Politik
Schlechte Investition am Gotthard
In der Rangliste der Unfallschwerpunkte liegt der Gotthardstrassentunnel erst an 33. Stelle. Auch Staustunden könnten wirksamer abgebaut werden, wenn anstatt am Gotthard an den drängenderen Stauschwerpunkten investiert werden würde.
28. Januar 2016 — Eingesandter Artikel
Ein zweiter Gotthardstrassentunnel ist aus drei Gründen schlecht investiertes Geld: Erstens fallen am Gotthard deutlich weniger Staustunden an als an anderen Orten im Nationalstrassen-Netz. Autofahrer warten über doppelt so lang im Stau an anderen Stauschwerpunkten. Zweitens liegt in der Rangliste der Unfallschwerpunkte auf Nationalstrassen 2012 bis 2014 der Gotthardstrassentunnel erst an 33. Stelle. Aus dem Blickwinkel der Sicherheit sollte konsequenterweise vorher an 32 anderen Orten im Nationalstrassen-Netz investiert werden, bevor am Gotthard eine zweite Röhre gebaut wird.
Unverhältnismässig teuer
Drittens ist der absolute Betrag von 1,4 Milliarden Franken Mehrkosten für eine zweite Röhre unverhältnismässig teuer: Der gesamte Baregg-Ausbau inklusive aller Kunstbauten und Lärmschutzmassnahmen zum Beispiel hat 435 Millionen Franken gekostet. Kurz: Wir hätten von unserem Steuergeld mehr, wenn andernorts im Nationalstrassen-Netz gebaut werden würde anstatt am Gotthard.
Nicht nur aus finanzieller Perspektive und aus Gründen der verkehrspolitischen Prioritätensetzung ist ein zweiter Gotthardstrassentunnel fragwürdig: Ein Ausbau der Kapazität auf vier Spuren bedeutet für die Europäische Union ein neues Druckmittel gegenüber der Schweiz am Verhandlungstisch. Wie lange werden unsere Bundesräte zwei Spuren permanent geschlossen lassen und den Anstieg der Lastwagen-Fahrten aus den Nachbarländern aufhalten können, wenn zwar vier Spuren gebaut sind, zwei Spuren jedoch dauerhaft gesperrt bleiben sollen? Dieses heutige Versprechen von Bundesrätin Leuthard könnte damit rasch obsolet werden.
42 Prozent mehr alpenquerende Lastwagen
Die Öffnung aller vier Spuren am Gotthard – auf welches ein «Ja» am 28. Februar trotz aller heutigen Versprechen hinauslaufen würde – wird zu 42 Prozent mehr alpenquerenden Lastwagen führen und dadurch auch zu einer Zunahme der Staustunden im Raum Zürich. Mit einem zweiten Gotthardstrassentunnel hätten wir Zürcher für eine Fahrt in die Sonnenstube der Schweiz vielleicht weniger oft Stau am Gotthard, dafür aber im täglichen Pendelverkehr vermehrt Wartezeiten durch den zunehmenden Lastwagenverkehr auf der Nord-Süd-Achse.
Die Abstimmung sollte betrachtet werden mit der Nüchternheit des «weisen Ratsherrn», der in der Sage von der Teufelsbrücke den Teufel für seine Hilfe mit einem Geissbock bezahlte. Die Fakten sprechen für sich: Ich empfehle ein «Nein» zur zweiten Gotthardröhre!
Daniel Häuptli, Kantonsrat, Grünliberale
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