Pflegebedürftige Menschen bleiben heute länger zu Hause

85 Langzeit-Pflegeinstitutionen gibt es, einer Publikation des Kantons Zürich aus dem Jahr 2021 zufolge, in der Stadt Zürich. Eine davon ist das Gesundheitszentrum für das Alter Bombach. Ein Gespräch mit der Sozialarbeiterin des Hauses, Marion Meier.

Symbolbild Pflege (Foto: Freepik.com)

Nicht immer ist es möglich, Patientinnen in den eigenen vier Wänden zu versorgen. Dann ist der Übertritt in ein Pflegezentrum unumgänglich. Ein Schritt, der endgültig klingt und von vielen gefürchtet wird. Der «Höngger» hat mit der Sozialarbeiterin des Gesundheitszentrums für das Alter Bombach, Marion Meier, darüber gesprochen, wer dort wohnt und wie Patientinnen und Angehörige mit der Entscheidung für eine Pflegeeinrichtung umgehen können.

Frau Meier, wer zieht bei Ihnen im Gesundheitszentrum ein?
Marion Meier: Der Eintritt in unsere Einrichtung erfolgt meistens im hohen bis sehr hohen Lebensalter, das Durchschnittsalter beträgt bei uns 86 Jahre. Im Gegensatz zum Einzug in ein Altersheim geschieht der Umzug in eine Pflegeeinrichtung nie freiwillig. Der Entscheid wird immer aus einer Not heraus gefällt und stellt einen grossen Einschnitt dar – nicht nur für die Patientinnen, sondern auch für die Angehörigen.

Erkennen Sie da eine Entwicklung – kommen die Menschen früher oder später als noch vor einigen Jahren zu Ihnen?
Es ist eindeutig so, dass die Menschen heute länger zu Hause bleiben als noch vor einige Zeit. Heute kommen sie oft in der Endphase der Pflegebedürftigkeit zu uns. Das hat sich stark verändert. Früher haben die Menschen oft Jahrzehnte in einer Institution gelebt, heute ist ihr Aufenthalt viel kürzer.

Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Zum einen wurde das Angebot zur Unterstützung der häuslichen Betreuung sehr stark ausgebaut. Dazu gehören etwa Tagespflegeangebote, Kurzaufenthalte in Pflegezentren und Hilfe durch Spitex. Zum anderen ist sicher auch das Bedürfnis, so autark wie möglich bleiben zu wollen, gestiegen. Heute wird nicht mehr einfach über Menschen bestimmt – solange sie urteilsfähig sind, haben sie das Recht, sich selbst zu gefährden. Man kann also auch alleine wohnen, selbst wenn das aus Sicht von Ärzten oder Pflegenden gefährlich ist.

Wenn es dann aber doch nicht mehr funktioniert zu Hause – wann sollte die Betreuung einer professionellen Einrichtung überlassen werden?
Bei Alleinstehenden ist der Fall schneller klar. Wenn eine 24-Stunden-Betreuung notwendig wird, dann ist eine Pflegeeinrichtung meist die einzige Option – nur schon aus finanziellen Gründen. Wenn Angehörige pflegen, müssen diese für sich selbst entscheiden, ab wann die eigenen Ressourcen nicht mehr reichen, man selbst vielleicht sogar Gefahr läuft, krank zu werden. Das ist sehr individuell und in der Regel ein längerer Prozess.

Wie können Angehörige damit umgehen, wenn ihnen der Entscheid schwerfällt?
Es empfiehlt sich, schon vor dem Eintritt einmal vorbeizukommen, sich anzuschauen, wie es sich hier lebt. Das mindert die Berührungsängste. Das Gesundheitszentrum für das Alter Bombach bietet auch Gespräche mit den Angehörigen an. Sehr oft hilft zudem der Austausch mit anderen Betroffenen, Angehörigen anderer Patientinnen – entweder im organisierten Rahmen einer Selbsthilfegruppe oder spontan. Und schliesslich ist es tröstlich zu sehen, dass sich die meisten Bewohner*innen nach einer Eingewöhnungszeit auch hier zu Hause fühlen.

Im Artikel „Starke Familienbande“, welcher die neue Reihe «Wertvolle Jahre» lanciert, stellen wir zwei Familien vor, welche die Herausforderung der Pflege zu Hause angenommen haben.

Im Fokus: Wertvolle Jahre

Der «Höngger» veröffentlicht in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.

0 Kommentare


Themen entdecken