werden können», so Stefanie Pfändler.

Die Holzverarbeitung durfte der Verein in der Werkstatt des GZ Buchegg machen, gelagert und zusammengeschraubt wurden die Teile in der Kirche Wipkingen, die vom Klimastreik genutzt wird. Auch spontan kamen Leute aus dem Quartier beim Bau zu Hilfe. «Es ist schön zu sehen, wie sich ein Quartier ganz unkompliziert vernetzen kann und regelrechte Quartierpower zustande kam», sagt Stefanie Pfändler.

Wenn die Wipkinger*innen möchten, können sie die Treffpunkte für die nächsten drei Jahre auch für Anlässe nutzen – so lange ist das Projekt angelegt. Der Verein Cala kümmert sich um die Bewilligung. Denkbar sind beispielsweise ein kleines Konzert, ein Kinderflohmarkt oder ein Quartier-Apéro. Für den Transport der Utensilien stellt der Verein ein E-Lastenvelo zur Verfügung.

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